Taktikcheck GP Monaco 2023
Schlechte Karten für Pokerspieler

GP Monaco 2023

Unterschiedliche Strategien und Regen ab der 54. Runde hätten das Feld durchmischen können. Tatsächlich gab es weniger Bewegung in der Reihenfolge als es die Umstände vermuten lassen. Pokern ging in die Hose.

Max Verstappen - Red Bull - GP Monaco 2023
Foto: Wilhelm

Der GP Monaco wird am Samstag entschieden. Die alte Weisheit bewahrheitete sich einmal mehr. Auch wenn die Umstände dagegen sprachen. Neun Fahrer gingen mit harten Reifen ins Rennen, zehn auf dem Medium-Gummi und Guanyu Zhou auf dem Soft. Drei davon bogen schon nach einer Runde zum Wechsel auf harte Reifen in die Boxengasse ab. Sergio Perez, Nico Hülkenberg und Guanyu Zhou wollten danach den Grand Prix ohne weiteren Stopp zu Ende fahren.

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Das allein versprach später im Rennen Verschiebungen im Feld. Als nach 50 Runden leichter Regen einsetzte, der sich vier Umläufe später in einen stärkeren Schauer verwandelte, da durfte man davon ausgehen, dass Fahrfehler und falsch getimte Boxenstopps die Reihenfolge durchmischen würden. Zumal sich die meisten Teams mit der Dauer und der Intensität des Regens verschätzt hatten.

Obwohl es auf der Rennstrecke zu einigen chaotischen Szenen, Verbremsern und Leitplanken-Kontakten kam, waren die meisten Kurven in der Rundentabelle ein Strich. Max Verstappen, Fernando Alonso, Esteban Ocon, Charles Leclerc und Nyck de Vries hielten ihre Positionen das ganze Rennen lang bei. Lando Norris, Oscar Piastri und Alexander Albon rutschten erst um jeweils eine Position nach vorne als bei Yuki Tsunoda die Bremsen schlappmachten. Da war der Japaner eine leichte Beute für sie.

Start - GP Monaco 2023
xpb
Sieben der zehn Fahrer aus den Top 10 starteten auf den harten Reifen.

Hart-medium besser als Medium-hart

Unter dem Strich schnitt die Strategie mit der harten C3-Mischung beim Start besser ab als der Start auf den mittleren C4-Reifen. Sieben Fahrer in den Top Ten begannen mit Pirellis härtester Reifensorte. Max Verstappen war wieder einmal die Ausnahme. Den Weltmeister und seinen Red Bull wirft keine Taktik der Welt und auch ein wenig Wetterchaos nicht aus der Bahn.

Medium-Starter Lewis Hamilton machte eine Position gut, obwohl er vor dem Regen schon von Medium auf Hart gewechselt hatte. Das gleiche galt für Lando Norris. Es war auf jeden Fall die riskantere Taktik. Man traute den Medium-Reifen höchstens 35 bis 40 Runden zu.

Angesichts der dunklen Wolken, die sich schon zum Start des Grand Prix hinter den Bergen auftürmten, war das möglicherweise nicht genug. Und das bedeutete wie im Fall von Hamilton und Norris einen zusätzlichen Boxenstopp, bevor der Regen allen Intermediates diktierte. Ihr Glück war, dass die Alpha-Tauri-Piloten auf den Plätze 9 und 12 große Lücken in das Feld rissen, in die Hamilton und Norris relativ weich fielen.

Max Verstappen - Red Bull - GP Monaco 2023 - Rennen
Wilhelm
Max Verstappen zeigte einmal mehr überragende Qualitäten beim Reifenmanagement.

Verstappen nur kurz verwundbar

Verstappen brachte das Kunststück fertig, die Medium-Gummis bis zur 55. Runde zu retten, und das bei einem Tempo, dem keiner folgen konnte. Das spricht für sein überragendes Reifen-Management. Nur zwischen den Runden 25 und 33 war der Holländer verwundbar. Die Medium-Reifen körnten, speziell links vorne. Da holte Fernando Alonso 6,2 Sekunden auf.

Das war der Plan des Spaniers. Er war Realist genug, dass er bei 114 Meter Anlauf in die erste Kurve keine große Chance hatte, Verstappen zu überholen. Also wollte man ihn auf harten Reifen so lange hetzen, bis die Medium-Reifen in die Knie gehen würden. Das taten sie dann auch, aber später und weniger gravierend als erhofft.

Alonso und seine Mitstreiter auf harten Reifen hatten den Luxus, dass sie warten konnten, so lange sie wollten. Ihre Gegner eigentlich nicht. Und trotzdem steuerte der Spanier seine Box eine Runde früher an als Verstappen. Als die ersten Regentropfen fielen, sorgte sich der Kommandostand von Aston Martin, dass abgefahrene harte Reifen so viel Temperatur verlieren, dass sie auf nasser Piste zum Risiko werden.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP Monaco 2023 - Rennen
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Aston Martin stoppte mit Alonso das eine Mal zu viel.

Zusätzlicher Stopp kostet Sieg

Doch statt sofort auf Intermediates zu wechseln, gab man Alonso Medium-Reifen mit auf die Reise, was das Team nur eine Runde später korrigieren musste. Der zusätzliche Stopp hat Alonso möglicherweise den Sieg gekostet. Weil Verstappen erst in Runde 55 stoppte und in den beiden Umläufen davor viel Zeit verlor, wäre der Aston Martin bei nur einem Reifenwechsel in Runde 54 rein rechnerisch knapp vier Sekunden vor dem Red Bull in die letzten 23 Runden gegangen.

Wie so viele Teams hatte Aston Martin den Regen falsch eingeschätzt. "Wir dachten, der Schauer würde kürzer dauern und weniger stark sein", gab Teamchef Mike Krack zu. Zudem meldete Alonso am Funk, dass bis auf die Kurven 7 und 8 alles trocken sei. Ein Blick auf die trockene Zielgerade und Schwimmbadpassage bestärkte die Strategen in ihrer Entscheidung, nicht sofort auf Intermediates zu setzen. Man hatte Angst, sich die Mischreifen an den trockenen Stellen kaputt zu fahren, bevor es richtig zu regnen beginnen würde. Zum Glück für Alonso war die Lücke zu Russell und Ocon mit 23 Sekunden so groß, dass wenigstens kein Platz verloren ging.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Monaco 2023 - Rennen
Wilhelm
Ferrari sah das Ziel nur auf den Positionen sechs und acht.

Ferrari reagiert auf Undercuts

Ferrari war aus den gleichen Beweggründen wie Alonso mit harten Reifen gestartet. Eigentlich hätten Carlos Sainz und Charles Leclerc warten können, doch ihre roten Autos fraßen wieder einmal die Hinterreifen. Als Hamilton und Ocon in den Runden 31 und 32 ihre Medium-Gummis gegen harte Reifen eintauschte, ließ sich Ferrari mit Sainz zu einer Reaktion hinreißen. "Wir wollten Hamilton hinter uns halten", erklärte Teamchef Frédéric Vasseur. Was zunächst auch gelang.

Bei Leclerc spielte auch der schlechte Zustand seiner Reifen eine Rolle. Er verlor auf den Dreierpulk acht Sekunden hinter ihm eine Sekunde pro Runde. Und Ferrari wollte nicht in einen Undercut von Pierre Gasly laufen, der nur eineinhalb Sekunden hinter Leclerc lag. Als beugte man durch einen eigenen Undercut vor.

Die Boxenstopps von Hamilton, Ocon, Sainz und Leclerc räumten das Feld für George Russell. Der Engländer war auf seinen harten Reifen auf Abwarten gepolt. Was sich auszahlte, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Russell sprang auf Platz 3, den er leichtfertig verspielte, weil er auf nasser Piste in den Notausgang der Mirabeau-Kurve rutschte und bei der Rückkehr auf die Strecke Sergio Perez abräumte. Das kostete zwei Positionen und brachte ihm eine Fünfsekunden-Strafe ein.

Russell war untröstlich: "Der Fehler geht voll auf meine Kappe. Ich habe heute einen Podestplatz verschenkt." Das gleiche konnte Sainz von sich sagen. Ein Ausrutscher warf ihn hinter Hamilton, Leclerc und Gasly. Es war der eine Fehler zu viel.

George Russell - Mercedes - GP Monaco 2023 - Rennen
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Mit einem Fahrfehler verschenkte Russell ein mögliches Podest.

Intermediates in Runde 54

Die Ferrari-Piloten machten für ihren Abstieg auch das Timing der Wechsel auf Intermediates verantwortlich. Er kam ihrer Meinung nach eine Runde zu spät. Leclerc verlor in diesem 55. Umlauf 13 Sekunden auf Hamilton, Sainz 19 Sekunden auf Ocon. "Wir haben auf ein Safety Car spekuliert. Es kam leider keines", verteidigte Vasseur seine Strategen. Haas ging es genauso.

Valtteri Bottas und Lance Stroll läuteten schon in der 51. Runde die Boxenstopps für Intermediates ein. Das war eindeutig zu früh. Ideal wäre die 54. Runde gewesen, wobei für Verstappen und Alonso die Entscheidung auch deshalb so schwer war, weil sie an der Spitze noch am wenigsten von dem Regen abbekommen hatten, der von der Mirabeau-Seite her über die Strecke zog. Russell, Ocon, Hamilton, Gasly, Piastri und Norris hatten mit über 20 Sekunden Rückstand ein besseres Urteilsvermögen über die Zunahme des Regens. Sie alle stoppten in der gleichen Runde wie Alonso, wurden aber bereits auf Intermediates weitergeschickt.

Die Zocker hatten kein Spielglück. Perez, Zhou und Hülkenberg fanden zwar schon in der 25. Runde Anschluss an das Feld, doch sie profitierten von ihrem Reifenwechsel nach einer Runde nicht, weil den Fahrern oder dem Team Fehler unterliefen und der Regen allen im Feld noch einen Reifenwechsel aufzwang.

Haas wollte mit Extremwetter-Reifen noch einmal pokern, fiel aber auch da auf die Nase. Anfangs war die Mischung den Intermediates überlegen, doch als die Berieselung von oben aufhörte, wurde das Fahren zur Qual. Hülkenberg verlor in den letzten acht Runden bis zu sieben Sekunden pro Umlauf.

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