Rennanalyse GP USA 2023
FIA überführt Hamilton und Leclerc

GP USA 2023

Max Verstappen kämpfte sich zum Austin-Sieg. Lewis Hamilton und Charles Leclerc wurden disqualifiziert. McLaren unterstrich, dass mit dem Team auf jeder Rennstrecke zu rechnen ist.

Leclerc - Hamilton - GP USA 2023 - Austin
Foto: Wilhelm

Warum wurden Hamilton und Leclerc disqualifiziert?

Lewis Hamilton hatte den Sieg vor Augen. Sein Chef Toto Wolff hatte gemischte Gefühle: Einerseits ermutigte der Fortschritt, andererseits trauerte Mercedes einer verpassten Chance nach. Keine zwei Stunden nach Rennende braute sich dann ein Gewitter zusammen, das sich um 19:16 Uhr Ortszeit entlud.

Bei ihrer Nachkontrolle stellten die FIA-Techniker fest, dass sich die Bodenplatte an Hamiltons Mercedes im hinteren Bereich zu sehr abgenutzt hatte. Gemessen wird an den Löchern, in denen die sogenannten Skid Blocks (Befestigungsschrauben) stecken. Der Schwellenwert liegt hier bei einem Millimeter. Mercedes überschritt die Toleranz.

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Es erwischte auch den Ferrari von Charles Leclerc mit demselben Vergehen. Hier gibt es nur Schwarz oder Weiß: Die Autos verstießen gegen die Regeln, also musste die FIA sie aus dem Verkehr ziehen. So kletterte Lando Norris auf Platz zwei und Carlos Sainz auf das Podest, Sergio Pérez an die vierte Stelle und George Russell an die fünfte. Pierre Gasly wurde Sechster, Lance Stroll Siebter und Yuki Tsunoda Achter. Die Williams rutschten in die Punkte.

Mercedes und Ferrari stolperten wahrscheinlich über die Rumpelpiste sowie das Event-Format. Das ist jedenfalls die erste Erklärung. So viele Bodenwellen wie in diesem Jahr hatte der Circuit of the Americas noch nie. Die vielen Schläge musste man einkalkulieren. Allerdings: Mit nur einem Training kann man sich leichter bei der Bodenfreiheit verschätzen. Ab Freitagabend gilt an einem Sprint-Wochenende das Parc fermé. Heißt: Die Autos mussten so eingestellt sein, dass sie zwei Qualis, den Sprint und den Grand Prix überstehen.

Die Teamkollegen waren übrigens mit etwas mehr Bodenfreiheit unterwegs. Ihre Autos mussten nach dem Rennen aber auch nicht zur Inspektion. Dafür zwei Konkurrenten. Die FIA schaute sich die Unterböden am Red Bull von Max Verstappen und am McLaren von Lando Norris an. Sie bestanden beide den Test. Die Auswahl erfolgt für gewöhnlich zufällig. Doch von Zeit zu Zeit ziehen die Techniker auch mal Autos heraus, die in vergangenen Rennen am Limit waren. Wohl wie in diesem Fall.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
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Nächster Sieg: Max Verstappen ließ sich auch von Bremsproblemen nicht aufhalten.

Wie schlimm waren Verstappens Bremsprobleme?

Im Sprint hängte Verstappen seine Verfolger um 9,4 Sekunden ab. Im Hauptrennen über die dreifache Distanz waren es nur 2,2 Sekunden. Red Bulls Sportchef Helmut Marko sprach vom härtesten Sieg der Saison. Sein Chefpilot beschrieb es als einen Krampf. Man merkte ihm bei jedem Funkspruch an, dass er am Limit operierte, um den 15. Saison-Erfolg einzufahren. Mehrmals schnauzte Verstappen seinen Renningenieur an.

Der knappe Ausgang kam aus zwei Gründen zustande. Zum einen startete der Champion nicht von Pole, sondern vom sechsten Platz. Turbulente Luft stutzt selbst dem Über-Auto etwas die Flügel. Zum anderen befiel den RB19 ein mysteriöses Problem: Die Bremsen nervten. "Ich konnte nie das Gefühl aus dem Sprintrennen aufbauen", beschrieb der Sieger.

Das Bremsproblem schleppte der Red Bull schon das ganze Wochenende herum, wie Marko erklärte: "Wir haben die Bremsen nach der Qualifikation getauscht." Im Sprint wurde es erstmal besser. Am Sonntag kehrte das Leiden in verstärkter Form unmittelbar nach der Startphase zurück. "Mal haben die Bremsen vorn mehr gebissen, mal hinten. Max musste mit unheimlich viel Gefühl agieren", beschreibt es Marko. Das klingt nach einem Hund in der Bremskraftverteilung. In den Daten ließ sich das Übel nicht finden.

Es zeigt die Reife und Klasse von Verstappen, dass er diesen Sieg trotzdem einfuhr. Auf dem Weg dorthin überholte er George Russell, Carlos Sainz und Charles Leclerc. Lewis Hamilton kassierte er durch einen früheren ersten Stopp. Lando Norris dann auf der Strecke bei Rennhalbzeit. Auf dem letzten Reifensatz strauchelte Verstappen mehr. "Der harte Reifen lag uns nicht so wie die Mediums", so Marko.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
Motorsport Images

Mercedes zögerte den ersten Reifenwechsel von Lewis Hamilton zu lange hinaus.

Wo vertat sich Mercedes bei der Strategie?

Mercedes hatte in Austin ein schnelles Auto. Der neue Unterboden schlug auf Anhieb ein. Gerade Austin-Spezialist Hamilton spürte das Heck viel besser: "Ich konnte das Auto endlich in die Kurve werfen. Auf dem Papier hat das Upgrade vielleicht eine Zehntel gebracht, das Vertrauen schenkt dir eine weitere." So befand sich der siebenmalige Formel-1-Weltmeister in der Verlosung um den Sieg, obwohl er am Start eine Position verlor.

Die beiden Ferrari überholte Hamilton schnell. Danach verkleinerte er die Lücke zu Norris und hielt Verstappen auf Distanz. In Runde 15 trennten die beiden 6,6 Sekunden. Einen Umlauf später bog der Red Bull zum ersten Reifenwechsel ab. McLaren reagierte mit Norris sofort, Mercedes nicht, weil man zwischen den Strategien pendelte.

"Plan A war ein Zweistopprennen. Aber wir dachten, wenn wir es mal bis Runde 18 oder 19 schaffen, ist ein Einstopprennen drin", erklärte Teamchef Wolff. Daher auch die Frage vom Kommandostand an Hamilton, ob er noch ein paar Runden auf dem Startreifen durchhalten könne. Antwort: "Ich bin nicht sicher."

Der Kommandostand verpasste es, die Reißleine zu ziehen und seinen Fahrer reinzuholen. "Schlussendlich haben wir uns in dieser Phase selbst geschlagen. Wir standen zwischen den Stühlen und haben unser Rennen weder in die eine noch in die andere Richtung optimiert", fluchte Wolff. "Wir hatten drei Runden, um zu reagieren und Max zu covern. Lewis wäre vor ihm zurück auf die Strecke gekommen."

Stattdessen zögerte Mercedes den ersten Halt bis Runde 20 hinaus. Zwei Umläufe zu lang. Hamilton brachen die Reifen ein, was die Track-Position gegen Verstappen sowie wertvolle Rennzeit kostete. Das Abwarten kostete netto 11,2 Sekunden.

Der Teamchef kritisierte die Boxenstopps. Mercedes gehört hier zu den langsamsten Teams. "Wir müssen unsere Werkzeuge und Abläufe verbessern. Wir können uns keine Reifenwechsel von drei oder dreieinhalb Sekunden leisten."

Norris - Verstappen - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
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McLaren fehlte schlussendlich die Geschwindigkeit für den Sieg. Das Auto belastete die Reifen zu sehr.

Hatte McLaren eine echte Siegchance?

Ein Raketenstart, ein starker erster Stint auf den Mediums und Verstappens unerwartet langsame Pace – gerade im ersten Stint – ließ McLaren träumen. "Wir wollten den Sieg und haben alles darauf ausgerichtet. Lando sollte flüchten, indem er so schnell wie möglich fährt, ohne auf die Reifen zu achten", sagte McLaren-Teamchef Andrea Stella.

Im ersten Stint klappte das gut. Nach dem ersten Boxenstopp hatte Norris dann aber Verstappen im Kreuz. Und er leistete sich unter Druck in Kurve elf einen Fehler, der dem Red Bull das wichtige DRS brachte. "Das war unsere Problemstelle. Unser Auto war dort auf der Bremse auf den vielen Bodenwellen nicht stabil genug. Am Kurvenausgang fehlte uns außerdem Traktion", referiert Stella. Schlecht, wenn darauf eine 1,1 Kilometer lange Gerade folgt.

Im Kampf mit Verstappen überstrapazierte Norris die Reifen. Das zwang ihn früher zum zweiten Service, was Hamilton in die Karten spielte. Der überrollte den McLaren hinten heraus mit frischeren, neuen Mediumreifen. Das war auch eines der McLaren-Probleme: Man hatte sich für das Rennen zwei frische harte Sätze und nur einen neuen Medium reserviert. Die Konkurrenz agierte anders herum. "Der Medium war der bessere Rennreifen. Mit einer zweiten Garnitur wären wir ein schnelleres Rennen gefahren, hätten aber kein besseres Ergebnis erzielt." McLaren war für den Sieg etwas zu langsam und nahm die Reifen zu sehr ran. "Wir hätten eine kühlere Strecke gebraucht", bedauerte Norris.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP USA 2023 - Austin
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Aston Martin steigerte sich dank umgebauten Autos am Rennsonntag erheblich.

Warum war Aston Martin plötzlich schnell?

Die Haas und Aston Martin starteten nach Umbau des Setups aus der Boxengasse. Beide Teams nahmen das Rennen als Testfahrt, um über ihre Ausbaustufen zu lernen. Aston Martin ließ Fernando Alonso sogar im alten Auto (Katar-Spezifikation) fahren. Lance Stroll behielt die neuen Teile.

Modifikationen am Setup und weniger Bodenfreiheit zahlten sich für beide aus. Stroll punktete, was Alonso ebenfalls locker geschafft hätte. Er lag vor seinem Teamkollegen und hatte zeitweise sogar das Tempo der Spitze, musste allerdings in Runde 49 mit Unterboden-Schaden aufgeben. "Ein Riesenteil brach ab", so Teamchef Mike Krack. Schlussbilanz: "Das Rennen zaubert uns wieder ein Lächeln ins Gesicht. Unsere Autos waren schnell. Und wir haben viele Daten zu beiden Autos gesammelt, die wir jetzt übereinander legen können."

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