Audi A6 50 TDI Quattro (2018) im Test
Wie sauber ist der Diesel?

Die Frage nach der Abgasreinigung überschattet den Test des Audi A6. Deshalb schnallen wir der neuen Business-Limousine zusätzlich den Messrucksack um und schauen, was am Ende herauskommt. Gleichzeitig checken wir, was der Modellwechsel zur neuen Generation C8 brachte. Lesen Sie hier den Test.

Audi A6 50 TDI Quattro Extrerieur
Foto: Achim Hartmann

Kontrolle ist besser, denn bei den Emissionen liegt die Vertrauensschwelle derzeit besonders hoch. Also überprüfen wir das, was der Hersteller behauptet – in diesem Fall beim neuen Audi A6 und seinem Dreiliter-TDI. Jenem berüchtigten Dieselaggregat, das nicht nur sauber, sondern rein sein wollte und das doch so viel Schmutz aufgewirbelt hat.

Wir lassen also unsere Partner von Emissions Analytics nachmessen, ob der V6 tatsächlich alle Vorgaben von Euro 6d-Temp einhält. Um das Ergebnis hier kurz zusammenzufassen: Während der Überprüfung ergaben sich keine Anhaltspunkte für Tricksereien seitens des Herstellers.

Natürlich belassen wir es nicht beim Überprüfen der Abgase, denn auch oder erst recht beim Spritkonsum gilt: Kontrolle ist besser. Weil wir traditionell die Herstellerangaben infrage stellen, schicken wir jeden Testwagen auf unsere eigenen Verbrauchsrunden, drei an der Zahl. Wobei zwei davon je zweimal absolviert werden – zur Überprüfung der Plausibilität. Am Ende errechnet Kollege Otto Rupp den Durchschnittswert: Für den A6 50 TDI ergeben sich 7,8 Liter Diesel auf 100 Kilometer.

Vibration im Gaspedal

Der Vorgänger kam noch auf 8,6 l/100 km. Beim Spritsparen hilft dem Neuen nicht nur die weite Spreizung der Achtgang-Wandlerautomatik. Zusätzlich ist ein virtueller Sprit-Controller an Bord, der vorausschauend die Strecke scannt. Erkennt er ein Tempolimit voraus, animiert das Gaspedal per Vibration dazu, den Fuß herunterzunehmen – und den A6 ausrollen zu lassen. Das funktioniert erstaunlich punktgenau.

Auch ein E-Motor gehört zur Effizienzstrategie. Er startet nicht nur den V6 und ist hierfür per Riementrieb mit der Kurbelwelle verbunden; er kann auch Drehmoment aufnehmen – um es anschließend in einer 48-Volt-Batterie zu speichern. Audi spricht hier etwas euphemistisch von Elektrifizierung, doch rein elektrisch bewegt sich der A6 nicht vorwärts. Immerhin legt sich das Triebwerk zwischen 55 und 160 km/h auf abschüssigem Gelände kurz schlafen, sobald der A6 zum Halten des Tempos keine Leistung benötigt.

Das Turboloch überbrückt das elektrische System allerdings nicht. So löst der V6 sein 620-Nm-Versprechen erst nach einer deutlichen Anfahrschwäche ein, die bis etwa 2000/min anhält. Danach geht es gleichmäßig vehement vorwärts, untermalt von Knurren. Dieses sticht heraus, weil alle anderen Fahrgeräusche dezent im Hintergrund bleiben. Die Akustikverglasung (insgesamt 1.090 Euro) verwehrt Lärm und Getöse weitgehend den Zutritt und sorgt für angenehme Ruhe an Bord. Eine Art von Ruhe, die man mit einem schweren Wagen verbindet.

Schwerer Wagen? Ja, unsere Waage zeigt beim vollgetankten und reichlich ausgestatteten, aber unbesetzten Testwagen 2.034 Kilogramm an. Ja, auch das Gewicht messen wir nach. Nur stimmen das tatsächliche und das gefühlte Gewicht nicht immer überein – bei Audis Oberklasse-Modell schon.

Komfort? Haken dran

Am satten Fahrgefühl hat das Luftfahrwerk (2.000 Euro) entscheidenden Anteil, weil es Bodenwellen in den Hintergrund der Sinneseindrücke rückt. Vordergründig bleiben Kanten und Absätze übrig – man hört sie stärker, als man sie spürt, denn der Individualkontursitz (2.500 Euro) kappt den Störkräften die Spitze.

Komfort? Haken dran – zumindest mit den bisher aufgezählten Extras für 5.590 Euro. Noch angenehmer wird der Aufenthalt auf der Fernstrecke übrigens mit der Sitzbelüftung samt Massagefunktion für 1.550 Euro sowie Volllederausstattung (970 Euro), die einen angenehm reizvollen Duft verströmt.

Und das Fahrverhalten? Angesichts der neuen Hinterachslenkung könnte man nun vermuten, dass sich der A6 auf der Landstraße wie ein deutlich kleineres Fahrzeug anfühle, denn das ist seit geraumer Zeit das allfällig herausgejubelte Resümee bei neuen Modellen. Eine Aussage, die sich mit zunehmender Wiederholung neutralisiert und schon deshalb auf dem Plattitüden-Index steht. Davon abgesehen wäre so eine Beurteilung beim A6 schlicht unzutreffend: Er fühlt sich nämlich wie ein großer Wagen an – allerdings einer, der überraschend zackig abbiegt.

Daran sind Optionen im Wert von 5.600 Euro beteiligt: die erwähnte Hinterachslenkung (1.900 Euro), das sogenannte Sportdifferenzial (1.500 Euro) und nicht zuletzt die 20-Zoll-Räder (2.200 Euro). Dieses Handling-Triumvirat macht den Quattro (Serie bei allen V6-Modellen) deutlich heckbetonter als seinen Vorgänger, der ja gerne mit dem Kopf durch die Wand wollte.

Hilfreiches Sicherheits-Untersteuern haben sie auch dem neuen A6 gelassen. Es zeigt sich spät und dezent. Wer dagegen vorausschauend einlenkt, lupft vor dem Scheitelpunkt kurz – dann dreht das Heck weich ein. Oder man fährt langsamer in die Kurve, schiebt nach dem Scheitelpunkt einen Batzen Drehmoment nach und lässt das Sperrdifferenzial für sich arbeiten.

In der Folge drückt die Hinterhand leicht, was die Lenkung unverzüglich meldet. An Gesprächigkeit hat sie zum Vorgänger gewonnen. Obwohl sie immer noch sehr leichtgängig ist, versucht sie die Größe des A6 nicht herunterzuspielen – die Business- Limousine steht zu ihren Dimensionen, vermittelt eine gravitätische Erhabenheit.

Schließlich begehrt man in dieser Klasse kaum das Fahrgefühl eines Kompaktwagens. Vielmehr soll einen Wagen à la A6 eine repräsentative Aura umgeben. Mercedes gelingt das seit jeher mit der E-Klasse. Selbst BMW stattet den Fünfer mit bis ins Lenkrad hinein spürbarer Würde aus. Nun zieht Audi nach.

Bei der Digitalisierung pocht der Puls der Zeit dagegen längst laut aus den Ingolstädter Werkshallen. Augenfällig wird das im Innenraum, wo drei Bildschirme die Blicke auf sich ziehen. Sie sind spalt- und spielfrei ins angenehm reduzierte Armaturenbrett eingepasst, fügen sich ins edle Ambiente ein, ohne ein Flair von Baumarkt-Elektronik zu verbreiten – da fährt nichts surrend aus irgendwelchen Versenkungen heraus.

Audi A6 50 TDI Quattro Interieur
Achim Hartmann
Locker aus dem Handgelenk: Wer ein Ziel eingeben möchte, kann es per Finger auf den Touchscreen kritzeln – mit der Hand auf dem Getriebewählhebel abgestützt.

Ein Bildschirm übernimmt die Darstellung der Instrumente, der zweite ist fürs Infotainment zuständig, der dritte für die Bedienung der Klimaanlage. Aber nicht nur das: Wer etwa ein Ziel eingeben möchte, kann es per Finger auf den Touchscreen kritzeln – mit der Hand auf dem Getriebewählhebel abgestützt.

Oder man diktiert es per Spracheingabe. Letztere versteht auch den Sinn von Sätzen wie „Mir ist kalt“. Die virtuelle Frauenstimme aus dem Off bietet als Antwort an, die Temperatur der Klimaanlage zu verändern. Auf die sinnhafte Spracherkennung ist man bei Audi besonders stolz. Beim Thema autonomes Fahren reklamiert der Hersteller gar eine Vorreiterrolle für sich, sieht sich Level-3-fähig. Und tatsächlich kommt der Testwagen mit allen Assistenten, die notwendig wären, um ihn alleine fahren zu lassen.

Linkisches Lenken

Auf der Autobahn hält die Fünf-Meter-Limousine den Abstand zum Vorderwagen. Ja, sie kann auch seiner Spur folgen, lenkt dann aber auf eine merkwürdige linkische Art – ähnlich wie ein Fahranfänger, der Kurvenradien erst in seinen Erfahrungsschatz integrieren muss. Da greift man gerne selbst ins Steuer.

Noch schneller entzieht man dem A6 übrigens auf der Landstraße wieder das Kommando, zumal seine künstlichen Augen Spurmarkierungen deutlich schlechter identifizieren können als die menschlichen. Dabei ist die halbe Front zugepflastert mit Erkennungsgeräten wie Kamera, Radar, Laser und Sensoren. Level-3-fähig? Künftig bestimmt, jetzt noch nicht.Das Versprechen vom sauberen Diesel hält Audi immerhin jetzt – endlich.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Audi A6 50 TDI Quattro
gutes Raumangebot
großer und variabel nutzbarer Kofferraum
tadellose Verarbeitung
klare Instrumentengrafik
schlüssige Menüstruktur
während der Fahrt schwierige Touchscreen-Bedienung
geringe Zuladung
hohes Gewicht
schlechte Übersichtlichkeit
Fahrkomfort
Audi A6 50 TDI Quattro
bequeme und stark konturierte Sitze (Optionssitze)
geringe Windgeräusche
komfortable Federung
eingeschränktes Schluckvermögen auf Querfugen
Antrieb
Audi A6 50 TDI Quattro
kultiviert laufender V6-Diesel
harmonisch schaltendes Getriebe
Anfahrschwäche
Fahreigenschaften
Audi A6 50 TDI Quattro
einfache Fahrbarkeit
hohe Fahrsicherheit
präzises Handling
hoher Grenzbereich
sehr gute Traktion
Sicherheit
Audi A6 50 TDI Quattro
umfangreiches Angebot an Assistenzsystemen
standfeste Bremsanlage
Spurhalteassistent erkennt Markierungen teilweise nicht
Umwelt
Audi A6 50 TDI Quattro
zuverlässig arbeitender Effizienzassistent
lange Rollphasen mit abgestelltem Motor
niedriger Verbrauch
Emissionseinstufung nach Euro 6d-Temp
Kosten
Audi A6 50 TDI Quattro
sehr hohe Preise für Optionen
nur zwei Jahre Garantie

Fazit

Komfort, Agilität, Verbrauch sind prima – zumindest mit den teureren Optionen. Auch die Abgasreiningung liegt mit 36 mg Stickoxid pro Kilometer deutlich unter dem für Euro 6d-Temp erlaubten Grenzwert von 168 mg/km. Aber, der Audi A6 ist schwer. Und seine Spurerkennung erkennt nicht immer die Spur. Deshalb gibt es von uns auch keine Fünf-Sterne-Topwertung.

Technische Daten
Audi A6 50 TDI Quattro design
Grundpreis60.037 €
Außenmaße4939 x 1886 x 1457 mm
Kofferraumvolumen530 l
Hubraum / Motor2967 cm³ / 6-Zylinder
Leistung210 kW / 286 PS bei 3500 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
0-100 km/h5,8 s
Verbrauch5,5 l/100 km
Testverbrauch7,8 l/100 km
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

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