Rennanalyse GP Brasilien 2023
Wie McLaren Verstappen austricksen wollte

GP Brasilien 2023

Red Bull wetzte die Scharte aus dem Vorjahr aus. Max Verstappen siegte in Brasilien, weil Lando Norris seinen Reifenvorteil am Start nicht ausspielte. Die Vorjahressieger stürzten böse ab. Ferrari verlor ein Auto vor dem Start.

Verstappen - Norris - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen
Foto: Motorsport Images

Max Verstappen sackte in São Paulo den fünften Sieg in Serie ein. Der Überflieger der Formel 1 ließ sich auch von einem angriffslustigen Lando Norris nicht beirren. In unserer Analyse gehen wir auf die wichtigen Fragen zum GP Brasilien 2023 ein.

Was machte Red Bull besser als im letzten Jahr?

2022 hatte Red Bull verwachst. Die Ingenieuren verzettelten sich damals mit der Fahrzeugabstimmung. Die Autos untersteuerten zu sehr. Was im Rennen dazu führte, dass sich erst die Vorderreifen aufrieben. Und als die am Ende waren verschlissen die hinteren. Einem Team wie Red Bull passiert derselbe Fehler aber kein zweites Mal, auch wenn der RB19 weiter auf Bodenwellen verbesserungsbedürftig ist und die langsamen Kurven nicht ganz die ideale Spielwiese für ihn sind.

Unsere Highlights

Red Bull machte drei Dinge besser als im Vorjahr: Die Autos bekamen mehr Flügel. Die Ingenieure trafen das mechanische Setup besser. Und man hatte ein paar Tricks zu den Reifen auf Lager, um die Vorder- und Hinterachse stets bei Laune zu halten. Plus: Red Bull hat den Fahrer im Cockpit, der derzeit eine Stufe über allen anderen steht. Max Verstappen siegte in Brasilien zwei Mal – im Sprint und im Hauptrennen.

Am Sonntag entschied er beide Starts mit Leichtigkeit für sich. Und er entpuppte sich mal wieder als der große Reifenflüsterer im Feld. Dabei streichelte er die Pirellis speziell in den schnellen Kurven sechs, sieben und elf. "Max hat sein Rennen an Norris ausgerichtet. Er hatte alles unter Kontrolle und Reserven", schildert Red Bulls Sportchef Helmut Marko, der wie der Kommandostand auch bei der einzigen Attacke nicht zitterte. Die Ingenieure ergänzen: "Wir waren nach der Erfahrung im letzten Jahr zu vorsichtig und haben zu viel Reifenmanagement betrieben." Heißt: Der Vorsprung hätte größer ausfallen können als 8,277 Sekunden.

Norris - Verstappen - GP Brasilien 2023 - Rennen
xpb

In der achten Runde kam Lando Norris dem Weltmeisterauto in der vierten Kurve gefährlich nah.

Wie wollte Lando Norris Verstappen zu Fall bringen?

Im Sprint verlor Lando Norris eine Position. Im Hauptrennen gewann der zweitbeste Pilot des Wochenendes auf den ersten 195 Metern drei Plätze. Charles Leclerc musste man abziehen.

Der Startcrash um Magnussen-Albon spielte McLaren eine Chance zu, sogar noch Verstappen zu attackieren. "Unser Ansatz nach der roten Flagge war: Wir wollen das Rennen gewinnen", erklärt McLaren-Rennleiter Andrea Stella. "Dafür haben wir Landos Auto mit unserem einzigen neuen Soft-Satz ausgerüstet." Das sollte ihm einen Vorteil gegen Verstappen verschaffen. "Wir wollten Max überholen, um keine Wiederholung des Sprints zu erleben. Wir wollten sofort an ihm vorbei und ihn mal in eine andere Situation zwingen." Und zwar in die, in verwirbelter Luft hinterherzufahren. Das stresst die Reifen mehr.

Start - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen
Wilhelm

Mit einem ersten Raketenstart sprang Norris vom sechsten auf den zweiten Platz hinter Verstappen.

Red Bulls Strategen wussten durchaus, dass McLaren so handeln könnte. Man entschied sich selbst gegen frische C4-Reifen, sparte sie lieber für das Finale auf und blieb deshalb auf alten. Verstappen gewann den Start trotzdem locker. Doch sein Verfolger ließ nicht locker, und witterte anfangs der achten Runde die goldene Gelegenheit. Auf dem Zielstrich war er nur 0,364 Sekunden hinter Verstappen.

"Ich habe meine Reifen ausgequetscht, Max nicht. Es musste jetzt passieren. Ich hatte DRS und habe die ganze Energie der Batterie verblasen", erinnert sich der Zweitplatzierte, der Verstappen in Kurve eins auf die Innenspur zwang. "Ich hatte eine gute Linie durch die Kurven eins und zwei. Max konnte sich durch den Grip der noch frischen Reifen retten. Wären wir später in diese Situation gekommen, hätte ich bessere Karten gehabt."

Mit DRS kam der McLaren vor der vierten Kurve außen nur auf halbe Höhe mit dem Red Bull. Norris bedauert: "Die Gerade hätte ein paar Meter länger sein müssen." So wiederholte sich das Spiel aus dem Sprint. Verstappen hatte die volle Kontrolle. Der offensichtliche Unterschied zwischen den Autos? "Die Rundenzeiten auf gebrauchten Reifen. Der Red Bull ist darauf eine Macht, und wir verlieren mit dem wachsenden Reifenalter", sagt Stella.

Sergio Perez - Red Bull - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen
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Perez hatte im Duell mit Alonso nur für eine Runde die Nase vorn.

Welche Tricks setzte Alonso gegen Perez ein?

In den sechs Rennen vor Brasilien hatte Aston Martin 21 Punkte gesammelt. In São Paulo waren es auf einen Schlag 25 Zähler. Es war das Ergebnis einer besseren Vorbereitung in der heimischen Fabrik und dem Verzicht auf Experimente. Die hatte Aston Martin gerade in Austin und Mexiko durchgeführt, um die sensible Groundeffect-Aerodynamik und das Zusammenspiel der einzelnen Fahrzeugbausteine besser zu begreifen. Um eine vielversprechendere Entwicklungsrichtung für 2024 zu finden.

Mit ihren Experimenten und wegen technischer Gebrechen verzettelten sich die Ingenieure für die eigentliche Aufgabe. In Brasilien konzentrierten sie sich voll darauf, das Rennwochenende zu optimieren, und setzten den AMR23 dafür aus den vielversprechendsten Teilen zusammen: ein Mix aus alt und neu. Es zahlte sich aus. Fernando Alonso kletterte das achte Mal auf das Podest – auch dank der schwächelnden Ferrari und Mercedes.

Alonso legte den Grundstein am zweiten Start, als er Lewis Hamilton in Kurve vier überhole. Nach der Serie der ersten Boxenstopps hatte er den Gegner für das restliche Rennen hinter sich: Sergio Perez. Der Mexikaner verkürzte innerhalb von neun Runden von 4,2 auf 1,2 Sekunden. Alonso hatte sich die Mediumreifen gut eingeteilt und baute bis zum zweiten Stopp ein Polster auf, das reichte, um einen Undercut zu parieren.

Von Runde 48 bis ins Ziel tobte ein Wahnsinns-Duell zwischen dem Matador und seinem Verfolger. Alonso packte mit der Erfahrung von jetzt 376 Grand Prix alle Tricks aus. Er hielt die Softreifen in Schuss, hatte aber auch den Vorteil einer frischen Garnitur gegenüber Perez, der nur noch gebrauchte C4 im Angebot hatte. Alonso fuhr mit den Augen im Rückspiegel. "Sergio hat hinter mir in den Kurven zehn, elf und zwölf gelitten", beobachtete der 42-Jährige. Die waren die drei Schlüsselstellen, damit der Red Bull anfangs der 1,2 Kilometer langen Zielgerade nicht nah genug dran war. Dort nutzte Alonso den Großteil der Batterie.

Im kurvenreichen Infield variierte er mit den Linien, um seinen Gegner zu verwirren und damit sein Aston Martin möglichst viel schlechte Luft auf den Frontflügel des Red Bull abstrahlt. "Sie haben Perez dann angewiesen, die Linien von Fernando zu kopieren", erklärt Aston-Martin-Teamchef Mike Krack. Und prompt kam Perez in eine Angriffsposition. Er schnappte sich Alonso innen in Kurve eins. Der ließ sich nicht abschütteln und konterte die Runde drauf. Weil Perez vor dem Senna-S zu spät den Anker warf. Das brachte Alonso in die passende Lage. Er täuschte innen an, schlüpfte vor Kurve vier aber außen durch.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Rennen
Wilhelm

Mercedes verhaute das Setup. Beide Autos fanden auf keinem Reifen ausreichend Haftung.

Warum war Mercedes völlig von der Rolle?

In Brasilien 2022 verbuchte Mercedes den einzigen Erfolg in den letzten beiden Jahren. Die Silberpfeile flogen zu Sprint- und Doppelsieg im Grand Prix. Entsprechend hoffe Team Silber auf ein starkes Wochenende. Zumal George Russell vor dem Wochenende festhielt: "Unsere Aerodynamik ist zwar völlig anders. Die Mechanik des Autos aber fast identisch. Auf den Strecken, auf denen wir 2022 gut waren, waren wir es auch in diesem Jahr."

Nicht aber auf der Rennstrecke von Interlagos. Ein Jahr später passte nichts mehr zusammen: falsche Balance und kein Grip, trotz großem Heckflügel. Mercedes verhaute das Setup und war für seine Verhältnisse stocklangsam, obwohl der Reifenabbau das Tempo diktierte. Unter diesen Bedingungen erstarkt Mercedes für gewöhnlich. Diesmal nicht. Lewis Hamilton brachte es auf den Punkt: "Wir waren auf den Geraden langsam und rutschten dennoch in den Kurven."

Sein Chef sprach von der schlechtesten Leistung in den letzten 13 Jahren – und von einem rätselhaften Leistungsabfall. Nach der Disqualifikation von Austin hatten die Ingenieure den W14 mehr Bodenfreiheit auferlegt, um nicht wieder bei einem Sprint-Event auf die Nase zu fallen. "Wir waren viel zu hoch." Das kostete Abtrieb.

Wolff: "Das war aber nicht der Hauptgrund. Vielleicht stellen wir bei der Analyse nächste Woche fest, dass wir bei der Mechanik etwas fundamental falsch gemacht haben." Hamilton rettete als Achter in einem unberechenbaren Auto vier Punkte. Der Teamkollege schied mit zu hoher Öltemperatur der Power Unit aus.

Übrigens: Mercedes kokettierte damit, wenigstens ein Auto unter Parc fermé umzubauen und aus der Boxengasse zu starten. Dann hätte man die Bodenfreiheit verringern und eine neue Schutzplanke darunter packen dürfen. "Wir wussten aber nicht, was wir grundsätzlich am Auto ändern mussten, um es besser zu machen. Wir haben uns auch dagegen entschieden, um möglichst viele Punkte zu holen", sagt der Teamchef.

Fahrer oder Technik: Was stürzte Leclerc ins Unglück?

Charles Leclerc segelte in der Aufwärmrunde in Kurve sechs in den Reifenstapel. Der Ferrari-Fahrer trug keine Schuld. Die Technik hatte ihn überrascht, und im Stich gelassen. Teamchef Frédéric Vasseur schildert: "Es war ein System-Problem mit der dazugehörigen Elektronik. Sie hat den Motor und die Hydraulik-Unterstützung deaktiviert. Charles hatte keine Servolenkung mehr und das Getriebe stieg aus."

Die Kraftübertragung blockierte die Hinterräder. Leclerc war in seinem Auto nur noch Passagier. Er versuchte später noch, zu seiner Mannschaft zurückzuschleichen. Der Blackout wiederholte sich allerdings.

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