Falscher Heckflügel bremst McLaren aus
Großer Rückschlag oder kleine Formdelle?

GP Belgien 2023

McLaren war in Spa eigentlich so stark wie in den drei Rennen zuvor. Das zeigt sich aber erst auf den zweiten Blick. Im großen Upgrade-Programm rutschte ein Heckflügel für Highspeed-Strecken ans Ende der Prioritätenliste.

Oscar Piastri - GP Belgien 2023
Foto: xpb

McLaren reiste mit 16 Punkte aus Spa ab. Mehr als Aston Martin oder Alpine. Vor zwei Monaten wäre der britische Rennstall mit einer solchen Ausbeute noch zufrieden gewesen. Doch seit dem GP Österreich sind die Ansprüche gestiegen. Und auch die Erwartungen von außen. Nach drei starken Rennen in Folge hatte man McLaren auch in Spa als zweitbestes Team auf dem Zettel.

Doch diesmal musste sich der WM-Fünfte hinter Mercedes und Ferrari anstellen. Dabei war der MCL60B keinen Deut schlechter als in den Rennen zuvor. Er hatte nur den falschen Heckflügel an Bord. Genauer gesagt: Der Heckflügel passte nur für das Rennen am Sonntag nicht. Da war Lando Norris mit 330,8 km/h Top-Speed Freiwild. Hinter ihm in der Speed-Rangliste lagen nur noch Fahrer, die das ganze Rennen praktisch nie DRS aktivieren durften.

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Das Setup war eine Notlösung. McLaren hat noch keinen Heckflügel für die ganz schnellen Strecken im Angebot. "Bei den vielen Upgrades in letzter Zeit ist die Konfiguration für die schnellen Strecken an das Ende unserer Prioritätenliste gerutscht", musste Andrea Stella zugeben. Deshalb hat McLaren seine Abstimmung auf das Abtriebsniveau ausgerichtet, bei dem das Auto seine beste Effizienz hat.

Fast hätte man ja auch das goldene Los damit gezogen. Für die beiden Qualifikationssitzungen und den Sprint ging die Rechnung auf. Oscar Piastri wurde beim Kurz-Grand-Prix Zweiter. Und beide Fahrer qualifizierten sich immer für die Top 7. Im Regen war der viele Abtrieb eher hilfreich als hinderlich.

McLaren - F1-Technik - Formel 1 - GP Belgien 2023
ams
McLaren hat noch versucht, seinen normalen Heckflügel auf weniger Luftwiderstand zu trimmen - mit wenig Erfolg.

Wehrlos auf den Geraden

Nur das Rennen bremste McLaren aus. In Alleinfahrt hätte Norris sicher mehr als den siebten Platz erreicht. Die acht Zehntel, die er auf dem Vollgasstück gegen Red Bull, Ferrari und einen der Mercedes verlor, holte er zum Großteil in Sektor 2 wieder auf. Doch was hilft das schon, wenn man in der Passage nicht überholen kann und dann aber auf der Kemmel-Geraden und in Blanchimont mitten im Pulk fährt und von langsameren Autos geschluckt wird?

Norris war im Zweikampf verwundbar. Ihm früh harte Reifen zu geben war ein Fehler. Der Engländer steckte im Handumdrehen wieder im Verkehr. Erst mit den Soft-Reifen konnte der Zweite von Silverstone und Budapest seine Qualitäten ausspielen. Und das auf Anpressdruck getrimmte Auto half ihm dabei.

Norris spulte trotz einer Aufholjagd 27 Runden auf dem Soft-Reifen ab. "Das hat uns eine zweite Chance gegeben, und wir haben sie genutzt", blickte Stella zufrieden zurück. Und lobte den Fahrer: "Lando hat sich durch die frustrierenden ersten beiden Stints nicht entmutigen lassen, sondern seinen Fokus behalten."

Lando Norris - GP Belgien 2023
Wilhelm
Lando Norris musste sich in der Frühphase des GP Belgien nach hinten orientieren.

Schwächen abgebaut, Stärken behalten

McLaren ist trotz Spa oder gerade deswegen weiter auf dem Vormarsch. Die Geschichte mit dem Flügel verstärkt den Eindruck, dass die Ingenieure wissen, was sie tun. Statt zu versuchen mit einem großen Upgrade alle Probleme der Welt zu lösen, geht McLaren methodisch Schritt für Schritt vor. Man hat an den Schwächen gearbeitet, ohne seine Stärken aufzugeben.

In schnellen Kurven war das Auto immer schon auf Red Bull-Niveau, wenn nicht besser. Jetzt passt auch die Balance in mittelschnellen Kurven. Und der generelle Gewinn an Abtrieb schont die Reifen.

Nach der Sommerpause kümmert sich McLaren um die langsamen Kurven und die Highspeed-Strecken Monza und Las Vegas. "In Monza werden wir sich besser vorbereitet sein. Es ist einfacher bei einem bestimmten Abtrieb Luftwiderstand zu reduzieren als umgekehrt", verspricht Stella.

Wenn der neue Teamchef in Woking schon vor dem GP Belgien gewusst hätte, was er während des Wochenendes gelernt hat, dann hätte er genau drei Dinge anders gemacht: "Wir hätten Abtrieb für weniger Luftwiderstand geopfert. Wir wären mit der Bodenfreiheit nicht so konservativ gewesen. Und wir hätten nicht den harten Reifen genommen."

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