Mercedes und Ferrari ziehen Bilanz
Zwei Teams, zwei Wege aus der Krise

GP Monaco 2023

Mercedes hat sich mit seinem Upgrade in Monte Carlo solide geschlagen. Ferrari dagegen sieht trotz schwachem Abschneiden weiter genug Potenzial in seinem Auto, Red Bull zu schlagen.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Monaco 2023 - Rennen
Foto: Motorsport Images

Die Podestplätze gingen an andere: Red Bull, Aston Martin und Alpine. Mercedes und Ferrari schafften nicht den Sprung in die Fürstenloge. Bei den einstigen Herausforderern von Red Bull weinte man verpassten Chancen nach. George Russell hätte Dritter werden können, wenn er in der Mirabeau-Kurve nicht in den Notausgang gerutscht und bei seiner Rückkehr auf die Strecke Sergio Perez auf die Hörner genommen hätte. Ferrari beanspruchte für Charles Leclerc das gleiche Ergebnis. Wenn er seinen dritten Startplatz behalten und den auf dem Weg in die erste Kurve verteidigt hätte.

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Mercedes und Ferrari gingen mit unterschiedlichen Voraussetzungen in den glamourösesten Grand Prix des Jahres. Der eine mit einem runderneuerten Auto, der andere mit dem Standard-Modell, das einen Monaco-Flügel bekam. Während Mercedes sich schon nach dem Saisonauftakt endgültig von seinem Konzept ohne Seitenkästen verabschiedete, hält Ferrari weiter eisern an einer Linie fest. Erst in Barcelona soll der SF-23 neue Seitenkästen und eine darauf adaptierte Motorabdeckung bekommen. Man sagt, dass das Ergebnis dem Red Bull nicht unähnlich sieht. Das muss aber nicht unbedingt auch ein Konzeptwechsel sein.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Monaco 2023
xpb
Leclerc glänzte in der Qualifikation. Eine Strafe warf ihn in der Startaufstellung zurück.

Quali-Runde Kompliment an Leclerc

Mercedes durfte mit dem Debüt seiner B-Version, die intern so nicht heißen darf, zufrieden sein. Das Facelift hat nicht die Welt auf den Kopf gestellt, aber das konnte man in Monte Carlo auch nicht erwarten. Der Stadtkurs war auch in besseren Zeiten nicht die Sahnestrecke der Silberpfeile. Immerhin gab es keinen Absturz, was bei so vielen neuen Teilen schon einmal passieren kann, wenn man sich mit dem Setup verirrt. Teamchef Toto Wolff nannte die 0,265 Sekunden Rückstand auf die Pole Position und die Plätze 4 und 5 ein "solides Ergebnis". Er war aber auch ehrlich genug um zu sagen: "Der Regen hat unserem Ergebnis geschmeichelt."

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Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur verkaufte das Resultat seiner Fahrer deutlich optimistischer. Vielleicht muss er das, um in Italien kein Erdbeben auszulösen. Tatsächlich deckte Monte Carlo einmal mehr die Schwächen des Autos auf. Der Ferrari lag extrem unruhig über die Bodenwellen, was es den Fahrern schwer machte, konstant am Limit zu fahren. Die drittschnellste Qualifikationsrunde, nur 0,107 Sekunden hinter der Pole Position, war ein Kompliment an Charles Leclerc, nicht an das Auto.

Wieder Reifen-Probleme für Ferrari

Mercedes fuhr im Rennen von den Startpositionen 5 und 8 auf die Plätze 4 und 5. Bei Ferrari ging die Reise rückwärts. Von 4 und 6 auf 6 und 8. Carlos Sainz war an seinem Absturz selbst schuld. Wie George Russell. Auch Sainz wurde bei den rutschigen Bedingungen die Mirabeau-Kurve zum Verhängnis. Die Kollision mit Esteban Ocon im ersten Teil des Rennens hatte laut Sainz trotz abgerissener Frontflügelendplatte keinen Einfluss auf das Renntempo: "Am Anfang im Verkehr spürte ich ein leichtes Untersteuern. Als ich mal frei fahren konnte, war das Auto wie immer."

Taktisch war Mercedes besser aufgestellt. Der WM-Dritte splittete die Strategie, was angesichts der unsicheren Wetterlage auch Sinn machte. Lewis Hamilton fuhr als besser platzierter Fahrer mit Medium-Reifen los. "Bei George auf dem achten Startplatz war das Risiko mit harten Reifen am Start gerechtfertigt. Wir waren nur überrascht, wie viele diesem Plan gefolgt sind", wunderte sich Wolff. Es war die bessere Option. Russell hatte den Luxus, den Regen abzuwarten und rückte so auf Platz 3 vor, den er dann selbst wieder aus den Händen gab.

Ferrari setzte voll auf die harten Reifen, nutzte aber weder mit Sainz noch mit Leclerc dessen Vorteil. Beide Fahrer legten einen zusätzlichen Boxenstopp ein. Beide aus Angst vor Undercuts. Sainz reagierte auf Hamilton. Leclerc antizipierte einen von Pierre Gasly. Ferrari hätte wenigstens mit einem Fahrer auf den Regen warten können. Das war aber vermutlich auch deshalb nicht möglich, weil trotz der Wahl der harten Mischung wieder einmal die Hinterreifen in die Knie gingen. Auch so eine Baustelle des Ferrari.

Ferrari fehlt die Konstanz

Vasseur glaubt, dass der Ferrari eigentlich den Speed des Red Bull hat, ihn nur nicht immer und überall reproduzieren kann. "Wir waren mit einer Ausnahme auf jeder Strecke in der Lage, in die erste Startreihe zu fahren." Man müsse nur die Konstanz finden, so der Franzose, und schon sei die Welt wieder in Ordnung. Nach dem Motto: "Es ist einfacher Beständigkeit zu finden als Speed."

Das könnte wie schon in der Saison 2019 ein Trugschluss sein. Dem Ferrari SF-23 fehlen offenbar einige Zutaten, um schnelle Rundenzeiten am Stück zu fahren. Die Aerodynamik funktioniert nur in einem kleinen Fenster. Um das Auto darin zu halten, ist es zu hart gefedert. Das geht auf den Fahrkomfort. Auf eine Runde kann ein Leclerc diese Mängel überfahren. Auch, weil frische weiche Reifen viele Defizite überdecken. Über die Distanz beginnt das Auto zu rutschen. Und das ruiniert die Reifen.

Das große Rätsel aus Sicht von Leclerc ist, dass der Ferrari all diese guten Eigenschaften bis vor einem Jahr noch hatte. Sie gingen erst Mitte letzter Saison verloren. Es lässt sich sogar ein Datum nennen. Mit dem Upgrade zum GP Frankreich.

Carlos Sainz - Ferrari - GP Monaco 2023 - Rennen
Wilhelm
Noch glaubt man bei Ferrari an das Potenzial, das im aktuellen Konzept des SF-23 steckt.

Ferrari will mit Kehrtwende warten

Mercedes hatte von Anfang an das Problem mit dem zu engen Arbeitsfenster. Es dauerte ein Jahr und drei Monate, bis sich die Ingenieure den Fehler eingestanden und den Kurs wechselten. Das Upgrade soll es jetzt richten. Monte Carlo war kein echter Prüfstein. "Wir werden in Barcelona sehen, wo wir damit stehen. Dann beginnt die Arbeit, das Paket zu optimieren. Darin sind wir eigentlich gut. Wir haben es letztes Jahr immerhin geschafft, aus dem W13 ein Auto zu machen, das ein Rennen gewinnt", hofft Wolff.

Vasseur will mit einer Kehrtwende noch warten. Die Ingenieure sollen erst einmal zeigen, ob man diesem SF-23 nicht doch das Laufen beibringen kann. Ferrari kündigt für die nächsten vier Rennen Upgrades an. Erst dann wisse man, wo die Reise hingeht, sagt Vasseur. "Jetzt das Ruder herumzuwerfen, wäre zu spät. Was auch immer man ändert, es wäre erst im Oktober am Auto. Das stecken wir lieber in das 2024er Modell."

Seit dem GP Monaco wissen alle im Zirkus, wie die 2023er Autos von unten aussehen. Je ein Red Bull, Mercedes und Ferrari hingen am Haken. Ohne auf die Details der Unterböden zu achten, war ein Unterschied mit bloßem Auge zu erkennen. Die Schutzplanke unter dem Red Bull war über die gesamte Länge abgenutzt. Nur an den Skids, wo gemessen wird, gab es weiße Stellen. Bei den Konkurrenzautos sah die Planke viel weniger abgenutzt aus.

Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten. Red Bull fährt tiefer als alle anderen, und man weiß im Designbüro, wie man das anstellen muss, ohne dass sich die kritischen Stellen zu stark abnutzen. Da ist offenbar Knowhow vorhanden, dass die Gegner nicht haben. Unter dem Gesichtspunkt hat McLaren von allen Teams das beste Upgrade aufgesetzt. Der britische Rennstall warb Chefdesigner Rob Marshall von Red Bull ab. Arbeitsbeginn: 1. Januar 2024.

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