Mercedes und Ferrari nicht regelkonform
Wieso wurden Hamilton und Leclerc disqualifiziert?

GP USA 2023

Für Lewis Hamilton und Charles Leclerc hatte der GP USA ein böses Nachspiel. Beide wurden disqualifiziert, weil die Schutzplanke unter ihren Autos zu stark abgenutzt war. Doch warum traf es gerade sie und nicht ihre Teamkollegen oder andere?

Hamilton - Leclerc - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
Foto: Motorsport Images

Das gab es in der Formel 1 zuletzt beim GP Ungarn 2021. Da verlor Sebastian Vettel seinen zweiten Platz, weil bei der Kontrolle nach der Zieldurchfahrt zu wenig Sprit im Tank war. Erst zwei Jahre später gab es die nächste Entscheidung am grünen Tisch. Um 19.16 Uhr und 19.18 Uhr Ortszeit wurden Mercedes und Ferrari informiert, dass die Autos mit den Startnummern 44 und 16 aus der Wertung genommen wurden. Alle Fahrer dahinter rutschten um die entsprechenden Positionen auf.

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Lewis Hamilton verlor damit einen zweiten Platz, Charles Leclerc den sechsten Rang. Beide wurden wegen des gleichen Regelverstoßes disqualifiziert. Die Schutzplanke unter dem Auto war zu stark abgenutzt. Die Kunststoffplatte ist ein Messinstrument, das die Teams bei der Abstimmung ihrer Autos zu einer Mindestbodenfreiheit zwingen soll.

Relevant ist Paragraf 3.5.9 e

Der relevante Passus im Technischen Reglement versteckt sich unter Paragraf 3.5.9 e. Da steht im FIA-Amtsenglisch: "Die senkrecht zur Unterseite gemessene Dicke der Schutzplanke muss zehn Millimeter ± 0,2 Millimeter betragen und im Neuzustand gleichmäßig sein. Aufgrund von Verschleiß wird eine Mindestdicke von neun Millimeter akzeptiert und die Konformität mit dieser Bestimmung wird an den Rändern der vorgesehenen Löcher überprüft."

In den Löchern stecken die sogenannten Skidblocks, die besagte Planke mit dem Unterboden verschrauben. Sie sind aus Titan gefertigt und geben der Referenzebene bei Bodenkontakt einen gewissen Schutz. Weil die Teams mit eintauchbaren Skids und Dämmmaterial zwischen Planke und Boden immer wieder getrickst haben, wurden die Bestimmungen regelmäßig angepasst. Zuletzt beim GP Singapur.

Mercedes - Unterboden - GP Monaco 2023
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Die Befestigungsschrauben am Unterboden sind auf diesem Bild gut zu erkennen.

Sprint und Upgrades: gefährliche Mixtur

Nach diesem Grand Prix haben die FIA-Kommissare vier Autos daraufhin überprüft, ob sich die Planke im erlaubten Rahmen abgenutzt hat oder nicht. Das können mal mehr, mal weniger Autos sein, die in das Visier der Technikkommissare geraten. In Austin wurden die Autos von Lewis Hamilton, Charles Leclerc, Lando Norris und Max Verstappen ausgesucht. Viel mehr geht nicht, weil die Untersuchungen ziemlich zeitaufwändig sind. Eigentlich sollte der Zufallsfaktor die Auswahl treffen, doch die Prüfer des Weltverbandes kennen ihre Pappenheimer und ziehen auch die Autos heran, die im Verdacht stehen, dass sie unter dem Limit liegen könnten.

Das kann sein, weil die Autos gewisser Fahrer oder Teams bei früheren Rennen knapp an der Grenze lagen oder weil Checks nach der Qualifikation oder nach dem Sprint schon vermuten ließen, dass es nach 56 weiteren Runden eng werden könnte. Die FIA sieht anhand von Sensoren auch, welche Autos besonders stark und häufig aufsetzen.

Ein Sprint-Wochenende stellt alle Teams vor besondere Herausforderungen. Nach nur 60 Minuten Training muss eine Entscheidung über das Abtriebsniveau, die Bodenfreiheit und den Federweg getroffen werden. Wer dann noch wie Mercedes, Aston Martin, Haas oder Alpha Tauri größere Upgrades am Start hat, tut sich besonders schwer.

Tortur für die Planke

Aston Martin-Teamchef Mike Krack gab zu: "Wir waren bei den Einstellungen besonders konservativ." Offensichtlich zu vorsichtig, wie die enttäuschenden Ergebnisse in Qualifikation und Sprint zeigten. Deshalb entschied Aston Martin, das Setup zu ändern und freiwillig aus der Boxengasse zu starten. Natürlich mit frischer Planke. Haas machte es genauso.

Für alle anderen begann das große Zittern. Die Planken hatten bereits zwei Qualifikationen und einen Sprint über 19 Runden hinter sich. Und da gilt Vollgas. Die Autos setzen noch mehr als sonst auf Bodenwellen auf, und die Fahrer räubern aggressiv über die Randsteine. Wegen der Parc-fermé-Regeln dürfen die Planken nicht getauscht werden.

Dazu kommt, dass der Circuit of the Americas die meisten Bodenwellen von allen Rennstrecken aufweist. "Das war echt brutal, speziell in den Kurven 9 und 10. Ich dachte, ich kriege eine Gehirnerschütterung, so stark hat es den Kopf hin und her geschlagen", beschrieb Nico Hülkenberg den zweifelhaften Fahrspaß. Auch die Randsteine spielten bei der Abnutzung der Bodenplatte eine Rolle. Wer schnell sein wollte, musste da drüber. Das Rennprotokoll zählte 35 Überschreitungen. Sie waren über fast alle Kurven verteilt.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP USA 2023 - Austin - Rennen
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Ferrari und Mercedes erwischte es. Sie fielen bei der Nachkontrolle mit jeweils einem Auto durch.

Russell und Sainz mit anderem Setup

Verstappens Red Bull und der McLaren von Norris schafften den Test. Hamiltons Mercedes und Leclercs Ferrari fielen durch. An den beiden Befestigungslöchern im Heck betrug die Stärke der Planke weniger als neun Millimeter. Da es eine Schwarzweiß-Entscheidung ist, akzeptierten die Teams das Urteil.

George Russell und Carlos Sainz kamen mit einem blauen Auge davon. Möglicherweise nur, weil sie nicht kontrolliert wurden. Das kann auch das Glück anderer Fahrer von anderen Teams gewesen sein. Russell und Sainz waren jedoch auch mit einem leicht anderen Setup unterwegs als ihre Stallrivalen. Sie hatten an der Hinterachse etwas mehr Bodenfreiheit.

Die Wahl wird aufgrund persönlicher Präferenzen getroffen und nicht aus Angst vor einem Regelbruch. Mercedes und Ferrari haben bei jeweils einem ihrer Autos etwas mehr riskiert. Wenn dann viele unglückliche Umstände zusammenkommen, kann man schon mal auf die Nase fallen.

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