Irrer Vierkampf um die Pole Position
Verstappen auf den letzten Metern

GP Monaco 2023

Das war eine der spannendsten Qualifikationen aller Zeiten. Innerhalb der letzten 226 Sekunden wechselte die Führung vier Mal. Max Verstappen entriss Fernando Alonso die Pole Position auf den letzten Metern.

Alonso - Verstappen - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
Foto: Wilhelm

In Monte Carlo findet der Höhepunkt am Samstag statt. Und auch diesmal wurde die Qualifikation ihrem Ruf gerecht. Doch so spannend wie bei der 2023er Ausgabe war die Jagd nach den besten Startplätzen noch nie. Innerhalb von 226 Sekunden wurde die Welt vier Mal auf den Kopf gestellt. Und die Rundenzeiten purzelten weiter.

Bis fünf Minuten vor Schluss gehörte der beste Startplatz Max Verstappen. Das durfte man erwarten. Dann begann das große Finale mit der letzten Garnitur Soft-Reifen. Esteban Ocon läutete es ein. Alle rieben sich die Augen: Der Alpine-Pilot verbesserte die Verstappen-Zeit um eine Zehntelsekunde. Es war ein Schuss, der aus dem Nichts kam.

Unsere Highlights
Max Verstappen - Red Bull - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
Wilhelm
Max Verstappen musste im letzten Abschnitt zaubern, um seine erste Pole Position in Monte Carlo einzufahren.

Verstappen erst im Rückstand

Ocons Bestzeit hatte genau zwei Minuten und acht Sekunden Bestand. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Zum ersten Mal an diesem Wochenende meldete sich Hausherr Charles Leclerc zu Wort. In einem sichtbar schlecht liegenden Ferrari fuhr der Pole-Sieger der beiden letzten Jahre mit einem Husarenritt auf den provisorischen besten Startplatz. Er unterbot Ocons Zeit um 82 Tausendstel.

Nur 30 Sekunden später unterbot Fernando Alonsos Leclercs Bestmarke um 0,022 Sekunden. Damit stand nur noch ein Kandidat für die Pole Position am Start, und der war seine Runde eine Minuten und acht Sekunden später angegangen als Alonso.

Zwei Sektoren lang sah es so aus, als würde Verstappen vergeblich gegen den Aston Martin-Piloten anrennen. Ausgangs der Tabakkurve hatte der Weltmeister 0,204 Sekunden Rückstand auf Alonso. Sogar Leclerc lag virtuell noch 23 Tausendstel vor dem Red Bull.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
xpb
Beinahe hätte Fernando Alonso seine erste Pole seit Hockenheim 2012 erobert.

Astons Problemkurve Rascasse

Doch dann machte der dritte Sektor den ganzen Unterschied. Verstappen nahm Alonso 0,288 Sekunden ab, was in Summe einen Vorsprung von 84 Tausendstel ausmachte. Der Veteran, dem so viele die erste Pole Position seit dem GP Deutschland 2012 gewünscht hatten, verlor das Kopf-an-Kopfrennen in der Rascasse-Kurve. "Bis dahin hatte ich die Nase vorn. Doch Kurve 18 war für uns das ganze Wochenende ein Problem. Dort fühlte sich das Auto lang wie ein Bus an. Ich brachte es einfach nicht zum Rotieren", beschrieb Alonso seine Problemkurve.

In der Sektoren-Wertung lag der WM-Dritte im letzten Abschnitt nur auf Rang 10. Sogar die Alpine, Ferrari, Mercedes, McLaren und Alpha Tauri waren dort schneller. "Den Grund dafür müssen wir noch finden, speziell für die nächsten Stadtrennen wie Singapur", forderte Alonso. Überhitzte Reifen waren es nicht. Man hätte es annehmen können, nachdem Alonso die ersten beiden Sektoren beherrscht hatte, den ersten sogar deutlich.

Hohes Risiko für die Pole

Verstappen gab zu, dass er Mühe hatte, alle drei Sektoren zu einer sauberen Runde zusammenzubringen. "Das ist mir eigentlich erst bei meinem letzten Versuch gelungen. Der dritte Sektor war immer unser stärkster Abschnitt. Zum Schluss habe ich die ein oder andere Mauer berührt." Selbst die entscheidende Runde begann nicht optimal für Verstappen. "Ich musste in der Aufwärmrunde zu stark abbremsen. Wahrscheinlich waren die Reifen noch nicht ganz da. Und dann fehlt auch das absolute Vertrauen."

Auch Alonso musste volles Risiko gehen. "Ich bin bis zu einem Niveau ans Limit gegangen, das mir nicht mehr komfortabel erschien. Heute habe ich viel riskiert. Es hat sich aber gelohnt. Ein Platz in der ersten Startreihe war unser Ziel. Das haben wir abgehakt. Normalerweise sind wir am Sonntag stärker als am Samstag."

Verstappen lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen: "Unser Renntempo ist gut." Alonso machte sofort auf psychologische Kriegsführung. "Für den Sieg brauchen wir die Hilfe von Max. Überholen ist so gut wie unmöglich. Um ins Ziel zu kommen, muss das Auto aber erst mal halten. Du musst Motor, Getriebe und Bremsen ins Ziel bringen. Und die Strategie muss stimmen."

Auch wenn die Starts der Aston Martins bis jetzt durchgehend stark waren und bei Red Bull eher durchwachsen, sieht Alonso auf den ersten 114 Metern wenig Chancen zu einem Platztausch: "Der Anlauf ist zu kurz und die Strecke in dem Bereich zu eng."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
Wilhelm
Eine Strafe befördert Charles Leclerc vom dritten auf den sechsten Startplatz.

Ferraris Probleme mit Bodenwellen

Charles Leclerc war enttäuscht und zufrieden zugleich. "Enttäuscht, weil es nur der dritte Platz ist. Zufrieden, weil wir das ganze Wochenende nicht in Schwung gekommen sind. Das Auto hat brutal aufgesetzt, ist nur herumgesprungen. Da war es schwer, Vertrauen zu finden."

Besonders dramatisch war es in den Kurven 3 (Massenet) und 13 (Schwimmbad-Einfahrt) und in der Steigung zum Casino hoch. "So schlimm, dass ich teilweise kaum die Straße gesehen habe." Leclerc versteht seinen Ferrari SF-23 nicht mehr: "Im letzten Jahr bin ich viel besser über die Bodenwellen gekommen. Die frischen Reifen haben die Probleme in der Qualifikationsrunde wenigstens etwas überdeckt."

Ferrari weiß, dass die Aufhängungen eine größten Baustellen des 2023er Autos sind. Die Ingenieure schaffen es einfach nicht, das Auto in dem kleinen Fenster, in dem die Aerodynamik funktioniert, komfortabel zu dämpfen. Eine Modifikation am Fahrwerk trug keine Früchte. Man ist wieder so weit wie vorher.

Leclerc ahnte bereits am Samstag, dass der Sonntag die wesentlich härtere Prüfung für Ferrari zu werden droht. Das Team hatte am Freitag komplett auf Longrun verzichtet, weil man der Qualifikation den Vorrang geben wollte. "Vom Rennspeed her liegen wir zurück. Wir können nur auf Regen hoffen oder dass die Glückskugel in unser Lager fällt." Zunächst einmal fiel sie gegen den Monegassen. Drei Stunden nach der Qualifikation setzten die Sportkommissare Leclerc um drei Startplätze zurück. Er hatte im Q3 Lando Norris behindert.

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