DRS-Schocker von Red Bull
Was ist das Geheimnis?

GP Aserbaidschan 2023

Red Bull fährt in einer eigenen Klasse. In Baku fuhr die Konkurrenz mehr als 20 Sekunden hinterher. Auch auf der Gerade ist Red Bull unschlagbar. Alle rätseln über den DRS-Effekt des RB19.

v
Foto: xpb

Auf eine Runde ist Red Bull schlagbar. Ferrari hat es in Baku zwei Mal geschafft. Doch sobald an der Startampel die Lichter ausgehen, fährt Red Bull in einer Welt für sich. Nach 51 Runden war der schnellste Ferrari um 21, der schnellste Aston Martin um 22 und der schnellste Mercedes um 46 Sekunden abgehängt. Das Mittelfeld kam mit 80 Sekunden Rückstand ins Ziel.

Max Verstappen und Sergio Perez können damit leben, dass ihnen ein Ferrari zu Beginn des Rennens vor der Nase herumtanzt. Spätestens wenn DRS aktiviert werden darf, haben die Gegner keine Chance. Charles Leclerc war im Sprint nach acht Runden fällig und im Rennen nach drei. Dann flogen die Red Bull im Doppelpack an ihm vorbei.

Unsere Highlights

Überholen in Baku war Schwerstarbeit

Die Konkurrenz beginnt, sich immer mehr Sorgen zu machen. Weil Red Bull mit seinem DRS-Effekt in einer anderen Liga spielt. In Baku war Überholen auch mit offenem Flügel Schwerstarbeit. Viele sind ein ganzes Rennen lang hinter ihrem Gegner hergefahren, obwohl sie deutlich schneller waren. Lewis Hamilton hinter Carlos Sainz, George Russell hinter Lance Stroll, Nico Hülkenberg hinter Esteban Ocon.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Aserbaidschan - 30. April 2023
Motorsport Images
Es gab nicht viele Überholmanöver in Baku.

Wenn es dann doch zu einem Überholmanöver kam, musste der Vordermann schon einen gravierenden Fehler gemacht haben. So wie Stroll in Kurve 16, was Hamilton die Chance gab am Ende der Zielgerade vorbeizugehen. Und es war immer noch ein Kraftakt. Nach dem Aktivierungspunkt in Kurve 20 brauchte Hamilton bis zum Zielstrich um auf gleiche Höhe zu kommen.

Perez spielt mit DRS

Ganz anders die Red Bull-Piloten. Sie inhalierten Leclercs Ferrari als wäre der ein Formel 2-Fahrzeug. Perez und Verstappen konnten noch vor dem Bremspunkt wieder auf die Ideallinie einschwenken. Auch im internen Zweikampf wäre der vorne liegende Red Bull verwundbar. Perez gab nach dem Rennen zu: "Ich musste Max unter allen Umständen aus dem DRS-Bereich halten. Sonst wäre ich fällig gewesen."

Im Sprint hielt der Mexikaner Leclerc lange in seiner DRS-Zone, um dem Ferrari-Fahrer Schutz vor Verstappen zu geben. Der Teamkollege war der Gegner, nicht Leclerc. Der Ferrari war selbst mit geöffnetem Heckflügel keine Gefahr für Perez. Weil der Red Bull generell das schnellste Auto auf den Geraden ist. Da kann höchstens Williams mithalten. Und der DRS-Vorteil bei Ferrari viel zu gering ist.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Aserbaidschan - 29. April 2023
Motorsport Images
Ferrari hat in Sachen DRS das Nachsehen.

Abrupter Speedgewinn bei Red Bull

Der gute Grundspeed ist noch erklärbar. Der RB19 ist aerodynamisch das effizienteste Auto im Feld. Die Rivalen treiben zwei andere Fragen um. Warum gewinnt der Red Bull bei aktiviertem DRS so viel mehr Speed als alle anderen Autos? Und warum baut sich der Speedvorteil nach dem Öffnen des Flaps abrupt auf, während die Autos der Konkurrenz kontinuierlich schneller werden?

In Baku war das Geschwindigkeitsdelta mit und ohne DRS gut an den Messstellen herauszulesen. Die Speedmessung T1 lag knapp vor dem Aktivierungspunkt. Also Heckflügel zu. Der Zielstrich lag 500 Meter hinter dem DRS-Start. Mit Heckflügel auf. Red Bull gewann im Schnitt 22 km/h, Aston Martin 15, Mercedes 13 und Ferrari 8.

Entscheidender aber ist das Geschwindigkeitsprofil, sobald der Fahrer den DRS-Knopf drückt. Bei Red Bull zeigt die Speed-Kurve steil nach oben. Bei allen anderen baut sich die Geschwindigkeit eher gemächlich auf. Das erklärt, warum die Red Bull sich sofort nach dem Aktivieren des DRS an die Autos vor ihnen ansaugen.

Spielt Red Bull mit gezieltem Strömungsabriss?

Was Red Bull genau macht, weiß keiner. "Wir müssen es herausfinden, denn es handelt sich hier um einen klaren Wettbewerbsvorteil", fordert Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur. Eine Theorie ist, dass sich am RB19 bei geöffnetem Flap die Strömungsstrukturen im Heck so ändern, dass gleichzeitig ein Strömungsabriss am Diffusor und am Beam Wing unter dem Heckflügel erzeugt werden. Das würde den Luftwiderstand weiter verringern.

Max Verstappen - Red Bull - GP Aserbaidschan 2023 - Baku
Motorsport Images
Welchen Trick hat Red Bull gefunden?

Dann gibt es da noch den Verdacht, dass sich das Auto bei Topspeed absenkt, der Boden Kontakt zur Straße hat und damit ein Strömungsabriss herbeigeführt wird. Es fällt auf, dass sich die Red Bull-Mechaniker in der Startaufstellung wie zu Zeiten größter Geheimhaltung wieder wie eine Wand im Heck des Autos aufbauen um neugierige Blicke und Fotografen abzuwehren.

Wer glaubt, Red Bull hätte da einen Trick an der Grenze der Legalität ausgepackt, der irrt. Verstappens Auto wurde nach seinem Sieg in Melbourne speziell mit Blickrichtung Fahrwerk (Dämpfer, Federn, Sensoren zur Messung des Federwegs) auf Herz und Nieren geprüft. Urteil der FIA: Alles regelkonform.

Live
GP Imola