Alpha Tauri auf Williams-Jagd
Der Ricciardo-Faktor greift

GP Brasilien 2023

Alpha Tauri hat in Brasilien fünf Punkte auf Williams gutgemacht. Der siebte WM-Platz ist plötzlich in Reichweite. Zwei Faktoren sind für den Alpha-Tauri-Aufstieg verantwortlich.

Daniel Ricciardo - Alpha Tauri - GP Brasilien 2023
Foto: Wilhelm

Bis zum GP Singapur dümpelte Alpha Tauri mehr oder weniger vor sich her. Der AT04 war bei vielen Rennen das langsamste Auto im Feld: zu wenig Abtrieb, zu wenig Topspeed, eine ineffiziente Aerodynamik und dazu schlechtes Reifenmanagement. Die Ingenieure bauten ihr Auto so oft um wie kein anderes Team im Feld. Was fehlte, war der durchschlagende Erfolg.

Alpha Tauri punktete in 14 Rennen nur drei Mal. Doch mit dem letzten großen Umbau in Singapur zündete der AT04 endlich. Beim Triple Header in Austin, Mexiko-Stadt und São Paulo machte Red Bulls Team endlich Reibach: Yuki Tsunoda und Daniel Ricciardo schaufelten dort 16 Punkte auf das Team-Konto. Davor waren es an 17-Grand-Prix-Wochenenden nur fünf gewesen.

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Yuki Tsunoda - Daniel Ricciardo - Alpha Tauri - GP Brasilien 2023 - Sao Paulo - Formel 1
Red Bull

Die Alpha-Tauri-Piloten haben Vertrauen in ihr Auto und können attackieren.

Ricciardo im Pech

In Brasilien hätten es sogar mehr sein können als die fünf Zähler, die Tsunoda in Sprint (6.) und Hauptrennen (9.) einsammelte. Der Teamkollege schrammte im Sprint um 0,197 Sekunden an einem Punkt vorbei. Eine Runde mehr, und Ricciardo wäre vermutlich an Carlos Sainz im Ferrari vorbei und an der achten Stelle gelandet. Im Grand Prix traf den zweiten Alpha Tauri mit der Startnummer 3 am Start ein herumfliegender Reifen am Heckflügel.

Die Mechaniker reparierten ihn in der 25-minütigen Unterbrechung. Das Problem: Den Neustart erlebte Ricciardo in der Boxenstraße mit einem Rückstand von einer Runde. Da brauchte es für Punkte schon ein Wunder – und das trat nicht ein. Dabei hatte der Mann aus Perth eigentlich den Speed dazu. Am Ende seines ersten Stints verlor er im Schnitt nur drei bis vier Zehntelsekunden pro Runde auf Max Verstappen. Was von einem geringen Reifenabbau zeugt.

Auch im Mittelteil auf Mediums und hinten heraus wieder auf der weichen Mischung war Ricciardo schnell. Flotter als die Mercedes, die Alpine und Carlos Sainz im Ferrari. "Wir waren schnell, deshalb besteht Frust", erklärte der achtmalige Grand-Prix-Sieger nach Rennende. "Ich hätte heute das Team-Konto aufstocken können, wäre ich beim Neustart nicht eine Runde zurückgelegen." Das Positive: "Wir haben über das Wochenende zugelegt – und das auf einer Strecke, die mir nie richtig lag."

Alpha Tauri merzt Schwachpunkte aus

Alpha Tauri hat sich gemausert – von der grauen Maus zu einem ernsthaften Kandidaten auf die Top 10. "Das Singapur-Upgrade war der Startschuss. Seither haben wir weitere Teile gebracht, um das Paket zu optimieren", schildert CEO Peter Bayer. Mit Erfolg. Hat da vielleicht sogar schon der große Bruder, Red Bull, die Finger im Spiel? Spätestens in der nächsten Saison jedenfalls will man alle vom Reglement erlaubten Synergien ausnutzen.

Mit der Rückkehr von Ricciardo nach Handbruch ging es ab Austin noch weiter bergauf. Der 34-Jährige brachte seine Erfahrung ein – aus jetzt inzwischen 237 GP-Starts und seiner Zeit bei Red Bull als Test- und Simulatorfahrer vor der Beförderung in das Stammcockpit des B-Teams anstelle von Nyck de Vries. "Wir haben große Fortschritte bei der Abstimmung des Autos gemacht", berichtet Bayer. "Daniel hat sich da extrem eingebracht und den Ingenieuren geholfen." Seither gilt: "Die Fahrer äußern sich bei den Besprechungen sehr zufrieden über das Auto."

Der flügellahme AT04 ist nun ein ordentliches Rennauto: ausgeglichener in den Kurven, besser im Reifenmanagement und schneller geradeaus. Die Effizienz des Pakets wurde erheblich gesteigert. "Die Reifen haben wir gut im Griff. Auf den Geraden sind wir nicht mehr die langsamsten. Beim Topspeed befinden wir uns inzwischen im Mittelfeld", sagt ein zufriedener CEO.

Sargeant - Ricciardo - GP Brasilien 2023
Wilhelm

Williams hat noch einen Vorsprung von fünf Punkten auf Alpha Tauri.

Sieben Punkte hinter Williams

Noch allerdings läuft nicht alles rund. In der Qualifikation flogen beide Alpha Tauri im Q1 raus. Weil die Piloten nicht fehlerfrei durchkamen. In einem Feld, das sich innerhalb weniger Zehntelsekunden bewegt, ist das tödlich. "Daniel hat sich in Kurve eins verbremst und war danach aus dem Rhythmus", erinnert sich Bayer. Die Reifen waren ausgangs des Senna-S zu heiß. Das bezahlte der Australier auf der restlichen Runde. Tsunoda ärgerte sich über den vor ihm fahrenden Lewis Hamilton. "Das hat ihn aus dem Konzept gebracht."

Nur einen Tag später zeigten sich die Alpha Tauri wie verwandelt, obwohl man unter Parc fermé kaum etwas anpassen darf. Der Reifendruck darf verändert werden. Über den Frontflügel kann die Aerodynamik-Balance justiert werden. Dazu können die Piloten mit Differential, Motorbremse und Bremskraftverteilung herumspielen. Bei einem Wetterumschwung sind auch Änderungen am Kühlpaket sowie Anpassungen der Felgenheizung gestattet.

Viel wichtiger: Das frühe Aus am Freitag brachte Alpha Tauri einen gewichtigen Vorteil: Die Piloten hatten für das restliche Wochenende viele neue Reifensätze zu verfeuern. Damit konnten Tsunoda und Ricciardo attackieren. Und Angriff ist ja bekanntlich die beste Verteidigung.

Noch sind es sieben Punkte zu Williams. Noch bleiben zwei Rennen, um Siebter in der Weltmeisterschaft zu werden. Alpha Tauri hat das Momentum auf seiner Seite. "Durch die guten Ergebnisse ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen", erkennt Bayer. "Alle sehen, dass es aufwärts geht. Dass die Upgrades anschlagen. Die Fahrer werden selbstbewusster. Sie attackieren. Dieses Risiko zahlt sich oft aus. Und wenn es klappt, steckt das alle in der Fabrik an."

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