Alpine mischt die Topgruppe auf
Schmunzeln über Ferrari-Funksprüche

GP Monaco 2023

Erstmals seit Katar 2021 kehrte Alpine auf das Podest zurück. Esteban Ocon war der gefeierte Held. Der Franzose behielt unter großem Druck kühlen Kopf – wie seine Strategen, die sich nicht von den Ferrari-Funksprüchen beirren ließen. Mit weiteren Upgrades will sich Alpine der Topgruppe der Formel 1 nähern.

Esteban Ocon - Alpine - GP Monaco 2023 - Rennen
Foto: Motorsport Images

Alpine glückte beim Grand Prix von Monaco ein Befreiungsschlag. Esteban Ocon sicherte seiner Mannschaft mit einer starken Qualifikation und einem praktisch fehlerlosen Rennen das erste Podest seit Katar 2021. Pierre Gasly steuerte als Siebter wichtige Punkte bei. In Summe verließ Alpine das Fürstentum mit einer Ausbeute von 21 Zählern. Eine bessere Reaktion hätte sich CEO Laurent Rossi auf seine Generalkritik in Miami nicht wünschen können.

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Der französische Nationalrennstall löste sich mit einem Schlag von McLaren. Dem Chef gefiel, was er zu sehen bekam. Eine Mannschaft, die am Limit des eigenen Autos und der eigenen Möglichkeiten operierte. "Es waren drei Dinge, die mir missfallen hatten. Erstens die Performance des Autos. Wir sind nicht so schnell, wie wir es gehofft hatten. Daran arbeiten wir. Wir wissen, dass das Zeit braucht", führt Rossi aus.

Esteban Ocon - Alpine - GP Monaco 2023 - Rennen
xpb
Stark in der Quali, stark im Rennen: Esteban Ocon ließ Alpine jubeln.

Alpine in Monaco in Topliga

Vielmehr störte sich der CEO jedoch an zwei anderen Problemen, die er in den ersten Rennen identifiziert hatte. "Zweitens gab es ein Problem auf operativer Ebene. Mir geht es darum, dass wir auf der Rennstrecke mit Spitzenleistungen das herausholen, was in unserem Paket steckt. Das ist losgelöst von der Entwicklung in der Fabrik. 2021 haben wir auf hohem Niveau operiert, um das eigentlich schnellere Alpha Tauri zu schlagen. 2022 haben wir es gegen McLaren gezeigt. In diesem Jahr blieben wir in den ersten Rennen jedoch unter unseren Möglichkeiten."

Und weiter: "Das dritte Problem ist die Denkweise und Einstellung. Fehler dürfen passieren. Wir müssen aber daraus lernen und dürfen sie nicht wiederholen. Ich hatte das Gefühl, dass ich alle an die verschiedenen Punkte erinnern musste." Im Rennen in Miami gelang bereits der erste Schritt. In Monaco ein großer zweiter. Die Alpine katapultierten sich in die Spitzengruppe der Formel 1. Ocon verfehlte gerade mal um 0,188 Sekunden die Pole Position.

Für gewöhnlich fährt Alpine im Mittelfeld ein einsames Rennen. Red Bull befindet sich ohnehin in einer eigenen Liga. Zu Ferrari und Mercedes fehlen in der Regel zwischen zwei und fünf Zehntel. In Monte Carlo war das anders. Alpine hielt sich auch über die Renndistanz im Vorderfeld, wenngleich die Rennpace schwer zu beurteilen war. Weder Ferrari noch Mercedes hatten freie Fahrt. "Im Prinzip war das Feld in zwei Gruppen geteilt. Fünf Autos vorn, dahinter die restlichen fünf, mit einem großen Abstand dazwischen", urteilte Rossi. "Die Top 5 waren so viel schneller, dass sie bei einem Boxenstopp nicht in den Verkehr fielen."

Ocon schnell an den Mauern

Der Stadtkurs hat seine eigenen Gesetze, was zu Abweichungen im Kräfteverhältnis führen kann. Die aerodynamische Leistungsfähigkeit rückt verglichen mit konventionellen Rennstrecken in den Hintergrund. Viel wichtiger ist es, eine stabile mechanische Plattform zu haben, gut über Bodenwellen zu kommen und Vorder- wie Hinterreifen schnell und gleichzeitig ins Arbeitsfenster zu bringen.

Alpine hatte gute Vorarbeit geleistet. Die Simulationen in der Fabrik waren ein brauchbarer Startpunkt. Die Fahrer fanden schnell Vertrauen in ihr Auto, weil die Balance früh stimmte. Das beflügelte vor allem Ocon, der früher als sonst auf Tuchfühlung zu den Leitplanken ging. Mit jedem Training steigerte sich Alpine. "Ich war in jeder Session in der Lage, zu pushen und näher an die Leitplanken zu fahren als ich es für gewöhnlich in Monaco mache."

Die neuen Teile wie der Seitenkasten mit der tieferen Mulde und das gewachsene Verständnis für das Auto mögen geholfen haben. Entscheidend aber war die innige Verbindung, die Fahrer und Rennwagen aufgebaut hatten. Ocon fühlte sich pudelwohl. Er spielte mit seinem Auto zwischen den Leitplanken. Und er vollstreckte mit nahezu chirurgischer Präzision im Rennen. Den drängelnden Carlos Sainz hielt er genauso hinter sich wie später im Regen Lewis Hamilton.

Pierre Gasly - Alpine - GP Monaco 2023 - Rennen
Wilhelm
Pierre Gasly steuerte den zweiten Alpine auf den siebten Platz. In Summe holten die Franzosen 21 WM-Punkte in Monte Carlo.

Ferrari-Finte ohne Substanz

Rossi lobte: "Esteban ist noch nie unter Druck gebrochen. Er fährt extrem solide. Er hat stets die Beherrschung behalten und war widerstandsfähig." Sainz ritt maximal eine Verzweiflungstat. In Runde elf hätte er beinahe den Alpine abgeräumt, weil er von viel zu weit weg viel zu spät auf die Bremse ging. Ocons Diffusor wurde beschädigt, was etwa sechs Punkte an Abtrieb gekostet haben soll.

Die zwei Funksprüche von Ferrari in den Runden 20 und 28, die suggerierten, dass Sainz für einen Undercut in die Box abbiegt, ließen die Alpine-Ingenieure kalt. Vielmehr noch: Sie amüsierten sich darüber. Es war eine Finte mit Null-Komma-Null Erfolgsaussicht. Sainz hatte am Start die harten Reifen drauf. Ocon die Mediums. Ein früher Wechsel hätte dem Ferrari-Fahrer einen langen Stint auf der mittelharten Mischung bis Rennende eingebrockt. Und bei Ferraris Reifenabnutzung wäre daran nicht zu denken gewesen. Insofern zuckte Alpine nicht einmal. Der Bluff der Roten hatte einfach keine Substanz.

Mit Max Verstappen und Fernando Alonso konnte Ocon ohnehin nicht mithalten. Also beschränkte er sich darauf, seine Verfolger zu kontrollieren und mit den Reifen hauszuhalten. Er teilte sich die Pace ein, wie es je nach Rennsituation erforderlich war. "Esteban hat die Reifen besser in Schuss gehalten als die Mercedes- und Ferrari-Fahrer", lobte der Chef. Auf den Mercedes-Stopp von Lewis Hamilton reagierte Alpine mit einem Reifentausch in Runde 32, um den Undercut zu verhindern. Der Overcut-Versuch von Sainz gegen den Alpine misslang.

Pierre Gasly - Alpine - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
Wilhelm
Mit Upgrades für Aerodynamik und Mechanik will Alpine in den kommenden Wochen Fortschritte machen.

Updates für Aero und Mechanik

Bis zum Regen ohne Stopp auszuharren, hätte für Ocon keinen Sinn gemacht. Dann hätte er zu viel Zeit verloren. Und keiner wusste ja mit Sicherheit, ob es überhaupt regnen würde. Insofern machte Alpine taktisch alles richtig. Auch das Timing des Wechsels auf Intermediates in Runde 54 stimmte.

Trotzdem wäre das Podest fast durch die Hände gerutscht. Weil George Russell seinen einzigen Halt im selben Umlauf einlegte, und die Box vor Ocon verließ. Ein Fahrfehler in Mirabeau warf den Mercedes-Fahrer dann allerdings zurück. Rossi bedauerte ein wenig, dass man es mit dem zweiten Fahrer nicht so gemacht hatte wie Mercedes: "Wir hätten Pierre vielleicht so lange draußen lassen sollen wie Russell. Dann wären wir womöglich Dritter und Vierter geworden."

Der große Gegner in der Schlussphase war Hamilton. Der Rekordweltmeister suchte einen Weg vorbei an Ocon. "Er war schneller in den nassen Passagen zwischen den Kurven fünf und acht. Ich dafür auf den trockenen Stellen." Der Zweikampf erinnerte an den GP Japan im Vorjahr. Auch damals ließ sich Ocon im Regen nicht vom Routinier austricksen. So rettete der Franzose sein drittes Podest der Karriere ins Ziel. Druck scheint Ocon nichts auszumachen. Das hatte er auch schon bei seinem bisher einzigen Sieg in Ungarn 2021 gezeigt.

Wahrscheinlich war die Vorstellung in Monaco ein Ausreißer nach oben. Sicher aber eine große Motivationsspritze. Alpine hat sich vorgenommen, mit weiteren Upgrades die Lücke nach vorne zu verkleinern. "Wir haben ein paar gute Innovationen in der Pipeline", verrät Rossi. "Es wird weitere Aerodynamikteile geben und Neues für die Mechanik. Das sollte uns helfen, das Auto in einem anderen Fenster mit einer anderen Bodenfreiheit zu fahren." Alpine strebt danach, den A523 nach unten zu schrauben. Je tiefer, desto mehr Abtrieb. Gesehen an Red Bull. Dafür allerdings muss man bei den Aufhängungen die richtigen Maßnahmen ergreifen.

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