Neuer Ärger um Track Limits
Kürzte Perez in Kurve 6 ständig ab?

GP USA 2023

Die Formel 1 wird ihr Track-Limit-Problem nicht los. Neu aufgetauchte Aufnahmen aus dem GP USA lassen den Verdacht aufkommen, dass die FIA die Streckenbegrenzung in Kurve sechs nicht lückenlos überwachte. Sie zeigen, wie Sergio Perez gleich mehrmals rechts der weißen Linie fährt, um die Kurve zu schneiden.

Sergio Perez - Red Bull - GP USA 2023 - Track Limits
Foto: Screenshot F1 TV

Es ist ein leidiges Thema, das die Formel 1 seit Jahren verfolgt. Und das in dieser Saison gefühlt schlimmer geworden ist: Verstöße gegen die Track Limits. Beim GP Österreich dauerte es Stunden, bis das Rennergebnis offiziell war. Weil es im Verlauf des Rennens zu so vielen Überschreitungen der Streckenbegrenzungen gekommen war, dass die Rennleitung nicht mehr mit dem Zählen nachkam. Viele Sünden konnten erst im Nachgang aufgedeckt werden.

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Auch in Katar ärgerten sich die Fans über Track Limits. Insgesamt wurden dort 127 Verletzungen der Streckenbegrenzung gezählt. 22 in der Qualifikation, 31 im Sprint-Shootout, 23 im Sprint und 51 während des Grand Prix. Immerhin werden seither die Täter schneller überführt, was man der Regelbehörde positiv anrechnen muss. Die FIA hatte seit dem Debakel in Österreich aufgerüstet. Sowohl auf technischer als auch personeller Seite.

Im Kontrollzentrum in Genf überprüften doppelt so viele Mitarbeiter wie zuvor die Streckenlimits. Verdachtsfälle wurden an die Rennleitung weitergeleitet und dort genau untersucht. Eine neue Software half bei der Auswertung der Vorfälle in den einzelnen Kurven. Generell läuft seither die Übermittlung der Daten ohne Zeitverzug.

Lando Norris - McLaren - GP USA 2023 - Austin
Motorsport Images

In der vorletzten Kurve verbreiterte die FIA die weiße Linie, um den Fahrern das Leben leichter zu machen.

Perez rechts vom Strich

In den USA gingen die Diskussionen um die Track Limits weiter. Max Verstappen verlor die Pole Position, weil er in der vorletzten Kurve über das Ziel hinausschoss. Es gibt hier nur Schwarz oder Weiß: Wer daneben liegt, hat Pech gehabt, auch wenn es die Fahrer schwer haben. Sie sind tief in ihre Cockpits eingegraben und haben eine nach vorne eingeschränkte Sicht. Im Rennen strich die Rennleitung 35 Rundenzeiten. Es gab gleich acht Tatorte. Die Rennleitung vermerkte in ihrem Streckenlimit-Protokoll die Kurven 1, 6, 9, 11, 12, 13, 19 und 20.

15 Fahrer stehen auf der Liste: Albon (6x), Magnussen (4x), Leclerc (4x), Hamilton (3x), Sargeant (3x), Tsunoda (2x), Alonso (2x), Hülkenberg (2x), Russell (2x), Norris (2x), Ocon (1x), Gasly (1x), Stroll (1x), Sainz (1x) und Perez (1x). Und dass gerade Letzterer nur einmal aufgelistet ist, könnte noch zu einer Kontroverse führen.

Denn offenbar lief die Kontrolle nicht lückenlos ab. Darauf deuten jedenfalls Aufnahmen hin, die nach dem GP USA aufgetaucht sind, und die auto motor und sport vorliegen. Zu sehen ist dort Sergio Perez, der in Kurve 6 gleich mehrmals rechts von der weißen Begrenzungslinie fährt. Teilweise überschreitet der Mexikaner in seinem Red Bull die Track Limits im einstelligen Zentimeter-Bereich. Teilweise positioniert er sein Auto zwischen Randstein und Gras, ist also nach Augenmaß etwa 20 Zentimeter daneben.

Sergio Perez - Red Bull - GP USA 2023 - Austin
Wilhelm

Sergio Perez kam nicht auf die Anklagebank.

Immer wieder Perez in Kurve 6

Kurve 6 bildet den Abschluss des Highspeed-Geschlängels im ersten Sektor, das so sehr an Silverstone und Suzuka erinnert. Es ist eine langgezogene Rechtskehre, in der sich die Fahrer erst heraustragen lassen, um im zweiten Teil die Kerbs zu schneiden – damit sie anschließend den richtigen Winkel für die Kurven 7, 8 und 9 haben. Normalerweise nehmen die Piloten am Kurvenausgang den Randstein zwischen die Achsen. So gesehen bei der Pole-Runde von Charles Leclerc (im Video bei 00:30 min.) Offensichtlich meinte es Perez ein bisschen zu gut, indem er abkürzte. Und zwar wiederholt, denn auf den Onboard-Aufnahmen wird ersichtlich, dass er es sowohl auf den Medium- als auch den harten Reifen macht.

Durch diese Linie dürfte Perez jeweils Zeit gewonnen haben. Und wie man hört, soll der Mexikaner nicht der einzige Fahrer gewesen sein, der hier zumindest eine eigenartige Linie wählte. Die Regel zu den Track Limits ist eindeutig, und auch so in den Event Notes unter Punkt 17) verankert. Die weißen Linien definieren die Streckenränder. Ein Auto darf also auch an dieser Stelle nicht mit allen vier Rädern rechts von der weißen Linie sein. Sonst wird die Runde gestrichen.

Bei zu vielen Verstößen sprechen die Sportkommissare eine Strafe aus. Wieso wurde Perez nicht angeklagt? In der betroffenen Kurve 6 war zwar eine Überwachungskamera aktiv, die zeigte aber nicht genau auf die betroffene Stelle. Das lässt sich aus einem anderen Dokument herauslesen.

Gegen Albon hatten die Sportkommissare nämlich eine Untersuchung geführt – niedergelegt in Dokument 59 des Events. Darin heißt es, dass die Anklage gegen den Williams-Fahrer fallen gelassen wurde. Es habe "vielleicht einige Hinweise für mögliche Übertretungen gegen die Strecken-Limits in Kurve 6 gegeben". Allerdings seien "die Beweise nicht ausreichend, um akkurat und dauerhaft festzustellen, dass tatsächlich ein Regelbruch vorlag". Deshalb sprachen die Stewards Albon in diesem Fall frei.

Sergio Perez - Red Bull- GP USA 2023 - Austin - Formel 1
xpb

Sergio Perez übertrat offensichtlich gleich mehrmals die Streckenlimits, ohne dafür angeklagt zu werden.

CCTV-Kamera in Kurve 6 falsch positioniert

Jetzt kommt der springende Punkt: In dem Dokument steht geschrieben: "Auf der Grundlage des verfügbaren Videomaterials (das keine CCTV-Videoüberwachung beinhaltete) …" Mit CCTV sind die Streckenkameras gemeint. Sie erinnern sich vielleicht. Die waren im ersten Training zum GP Kanada ausgefallen, weshalb die Piloten nicht fahren durften. Wie wir erfahren haben, war die CCTV-Kamera in diesem Fall nicht auf den Scheitelpunkt der Kurve gerichtet. Vielleicht, weil man intern nicht damit gerechnet hatte, dass hier derart abgekürzt werden könnte. Ergo waren die Aufnahmen nicht zu gebrauchen.

Wir hören, dass inzwischen einige Fahrer von der zumindest eigenartigen Rennlinie von Perez in Kurve 6 Wind bekommen haben. Und verwundert gewesen sein sollen, dass hier nicht gehandelt wurde. Um es milde auszudrücken. Der Fall könnte zum Thema bei der nächsten Fahrerbesprechung am Freitag vor dem GP Mexiko werden. Manche sprechen davon, dass es ein sehr hektisches werde …

Die FIA hat uns auf Anfrage mitgeteilt: "Bei der Analyse nach dem Rennen wurde festgestellt, dass mehrere Fahrer die Streckenbegrenzung auf der Innenseite von Kurve 6 überschritten haben könnten. Im Einklang mit den Entscheidungen der Stewards (Dokument 59) in Bezug auf einen angeblichen Regelverstoß auf der Innenseite der Kurve, die festhielten, dass 'die vorliegenden Beweise nicht ausreichen, um genau und konsistent auf Verstöße zu schließen', wird die FIA die Überwachungsinfrastruktur aktualisieren, um eine bessere Abdeckung zu gewährleisten, damit mögliche Verstöße in Zukunft während des Rennens zuverlässig erkannt werden können."

Anders ausgedrückt: Die FIA arbeitet an dem Problem. Und im Zweifel entscheidet man eben für den Angeklagten. Weil Onboard-Aufnahmen die Situation nicht immer zu 100 Prozent auflösen. In Fall Perez aber ist die Sachlage ziemlich eindeutig.

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