Ferrari lüftet Motorgeheimnisse
40 Prozent weniger Verbrauch

GP Italien 2023

Die Antriebseinheit von Ferrari gilt als die stärkste der Formel 1. Jahrelang war alles um den Ferrari-Motor streng geheim. Jetzt gibt es erste Fotos und Details aus erster Hand.

Ferrari-Motor - Ferrari - Formel 1 - GP Italien 2023 - Monza
Foto: ams

Die GPS-Daten der Teams verraten es. Ferrari hat die stärkste Antriebseinheit der Formel 1. Vor dem Entwicklungsstopp im März 2022 hat die Motorenabteilung in Maranello laut ihrem Chef Enrico Gualtieri noch einmal alles hineingesteckt, was man in acht Jahren Hybrid-Technologie gelernt hatte.

Ferrari hat dafür in der ersten Saisonhälfte 2022 mit einigen Schäden bezahlt, durfte aber mit dem Segen der FIA die Fehler korrigieren. Auch Mercedes und Honda sind im ersten Anlauf ganz bewusst über das Ziel hinausgeschossen, haben Lehrgeld bezahlt und nachgebessert. Inzwischen sind die Antriebseinheiten von Ferrari, Mercedes und Honda leidlich standfest. Und Renault-Alpine hinkt hinterher, weil man schon beim ersten Versuch so zuverlässig wie möglich sein wollte.

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Jahrelang blieben die Wunderwerke der Technik unter Verschluss. Doch seit dieser Saison verlangt die FIA von den Herstellern, die Hosen herunterzulassen. Sie müssen ihre Hybrid-Monster zeigen und ihre Geschichte erzählen. Mercedes machte in Silverstone den Auftakt. Ferrari folgte in Monza. Honda soll in Suzuka seinen V6-Turbo präsentieren, Renault-Alpine in Abu Dhabi.

Ferrari-Motor - Ferrari - Formel 1 - GP Italien 2023 - Monza
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Ferrari zeigte beim GP Italien sein Herzstück: die Power Unit.

Effizienz über 50 Prozent

Ferrari hatte seinen Sechszylinder-Turbo mit den beiden Elektromaschinen seit 2014 gut unter Verschluss gehalten. Es gab nicht ein einziges Foto von einem ausgebauten Motor. Um so größer war das Interesse, als Motorenchef Enrico Gualtieri in Monza den Schleier lüftete.

Heraus kam ein technisches Kunstwerk, dessen Komplexität sich schon beim Betrachten der Details zeigt. Ferrari hatte sich sogar noch die Mühe gemacht, die normalerweise im V der sechs Zylinder versteckte Einheit aus MGU-H, Verdichter und Turbolader auszubauen und extra auszustellen.

Gualtieri veröffentlichte außerdem einige Charts, die unter dem Siegel "streng vertraulich" standen. So zeigte ein Graph, wie sich die Effizienz des Antriebs seit dem V8-Motor im Jahr 2013 verbessert hat. Damals lag der Wirkungsgrad bei knapp unter 30 Prozent. Zu Beginn des Hybrid-Zeitalters stieg er auf leicht über 40 Prozent und heute steht er bei rund 51 Prozent. Der Kraftstoffverbrauch verringerte sich in dieser Zeit um 40 Prozent.

Ferrari-Motor - Ferrari - Formel 1 - GP Italien 2023 - Monza
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Ferrari baute für die Journalisten die Einheit aus MGU-H, Verdichter und Turbolader (rechts) aus.

ERS-Elemente 20 Prozent leichter

In einer weiteren Statistik erklärte Gualtieri, wie stark sich die aktuelle Einheit von der von 2014 unterscheidet. Im ersten Jahr waren Batterie, Leistungselektronik, Turbolader, MGU-H und MGU-K noch einzelne miteinander verbundene Elemente. Heute wohnen Batterie und das Steuergerät für das Energiemanagement im gleichen Gehäuse. MGU-H, Verdichter und Turbolader sind eine Einheit.

Die kompaktere Bauweise des Pakets freut die Aerodynamiker. Die Zahlen auf dem Ferrari-Papier verraten, dass die Techniker in Maranello das Gesamtgewicht der ERS-Bausteine in den letzten acht Jahren um 20 Prozent reduziert haben, das Volumen um 25 Prozent und dass gleichzeitig die Leistungsdichte der MGU-K um den Faktor zwei gestiegen ist.

Ferrari-Motor - Ferrari - Formel 1 - GP Italien 2023 - Monza
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Die kompakte Bauweise der Power Unit bietet aerodynamische Vorteile.

Bei Rot wird der Turbo zum Supercharger

Wie kompliziert die moderne Antriebstechnik ist, zeigt ein Chart von einer Monza-Runde. Die Power-Abgabe wird dabei in vier verschiedenen Farben angezeigt. Rot entspricht voller Leistung, orange regelmäßiger Leistung, grün Energiesparen und grau maximaler Rekuperation.

Im roten Bereich zu Beginn der vier langen Geraden treibt die MGU-H den Turbolader elektrisch an und macht ihn damit zum Supercharger, weil überschüssiger Ladedruck über das Wastegate entweichen und damit kein Abgasgegendruck entstehen kann, der den Verbrenner Leistung kostet. Die Batterie liefert volle elektrische Leistung an die MGU-K, und der Verbrenner läuft unter Volllast.

Die meiste Zeit läuft der Antrieb im orangen Bereich. Auf allen Geraden, egal ob kurz oder lang. Dabei speist die MGU-H direkt Power in die MGU-K, um die Batterie zu entlasten. Der V6-Turbo läuft weiter unter voller Leistung.

Grün sind die Bremszonen am Ende der Geraden. Die MGU-K speist Leistung ins System ein, die sie von der MGU-H bekommt, und die Batterie wird geladen, weil die Fahrer auf der Bremse stehen und vom Verbrenner keine Leistung anfordern. Dann gibt es da noch sechs graue Bereiche in den zwei Schikanen und vom Einlenken bis zum Scheitelpunkt von Lesmo I, Lesmo II, Ascari und Parabolica. In diesen Phasen laden sowohl der Verbrenner als auch die MGU-H die Batterie.

Weniger Motoren bei mehr Rennen

Die Suche nach immer mehr Leistung steht gewissermaßen in Konkurrenz zu der immer längeren Lebenszeit der Motoren, Elektromaschinen, der Batterie und der Leistungselektronik. Das Reglement zwingt sie den Motorenherstellern auf. 2014 waren pro Fahrer noch jeweils fünf Einheiten der sechs Antriebselemente erlaubt. Damals gab es 19 Rennen.

Heute haben wir 22 Grand Prix und die Zahl von Verbrenner, Turbolader, MGU-H und MGU-K hat sich auf jeweils vier Kits verringert, die von Batterie und Steuergerät auf jeweils zwei und die Zahl der Auspuffsysteme ist auf acht pro Fahrer begrenzt. Früher war der Auspuff freigestellt.

Die nächsten Herausforderungen warten laut Gualtieri schon: "Für 2026 müssen wir den Verbrenner auf 100 Prozent nachhaltigen Kraftstoff anpassen und drei Mal so viel elektrische Leistung bereitstellen wie heute. Das alles muss dann allein über die Batterie laufen, weil die MGU-H entfällt. Dazu kommt das Problem, diese Leistung über eine Runde wieder in das System einzuspeisen."

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