Keine Stallregie bei Ferrari
Vasseur verteidigt lange Leine

GP Italien 2023

Ferrari verpasste die Sensation in Monza nur knapp. Am Ende konnte man von Glück reden, dass die Heimparty nicht in einem großen Drama endete. Der Verzicht auf Stallregie sorgte für große Diskussionen.

Leclerc vs. Sainz - Formel 1 - GP Italien 2023
Foto: Wilhelm

Frederic Vasseur bezeichnete Monza als das beste Wochenende des Jahres. Ausgerechnet beim Heimspiel geigte die Scuderia groß auf. Nach der Pole Position am Samstag träumten einige Tifosi schon vom ersten Heimsieg seit 2019. Am Ende wurde nichts daraus. Red Bull gelang es, die rote Wand mit beiden Autos zu knacken und einen Doppelsieg zu feiern.

"Wir konnten wenigstens mit ihnen fighten. Sie waren etwas schneller, aber wir haben gut mitgehalten. Es haben vielleicht ein bis zwei Zehntel gefehlt", erklärte Vasseur zufrieden. "Ich hatte gehofft, dass wir Max in einen Fehler treiben können, wenn wir ihn unter Druck setzen. Aber er hat leider keinen gemacht."

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Sainz vs. Verstappen - Formel 1 - GP Italien 2023
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Ferrari kämpfte mit harten Bandagen, konnte den Red-Bull-Sieg am Ende aber nicht verhindern.

Kein Risiko bei der Strategie

Gegen Red Bull war an diesem Tag kein Kraut gewachsen. Auch ein früher Boxenstopp von Carlos Sainz direkt nach dem Überholmanöver hätte wohl nicht geholfen. "Alle hatten Sorgen, was die Haltbarkeit der harten Reifen angeht. So einen langen Stint hatten wir vorher nie absolviert. Es wäre sehr früh gewesen. Man hat gesehen, dass sogar Max in den letzten Runden Probleme mit seinem linken Vorderreifen bekommen hat", winkte Vasseur ab.

Einige Experten warfen ein, dass zumindest der zweite Red Bull von Sergio Perez mit einem etwas besserem Teamwork schlagbar gewesen sei. Der Mexikaner kam erst an Charles Leclerc vorbei, als der Monegasse aus dem DRS-Fenster seines Teamkollegen fiel. Ohne den Klappflügel war der Ferrari plötzlich verwundbar. Hätten die roten Renner nicht einfach näher beisammen bleiben müssen?

Auch hier winkte Vasseur ab: "Ich bin kein Fan von solchen Aktionen. Für die Fahrer ist so etwas nur sehr schwer umzusetzen. Wir hätten Carlos sagen müssen, dass er Charles neun Zehntel rankommen lassen soll, aber nicht näher. Das ist im Auto fast möglich."

Leclerc vs. Sainz - Formel 1 - GP Italien 2023
Wilhelm

Die beiden Ferrari kamen sich mehrmals ganz nahe.

Vasseur zeigt Racer-Einstellung

Nachdem Red Bull kurzen Prozess gemacht hatte, blieb den beiden Ferrari-Piloten nur der interne Kampf um den letzten Podiumsplatz. In den Schlussrunden wurde es dabei mehrmals ganz eng. Erst qualmten bei Leclerc die Reifen beim Angriff in Kurve 1, dann bremste sich Sainz beim Verteidigen in Kurve zwei den Reifen eckig. Die Autos berührten sich im Duell sogar kurz.

Am Kommandostand ließ man die beiden Piloten gewähren. Vasseur verteidigte die Politik der langen Leine: "Wenn wir eine Stallregie ausgesprochen hätten, dann wären sicher auch negative Fragen gekommen, weil es ja nicht im Sinne des Sports gewesen wäre. Ich hatte kein gutes Gefühl dabei, fünf Runden vor dem Ende die Positionen einzufrieren. Ich vertraue meinen Fahrern und habe ihnen nur gesagt, dass sie nichts riskieren sollen."

Laut Vasseur habe er bei solchen Entscheidungen das letzte Wort. Der Vollblut-Racer unter den Teamchefs war stolz, dass seine beiden Fahrer für kein großes Drama sorgten und das gute Ergebnis über die Distanz brachten. "Natürlich kann man darüber diskutieren, ob sie etwas zu hart gekämpft haben. Am Ende sind aber beide ins Ziel gekommen. Darüber bin ich mehr als glücklich."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Italien - Formel 1 - 2. September 2023
Wilhelm

Kann Ferrari auch auf Strecken glänzen, die mehr Abtrieb verlangen?

Ferrari versteht Auto besser

Im Rückblick auf Monza überwogen die positiven Aspekte. Chefingenieur Jock Clear lobte, dass man beim Verständnis des Autos einen großen Schritt nach vorne gemacht habe. "Das Auto hier ist mit dem Low-Downforce-Paket ein ganz anderes Kaliber. Die Teile, die wir für Monza entwickelt haben, funktionierten genau wie erwartet. Das zeigt, dass wir verstehen, wie sich das Auto verhält."

Der Brite hofft, dass sich die Probleme von Zandvoort nicht wiederholen, wenn in Singapur wieder größere Flügel gefragt sind. "Was wir hier gelernt haben, hilft uns auch bei den nächsten Rennen. Wir können das Auto natürlich nicht einfach in unveränderter Form in Singapur nutzen. Aber wir haben in Monza zum Beispiel viel an unserer mechanischen Balance gearbeitet. Auch das Überfahren der Kerbs ist hier wichtig. Das hilft uns auch auf anderen Strecken."

Laut Vasseur habe man im ersten Freien Training einige Tests durchgeführt, um die Probleme von Zandvoort besser zu verstehen. "Wir haben viele nützliche Daten gesammelt. Das war aber nur der erste Schritt. Wichtig ist es, jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Probleme auch zu beheben."

Max Verstappen - Formel 1 - GP Italien 2023
Wilhelm

Vasseur zeigte sich beeindruckt von Verstappens Konstanz, seiner Reife und seiner geringen Fehlerrate.

Respekt vor Verstappen

Der Teamchef fand zum Ende auch noch ein paar freundliche Worte über Dauersieger Verstappen. Den Rekord von zehn Siegen bezeichnete der Franzose als sehr beeindruckend. "Es geht dabei nicht nur um die letzten zehn Rennen. Ich glaube, er hat sich in den letzten zwei Jahren keinen einzigen Patzer erlaubt. Natürlich ist es einfacher, keinen Fehler zu machen, wenn man im besten Auto sitzt."

Monza sei ein gutes Beispiel für die Reife des Holländers: "Man hat heute gesehen, wie er mit der Situation umgegangen ist. Er hat Carlos unter Druck gesetzt, aber nicht zu viel riskiert. Er wusste, dass er einen Pace-Vorteil besitzt und hat einfach abgewartet. Wenn es auf der Strecke nicht geklappt hätte, dann hätte er es beim Boxenstopp probiert. Wir wussten, dass es schwer wird, ihn hinter uns zu halten."

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