Haas jubelt zu früh
Strafe wirft Hülkenberg aus Reihe 1

GP Kanada 2023

Als die Qualifikation zum GP Kanada abgepfiffen wurde, war Nico Hülkenberg Zweiter. Drei Stunden danach verbannte ihn eine Strafe auf Startplatz fünf. Haas kann trotzdem stolz sein. Wieder einmal hat das kleine Team alles richtig gemacht.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - Montreal - GP Kanada - 17. Juni 2023
Foto: xpb

Die Qualifikation zum GP Kanada wurde zur Wetterlotterie. Mal regnete es stark, mal schwach, mal gar nicht. Unter solchen Bedingungen schlägt die Stunde von Haas. Letztes Jahr fuhr Kevin Magnussen beim GP Brasilien auf die Pole Position. In Montreal stellte Nico Hülkenberg den US-Ferrari auf den zweiten Startplatz. Wenigstens für drei Stunden. Dann brummten die Sportkommissare dem Haas-Piloten eine Startplatzstrafe auf. Aus Platz zwei wurde Rang fünf.

Unsere Highlights

Im Regen von Montreal brauchten die Teams ein sicheres Händchen. Man konntes viel falsch und nur ganz wenig richtig machen. Entscheidend für gute Rundenzeiten waren neben der Reifenwahl das Timing der schnellen Runden und der Aufwärmprozess.

Haas-Einsatzleiter Ayao Komatsu freute sich: "Solche Bedingungen sind ein Gleichmacher. Da können auch die kleinen Teams zeigen, was sie operativ draufhaben. Wie letztes Jahr in Brasilien haben wir fast alles richtig gemacht. Wenn die Voraussetzungen schwierig sind, stehen wir den Topteams um nichts nach."

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Kanada - 17. Juni 2023
xpb
Auf feuchter Piste erwachte der Haas zum Leben.

Hülkenberg mit 16 Tausendstel weiter

Die Herausforderungen waren in allen drei K.O.-Runden unterschiedlich. Im Q1 kam es darauf an, so spät wie möglich mit den Intermediates auf die letzte fliegende Runde zu gehen, weil die Ideallinie zunehmend abtrocknete. Die Reifen mussten zu dem Zeitpunkt im Temperaturfenster liegen und es musste in dem Moment noch Zeit für zwei schnelle Runden am Stück bleiben.

Komatsu verrät, wie Haas beide Fahrer durch den Q1-Poker gebracht hat. "Da unser Auto nicht so schnell ist wie ein Red Bull oder Aston Martin, trauten wir uns nicht zu, das komplette Q1 mit einem Satz Intermediates durchzufahren. Deshalb mussten wir das Timing für die Boxenstopps so hinkriegen, dass für beide Fahrer noch zwei Push-Runden drin lagen. Mit Kevin ist uns ein Fehler unterlaufen. Die Zielflagge fiel kurz vor seiner Runde. Nico ist vier Sekunden davor durch und hatte so die bestmögliche Strecke für sich."

Trotzdem wäre es fast noch schief gegangen. Hülkenberg wurde von Yuki Tsunoda aufgehalten, konnte sich im zweiten Anlauf nicht verbessern und musste bis zuletzt zittern. Der Rheinländer schaffte um 16 Tausendstel den Aufstieg ins Q2. Magnussen kam trotz des unglücklichen Timings locker durch.

Hülkenberg & Verstappen - Formel 1 - Montreal - GP Kanada - 17. Juni 2023
Red Bull
Hülkenberg freute sich schon auf den Startplatz neben Max Verstappen.

Slicks oder Intermediates?

Im Q2 kam es darauf an das Fenster zu treffen, in dem Slicks besser funktionierten als Intermediates. Das Fenster ging für maximal fünf Minuten auf. Hülkenberg schaffte es gerade noch über die Ziellinie, bevor der Regen wieder stärker wurde. Magnussen dagegen blieb hängen.

Während Hülkenberg nach nur einer zählbaren Runde auf Intermediates die Entscheidung traf, auf Slicks zu wechseln, wartete sein Teamkollege eine Runde zu lang. "Das ärgert mich", blickten die Männer am Kommandostand zurück: "Wir hätten Kevin den Befehl geben sollen wie Nico sofort auf Slicks zu gehen. Dann wäre er auch ins Q3 gefahren."

Im Q3 kam es wieder darauf an, zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein. Allen war klar, dass der Regen nach fünf Minuten zulegen würde. "Deshalb haben wir Nico so weit vorne in die Schlange an der Boxenausfahrt eingereiht wie möglich, um ohne Probleme und bei vernünftiger Sicht ein oder zwei schnelle Runden durchzubringen. Wir haben es hinter Max und Ocon an die dritte Stelle geschafft. Das hat schon letztes Jahr in Brasilien mit Kevin geholfen", erzählt Komatsu.

Tatsächlich hatten nur Verstappen, Ocon und Hülkenberg zwei fliegende Runden, bevor wegen eines Unfalls von Oscar Piastri die rote Flagge gezeigt wurde. Hülkenberg passierte die Ziellinie zwei Sekunden bevor Rennleiter Niels Wittich auf die Abbruchtaste drückte. Fernando Alonso und Lando Norris schafften es nicht mehr und verpassten damit die Chance sich zu verbessern.

Verstappen, Hülkenberg & Alonso - Formel 1 - Montreal - GP Kanada - 17. Juni 2023
xpb
Der erste Profiteur der Hülkenberg-Strafe ist Fernando Alonso.

Zu schnell unter roter Flagge

Das führte bei den betroffenen Teams zu Unmut. "Früher haben sie mit der roten Flagge so lange gewartet, bis der letzte, der schon an der Unfallstelle vorbei war, über die Ziellinie fuhr. Wenn das so gehandhabt worden wäre, wäre Fernando auf dem zweiten Startplatz gelandet. Er lag nach zwei Sektoren schon drei Zehntel unter Hülkenbergs Zeit", rechnete Aston-Martin-Sportdirektor Andy Stevenson vor.

Hülkenberg durfte sich über das zweitbeste Trainingsergebnis seiner Karriere nach der Pole Position beim GP Brasilien 2010 freuen. "Es war eine verrückte Qualifikation, bei der du immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein musstest. Die Bedingungen haben sich ständig geändert, und du musstest dich immer neu anpassen. Da gab es unheimlich viel Kommunikation am Funk. Wir haben das ganz gut hingekriegt, uns auf uns konzentriert und nicht zu viel auf die anderen geschaut."

Kurz nach der Qualifikation flatterte Hülkenberg eine Vorladung der Sportkommissare auf den Tisch. Grund: Der Rheinländer hielt in seiner Auslaufrunde unter der roten Flagge nicht den Speed ein, den das Reglement vorschreibt und das FIA-Steuergerät im Cockpit anzeigt.

Der Einwand des Fahrers, dass er zum Zeitpunkt des Abbruchs bereits auf einer weiteren schnellen Runde war und deshalb Probleme hatte, unter der geforderten Delta-Zeit zu bleiben, wirkte sich nur strafmindernd aus. Da Hülkenberg auf dem Rest der Runde exakt gleich schnell wie Esteban Ocon fuhr, sahen die Richter vom maximalen Strafmaß ab. Das wäre eine Versetzung um zehn Plätze gewesen.

Was ist vom fünften Startplatz noch möglich? Hülkenberg wägt ab: "Die Strafe ändert nicht viel. Wenn es trocken wird, erwartet uns ein ganz anderes Rennen. Wir werden uns so hart wie möglich verteidigen, aber die Rennen waren zuletzt nicht gerade unsere Stärke. Die wenigen Runden am Freitag helfen auch nicht, aber ich hoffe auf irgendetwas zwischen Platz 1 und 10." Teamchef Guenther Steiner pflichtet bei: "Die Position zu halten wird schwierig. Aber es sollte für Punkte reichen."

Live
GP Imola