Schmidts F1-Blog zum Miami-GP
Redet nicht immer Krisen herbei!

GP Miami 2023

Nach dem ereignisarmen Rennen in Baku, wurde die Formel 1 schon totgeredet. In Miami ist sie mit einem unterhaltsamen Spektakel wieder auferstanden. F1-Experte Michael Schmidt fordert von allen Beteiligten etwas mehr Gelassenheit.

Max Verstappen - GP Miami 2023
Foto: xpb

Die Formel 1 hat ein Talent dafür, sich in die Krise zu reden. Nach dem Grand Prix in Baku war alles schlecht. Die Überlegenheit der Red Bull schlug aufs Gemüt. Dazu nur 18 Überholmanöver. Nicht einmal das Safety-Car brachte Unordnung in das Rennen. Und schon wurde der Sport wieder infrage gestellt. Red Bull zu überlegen, die DRS-Zonen zu kurz, die Groundeffect-Autos ein Irrweg. Selbst die Fahrer spielten eifrig mit, die Krisenstimmung anzuheizen. Besonders die Frustrierten.

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Eine auf Kurzmitteilungen getrimmte Medienlandschaft goss mit unreflektierter Kritik zusätzlich Öl ins Feuer. So, als ob das in der Geschichte des Motorsports nie passiert wäre. Seit Ende der 80er-Jahre erleben wir fast regelmäßig, dass ein Team überlegen ist. Erst McLaren, dann Williams, Ferrari, Red Bull, Mercedes und jetzt wieder Red Bull. Seit die Aerodynamik eine so dominante Rolle einnimmt, ist das Überholen schwer geworden. Das ist ein Naturgesetz.

Nach der Prozession in Baku hatten plötzlich die Groundeffect-Autos Schuld daran, dass ein Auto vorneweg fährt, dass Überholen wieder Schwerstarbeit geworden ist und fast jeder Grand Prix ein Einstopp-Rennen geworden ist. Habe ich da etwas verpasst? War das mit der alten Fahrzeuggeneration nicht genau so, oder sogar noch schlimmer? Mercedes hat acht Jahre lang alle Pokale abgeräumt. Und es ging teilweise gar nichts mehr mit dem Überholen.

Max Verstappen - Formel 1 - GP Miami 2023
xpb
Die aktuellen Autos produzieren weniger Dirty Air als die letzte Generation vor 2022.

Neue Autos sind Verbesserung

Die Einführung der Groundeffect-Autos 2022 war ein spürbarer Fortschritt. Weil Autos, die den Großteil des Abtriebs über den Unterboden erzielen, nun mal weniger sensibel auf verwirbelte Luft reagieren. Das gaben sogar alle Fahrer zu. Jetzt monieren dieselben Fahrer, dass sie wieder stärker die Turbulenzen des Vordermanns spüren. Was haben sie erwartet?

Mit der aerodynamischen Entwicklung gewinnen die Autos Abtrieb, und das bedeutet automatisch, dass mehr schlechte Luft produziert wird. Man sollte vorsichtig mit allzu schnellen Pauschalurteilen sein. Der Schuss geht meistens nach hinten los. Miami hat mit 54 Überholmanövern den Kritikern schnell wieder den Mund gestopft.

Das Grundproblem im Motorsport ist, dass beim Start in der Regel die Schnellen vorne stehen. Warum sollen die Langsamen plötzlich Land gewinnen? Miami hat nur sieben Tage nach Baku gezeigt, an wie vielen Parametern es hängt, ob es im Rennen Action gibt oder nicht. Kaum stehen mit Max Verstappen, Lewis Hamilton und Charles Leclerc drei Piloten weiter hinten in der Startaufstellung als üblich, kommt schon Bewegung ins Feld.

Carlos Sainz - Formel 1 - GP Miami 2023
Wilhelm
In Miami sorgten die unterschiedlichen Strategie-Optionen für Spannung.

Spannung durch Strategie-Vielfalt

Kaum gibt es zwei konkurrierende Strategien, die sich nur durch den Startreifen unterscheiden, ist Spannung da. In Miami haben alle 20 Fahrer nur ein Mal gestoppt. Trotzdem war das Rennen unterhaltsam und auch besser als ein Dreistopp-Rennen, das nur Verwirrung stiftet, aber nicht wirklich spannend ist.

Man muss auch mal ein oder zwei langweilige Grand Prix aushalten können. Es ist falsch, nach jedem Aufschrei in den eigenen Reihen oder vom Publikum die Regeln ändern und mit organisiertem Chaos Einfluss auf das Renngeschehen nehmen zu wollen. Manchmal ist mehr Freiheit besser als mehr Restriktionen.

Baku lieferte das Beispiel dafür. Je weniger Trainingszeit, desto mehr profitieren die großen Teams. Weil sie bessere Simulationswerkzeuge haben. Kein einziges von den vier Top-Teams ist gestrauchelt. Statt bestimmte Mischungen für Qualifikation und Rennen vorzuschreiben, sollte die Reifenwahl ganz frei sein. Und zwar aus dem kompletten Angebot. Gebt jedem zehn Reifensätze nach eigener Wahl und lasst die Teams selbst entscheiden, welche Mischung sie wann einsetzen. Das schafft Unterschiede und die Gelegenheit, Fehler zu machen.

Lewis Hamilton - Formel 1 - GP Miami 2023
xpb
Quali- und Rennpace von Mercedes und Ferrari sind gegensätzlich. Das sorgt für Action.

Spannung nach Qualifikation

Red Bull hat sich nicht umsonst am meisten für das neue Sprintformat eingesetzt. Weil es Trainingszeit begrenzt und durch vorgeschriebene Reifen das Risiko minimiert. Wenn das beste Team etwas fordert, sollte es für die FIA das Warnsignal sein, gerade das nicht zu tun. Bei Kampagnen dieser Art wird immer auf den eigenen Vorteil geschaut.

Prinzipiell lässt sich immer nur wieder sagen, dass die Anforderungen für die Qualifikation und das Rennen so weit wie möglich auseinanderliegen sollten, wenn man am Sonntag gute Unterhaltung haben will.

Red Bulls Verfolger machen gerade vor, was ich damit meine. Ferrari kann eine schnelle Runde, aber nicht die Distanz. Mercedes ist derzeit im Rennen besser als auf eine Runde. Beide sind nicht in der Lage ein Auto an den Start zu bringen, das beide Disziplinen gleich gut kann. Mit der Konsequenz, dass man vorher nicht weiß, wer von beiden den Part am Sonntag gewinnt. Darauf sollte man hinarbeiten.

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