Drama um Aston-Martin-Protest
Strichliste setzt FIA unter Druck

GP Großbritannien 2023

Aston Martin gewann in Österreich durch einen Protest drei Punkte. Es war aber keine aufwendige Video-Analyse, die alle Streckenlimit-Sünder überführte, sondern eine simple Strichliste.

Fernando Alonso - GP Österreich 2023
Foto: Wilhelm

Zum zweiten Mal in dieser Saison gewann Aston Martin Punkte am grünen Tisch. In Jeddah wurde Fernando Alonso als Dritter im Gesamtklassement rehabilitiert, nachdem Aston Martin nachweisen konnte, dass die Strafe für zu frühes Arbeiten am Auto nach einer Fünfsekunden-Strafe zu Unrecht ausgesprochen wurde. Damals legte Teammanager Andy Stevenson Präzedenzfälle auf den Tisch, die nicht geahndet worden waren. Die Video-Datenbank des Teams war entsprechend gefüllt.

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Auch beim GP Österreich reichte Stevenson erfolgreich einen Protest ein. Diesmal gegen das provisorische Resultat. Die dort angezeigten Strafen für Fahrer wegen Übertretung der Streckenlimits stimmten nicht mit dem überein, was Stevenson auf seinem Zettel hatte. In diesem Fall musste die FIA mit fünf Stunden Verspätung zusätzliche Strafen verhängen, die Fernando Alonso und Stroll jeweils eine Position und dem Team wie in Jeddah drei WM-Punkte extra brachte.

Andy Stevenson & Beat Zehnder - Formel 1 2023
xpb
Aston-Martin-Teammanager Andy Stevenson, hier mit Sauber-Kollege Beat Zehnder, hat seinem Team schon einige WM-Punkte am grünen Tisch gewonnen.

Mehr Punkte am grünen Tisch als Alpha Tauri

Stevenson wurde teamintern als der Alonso der Boxenmauer gefeiert. Mit insgesamt sechs Punkten, die jetzt auf das Konto seiner Abteilung gehen, läge er in der WM-Wertung der Konstrukteure vor Alpha Tauri. Teamchef Mike Krack meinte bescheiden: "Ich glaube, wir tun nichts anderes als die anderen Teams."

Vielleicht aber doch. Der Rennstall aus Silverstone kämpfte vor der Aston-Martin-Ära zehn Jahre einen Existenzkampf. Force India hatte nicht die Mittel für teure Analyse-Werkzeuge oder 30 Mitarbeiter, die in der Fabrik jeden Aspekt des Rennens genau untersuchen und den Kommandostand an der Rennstrecke mit ihren Informationen füttern. Bei den Überlebenskämpfern musste oft der gesunde Menschenverstand ausreichen.

Und genau der hat Aton Martin in Österreich ein besseres Resultat verschafft. Es waren nicht Heerscharen von Spionen, die während des Rennens anhand unterschiedlicher Kamerawinkel jeden Verstoß gegen die Streckenlimits in Kurve 9 und 10 notiert haben. "Ich habe nur eine Strichliste der Vergehen geführt, die auf Seite 3 der FIA-Informationsseite aufgelistet wurden", erzählt Stevenson.

Lance Stroll - GP Österreich 2023
Wilhelm
Vor Einlegen des Protests hat Aston Martin noch einmal die TV-Bilder der eigenen Piloten gecheckt, um auf der sicheren Seite zu sein.

Versprechen nicht gehalten

Nach dem Rennen rechnete sich Stevenson anhand seiner Liste die Strafen aus, die jeder Fahrer zu bekommen hatte. Die stimmte aber nicht mit dem Klassement überein, das der Zeitcomputer ausspuckte. Viele Strafen waren dort noch gar nicht eingepflegt.

Er fragte daraufhin bei der Rennleitung nach, warum es da offenbar eine Differenz zu den tatsächlichen Vergehen gab. Die antwortete, dass man während des Rennens nicht genug Zeit hatte allen Vergehen nachzugehen, dass man aber im Nachgang alle Fälle überprüfen und diese im provisorischen Resultat berücksichtigen würde. Mit dieser Zusage gab sich Stevenson zufrieden.

Als er dann das provisorische Ergebnis in den Händen hielt, stellte er fest, dass gar nichts passiert war. "Da mussten wir Protest einreichen. Es macht keinen Sinn, dass ein Teil der Fahrer bestraft wird, der andere nicht", begründete Aston Martin seinen Schritt. Die Sportkommissare sahen es genauso und rechneten nach.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Österreich - Spielberg - Freitag - 30.6.2023
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In den Kurven 9 und 10 werden außen Kiesbetten eingebaut, um eine Wiederholung des Track-Limits-Dramas in der Zukunft zu verhindern.

Fahrer wurden gewarnt

Am Ende entsprachen die 83 Übertretungen und zwölf zusätzlichen Zeitstrafen ziemlich genau Stevensons Strichliste. Als ein Kommissar warnte, dass eine nachträgliche Untersuchung womöglich auch Aston-Martin-Fahrer treffen könnte, blieb Stevenson gelassen: "Wir wussten ziemlich genau, dass unsere Fahrer nicht mehr verbrochen hatten, als das, was auf dem Bildschirm angegeben war. Fernando ist in der ersten Runde ein Mal über die Streckenlimits, Lance insgesamt drei Mal."

Bei den eigenen Fahrern betrieb Aston Martin mehr Aufwand als bei der Konkurrenz: "Da haben wir uns alle Kameraaufnahmen angeschaut, um auf der sicheren Seite zu sein." Mike Krack erklärte, dass man seinen Fahrern nach den Erfahrungen des Vorjahres immer wieder eingeschärft hatte, innerhalb der Linien zu bleiben. "Im letzten Jahr hat es auch einen von uns mit einer Strafe erwischt. Das wollten wir diesmal unbedingt vermeiden."

2022 wurden insgesamt 43 Übertretungen gezählt. Vier Fahrer kassierten eine Fünfsekunden-Strafe, darunter auch Aston-Martin-Pilot Sebastian Vettel. Kritik, dass die Strafen zu hart für das Vergehen gewesen sind, konnte Krack nicht nachvollziehen: "Sieben Fahrer im Feld haben es geschafft unter vier Vergehen zu bleiben. Es war also möglich."

Die FIA hat mittlerweile auf das Streckenlimit-Chaos in den Kurven 9 und 10 des Red-Bull-Rings reagiert. Im nächsten Jahr wird es an der Außenseite ein Kiesbett geben. Das beendet alle Diskussionen. Nach Rücksprache mit der MotoGP sind Kiesbetten in der Topklasse nicht das Problem, sondern vielerorts sogar gewünscht. Die Asphaltflächen wurden hauptsächlich wegen der Moto2- und Moto3-Fahrer eingebaut, die oft so wild fahren, dass die Hälfte des Feldes im Kiesbett stranden würde.

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