Haas-Upgrade braucht Zeit
Das erste Urteil zur B-Version

GP USA 2023

Haas legte mit seiner B-Version einen schwierigen Start hin. Erst nach dem Umbau des Setups zeigte sich Licht am Ende des Tunnels. Die Richtung stimmt. Es fehlt aber noch Rundenzeit.

Kevin Magnussen - Nico Hülkenberg - Haas - GP USA 2023 - Austin - Formel 1
Foto: Wilhelm

Haas hatte sich für das Debüt seiner B-Version einen schwierigen Ort ausgesucht. Der Circuit of the Americas verlangt ein komplettes Rennauto. Auf 5,513 Kilometer gibt es Kurven aller Art, mit kurzem und langem Radius, einen rauen Asphalt, der Reifengummi frisst und Bodenwellen, die von der Fahrzeughöhe und dem Federweg den besten Kompromiss verlangen. Asphalttemperaturen jenseits von 40 Grad waren Gift für alle, die Probleme mit der Reifenabnutzung haben.

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Dazu stand das fünfte Sprintwochenende des Jahres an. Die Vorbereitungszeit reduzierte sich auf 60 Minuten oder wie im Fall Haas auf 42 Runden mit zwei Autos. Neben der normalen Setup-Arbeit ging es für die Ingenieure vor allem darum, das neue Auto zu verstehen. Teamchef Guenther Steiner bestätigte: "Es ist das größte Upgrade in unserer Geschichte."

Kevin Magnussen - Haas - GP USA 2023 - Austin - Formel 1
Wilhelm

Licht und Schatten: Das neue Auto ist schneller, aber Haas hatte sich beim Debüt etwas mehr ausgerechnet.

Haas-Konzeptwechsel war alternativlos

Neu ist nicht nur die Optik mit den rampenförmigen Seitenkästen, den vertikalen Kühlauslässen, der neuen Unterbodengeometrie und dem ovalen Kühleinlass. Das Strömungsbild unter und über dem Auto hat sich verändert. "Und damit auch die aerodynamische Balance und die Bodenfreiheit-Charakteristik", erklärt Einsatzleiter Ayao Komatsu. Einfach ausgedrückt: Der Bodenabstand vorne wie hinten und der daraus resultierende Abtrieb folgt jetzt anderen Gesetzen.

Der umgebaute Haas VF-23 war so neu, dass es noch nicht einmal ein mathematisches Modell von ihm gibt, das man in den Fahrsimulator einspeisen könnte. Die Rennstrecke war der erste echte Test. Sie sollte zeigen, wie nah die Windkanaldaten und daraus abgeleiteten Simulationen an der Wirklichkeit liegen. Mit der alten Version des Autos lagen sie meilenweit auseinander, was die Entwicklungsarbeit so erschwert hat.

Für Kevin Magnussen war der Umbau des Autos alternativlos: "Wir mussten einen Reset machen. Mit dem alten Auto kamen wir nicht mehr weiter. Es war zu hart zu den Reifen. Wir haben erkannt, dass uns mehr Abtrieb in der Spitze nicht weiter bringt. Wir brauchen stabileren Abtrieb und weniger Balanceverschiebungen."

Korrektur am Sonntag brachte die Wende

Im Bestreben aus wenig Daten die optimale Abstimmung zu finden und gleichzeitig das neue Aero-Paket zu verstehen, ging die einfachste Aufgabe schief. Die Ingenieure entschieden sich bei der Flügeleinstellung für viel zu wenig Abtrieb. Das kostete Speed in den schnellen Kurven und sorgte im Sprint für starken Reifenverschleiß.

Also wie vorher. "Wir haben immerhin gelernt, wie wir es nicht machen sollen", gab Komatsu zu. "Wir haben im ersten Training beobachtet, dass viele Teams eine Stufe unter dem maximalen Abtrieb lagen. Das hat uns darin bestärkt, dass wir richtig liegen. Viele haben dann aber vor dem Parc Fermé wieder auf mehr Flügel zurückgebaut."

Haas machte den Schritt am Sonntag. Zu dem Preis, dass beide Fahrer aus der Box starten mussten. "Es hat sich gelohnt, weil wir jetzt viel mehr Daten haben", gab Steiner seinen Ingenieuren recht. Nico Hülkenberg sah es auch so: "Es war nicht ideal, ein so großes Upgrade bei einem Sprint zu bringen. Du hast einfach keine Nacht, wo du mal drüber schlafen und die Erfahrungen einsacken lassen kannst. Der Umbau und der Start aus der Box haben sich gelohnt. Wir haben viel dabei gelernt."

Haas - GP USA 2023 - Formel 1 - Technik
ams

Nichts mehr wie früher: Der Unterboden folgt jetzt anderen Gesetzen.

Zwei Sekunden weg von einem WM-Punkt

Nach den Disqualifikationen rückte Hülkenberg sogar in die Nähe von WM-Punkten. Auf Logan Sargeant fehlten nur 1,9 Sekunden. Deshalb fällt sein Fazit auch vorsichtig optimistisch aus: "Trotz des Starts aus der Box waren wir an den Williams dran. Ich habe das erste Mal seit langer Zeit wieder andere Autos überholt und bin nicht immer überholt worden. Wenn wir uns im Mittelfeld hätten qualifizieren können, wären Punkte möglich gewesen."

Der Ratlosigkeit nach dem Sprint folgte wenigstens ein bisschen Erleuchtung. "Das Auto ist in einigen Bereichen besser geworden, hat aber auch ein paar Schwächen des Vorgängers übernommen", urteilt Hülkenberg. Der Anpressdruck scheint ein bisschen stabiler, das Auto insgesamt berechenbarer.

Die Reifenabnutzung ist nicht mehr ganz so kritisch, aber immer noch ein gutes Stück weg von dem, was man sich mit dem neuen Konzept erhofft. "Wenn wir allein auf der Strecke waren, haben die Reifen nicht mehr so stark überhitzt wie früher. Im Verkehr haben wir immer noch ein Problem", erzählen die Ingenieure. Teamchef Steiner glaubt: "Um das Problem vollständig zu lösen, brauchen wir eine andere Hinterradaufhängung. Die gibt es erst nächstes Jahr. Da sind wir von Ferrari abhängig."

Das neue Auto braucht Zeit

Austin war die erste von fünf Lehrstunden. Magnussen treibt seine Techniker an: "Im Rennen lief es besser, weil das Setup besser war. Wir brauchen aber noch mehr." Der Däne fuhr nach dem ersten Boxenstopp mit einem Handikap. Wegen eines Problems mit der Servolenkung stand das Lenkrad schief. Magnussen brauchte einen Stint, um sich daran zu gewöhnen.

Bei Hülkenberg hätte man nach Ansicht von Steiner den zweiten Stint etwas verlängern sollen, statt auf die Boxenstopps der Williams zu reagieren. "Die Reifen hätten einen längeren Stint hergegeben. Aber uns fehlt wegen der schlechten Erfahrungen mit dem alten Auto auch ein bisschen das Selbstvertrauen."

Der Südtiroler ist schon froh, dass die Premiere der B-Version kein Absturz war. "Bei so großen Umbauten besteht immer diese Gefahr. Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Ob es genug war, sehen wir erst in ein paar Rennen." Auch Hülkenberg mahnt zu Geduld: "Es wird Zeit brauchen, bis wir herausgefunden haben, wie wir das Auto einstellen müssen, um das Maximum aus ihm herauszuholen."

Einsatzleiter Komatsu sieht positive Ansätze: "Es gibt Anzeichen, dass wir über den Unterboden mehr Abtrieb holen. Das schafft mehr Potenzial, die Fahrcharakteristik zu verbessern und die Reifen besser zu schonen." Der Kraftakt mit dem neuen Auto soll den Ingenieuren auch die Richtung für 2024 vorgeben. "Jetzt haben wir noch Zeit zu reagieren. Bei den Testfahrten vor der nächsten Saison ist es zu spät", warnt Steiner.

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