Haas in der Reifenmisere
Einbahnstraße in die falsche Richtung

GP Kanada 2023

Am Samstag ist der Haas VF-23 ein Auto, mit dem man in die Top Ten fahren kann. Das Rennen am Sonntag dagegen wird für Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen immer öfter zur Einbahnstraße nach hinten.

Nico Hülkenberg - Haas - Formel 1 - GP Kanada - 16. Juni 2023
Foto: xpb

Nichts beschreibt den Zustand des Haas-Teams besser als diese beiden Ranglisten. Am Samstag fuhr Nico Hülkenberg die zweitschnellste Zeit im Q3 und stand am Ende nur deshalb nicht in der ersten Reihe, weil er eine Strafe für zu schnelles Fahren unter roter Flagge bekam. Am Sonntag landete der gleiche Fahrer im gleichen Auto in der Rangliste der schnellsten Rennrunden auf dem vorletzten Platz.

So rollte Hülkenberg schließlich auf Rang 15 über den Zielstrich. Schon nach elf Runden war der Star der Qualifikation aus den Punkterängen geflogen. Er kam nie wieder in ihre Nähe. Dafür steuerte er als einer der ersten Fahrer die Boxen an, um seine Medium-Reifen gegen harte Sohlen einzutauschen. Aus Hülkenbergs Sicht eine Runde zu früh. Hätte er gewartet, hätte ihm das Safety-Car wie acht anderen Fahrern einen Gratis-Stopp geschenkt.

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Haas-Fahrer sieben Mal überholt

Auch das hätte dem US-Team keine Punkte gebracht. Kevin Magnussen versuchte es mit der Ferrari-Taktik und Abwarten. Das brachte den Dänen aber auch nicht weiter. An den beiden US-Ferrari gingen wieder einmal die Reifen in die Knie. So verloren sie schnell Positionen auf der Strecke. Von den 16 Überholmanövern im Rennen trafen allein sieben die Haas-Piloten. Sie standen im Zweikampf mit dem Rücken zur Wand.

Das Problem ist nicht neu. Es ist aber deshalb so beunruhigend, weil Leidensgenosse Ferrari ausnahmsweise mal ohne Reifenprobleme durch das Rennen kam. Und weil kaum ein anderes Team über zu große Reifenabnutzung klagte. Montreal zählt mit seinen vielen langsamen Kurven beim Verschleiß zu den leichteren Übungen. Nur die Hinterreifen leiden, wenn Traktion aus dem Senna-S und der Haarnadel fehlt.

Hülkenberg hatte trotz seiner Sternstunde am Samstag eine böse Vorahnung. Er war deshalb gar nicht so traurig, dass er seinen Platz in der ersten Startreihe verlor: "Das ist nicht unsere Schuhgröße. Statt meine Reifen im Zweikampf mit Leuten zu verheizen, die ich sowieso nicht schlagen kann, konzentriere ich mich lieber auf unsere echten Gegner."

Verstappen, Hülkenberg & Alonso - Formel 1 - Montreal - GP Kanada - 17. Juni 2023
xpb
Im Qualifying-Finale war nur Max Verstappen schneller als Hülkenberg. Im Rennen gab es nicht viele Gegner, die langsamer waren.

Luft um WM-Punkte wird dünner

Das sind Alpine, Williams, McLaren, Alfa Romeo und Alpha Tauri. Mit Ausnahme von Alpha Tauri waren am Sonntag alle aus dieser Gruppe schneller und kämpften in einer Gruppe um die Plätze sieben bis 13. Hülkenberg lag 13 Sekunden dahinter. Zu viel, wenn es um jeden WM-Punkt geht. Und da wird für den neuen WM-Achten die Luft immer dünner. Alfa hat einen Zähler mehr, Williams nur noch einen weniger.

Magnussen fordert das Problem so schnell wie möglich zu lösen: "Wir haben ein schnelles Auto für eine Runde, aber wir haben wieder mit den Reifen gekämpft. Jedenfalls mehr als die anderen. Wir müssen das Tempo vom Samstag in den Sonntag hinüberretten." So wird im Rennen ein Auto zum Gegner, dass am Samstag nicht mithalten kann. Der Sauber C43 hat die genau entgegengesetzten Qualitäten. Schwach auf eine Runde, stark über die Distanz.

Nico Hülkenberg verzweifelte: "Das Rennen war eine Einbahnstraße in die falsche Richtung. Uns steht viel Arbeit bevor, das Auto für den Sonntag konstanter zu machen." Teamchef Guenther Steiner bestätigt: "Wir wissen, worauf wir schauen müssen. Sobald wir in Verkehr geraten und hinter anderen Autos liegen, geht die Performance der Reifen in den Keller. Und sie kommt nie wieder zurück. Wir müssen jetzt unsere Köpfe anstrengen und nach Lösungen suchen, weil wir uns nicht ewig hinter guten Quali-Ergebnissen verstecken können."

Oscar Piastri - Formel 1 - GP Kanada 2023
Motorsport Images
Im Verkehr leidet der Haas deutlich mehr als andere Autos. Das geht auf die Reifen.

Hat Ferrari die Lösung?

Der große Bruder Ferrari hat zumindest für Montreal eine Lösung gefunden. Allerdings hatten Charles Leclerc und Carlos Sainz auch meistens freie Fahrt. Den Luxus gibt es weiter hinten im Feld nicht. Dass es aber auch mit einem Haas funktionieren kann, zeigte das Beispiel Melbourne. Da kam Hülkenberg auf den siebten Platz.

Ein Grund für die Reifenmisere ist, dass der Haas VF-23 nur in einem kleinen Aerodynamikfenster funktioniert. Um ihn dort zu halten, sind die Autos an der Hinterachse bretthart gefedert, was den Reifen nicht guttun kann. Hülkenberg brachte schon mehrfach Kritik in diese Richtung an: "Die Schläge sind echt brutal. Du steigst nach einem Rennen aus und weißt nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Da sind vertikale Kräfte von 5 bis 6 g im Spiel."

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