McLarens B-Version schlägt ein
Mehr Abtrieb, gleicher Charakter

GP Österreich 2023

Das Spielberg-Wochenende verbucht McLaren als Erfolg. Es brachte zwölf WM-Punkte und vielversprechende Erkenntnisse zur ausgerollten B-Version. Vor und nach der Sommerpause legt McLaren direkt noch einmal nach. Für die Zukunft wollen die Ingenieure auch an den Charakter des Autos heran.

McLaren - GP Österreich 2023 - Spielberg
Foto: ams

McLaren war in Österreich die dritte Kraft. Vor Aston Martin und Mercedes. Der Lohn waren zwölf WM-Punkte, die Lando Norris mit dem vierten Platz auf das Team-Konto schaufelte. Das restliche Mittelfeld – bestehend aus Alpine, Haas, Alfa-Sauber, Williams und Alpha Tauri – kam zusammengerechnet nur auf sechs Zähler. Mit den Plätzen drei und vier in den beiden Qualifikationen unterstrich Norris, dass das umgebaute Auto sowohl auf eine schnelle Runde als auch im Longrun funktioniert.

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Besser hätte es für McLaren nur im Sprint laufen können. Da geriet der Mercedes-Motor im MCL60 in der Startrunde in Kurve drei ins Stottern. Der sogenannten "Anti-Stall"-Modus aktivierte sich, als die Drehzahlen kurz absanken. Mit einem Switch in den Leerlauf sorgt die Technik dafür, dass der Sechszylinder-Turbo nicht ungewollt abstirbt. Norris befand sich zu diesem Zeitpunkt unmittelbar hinter dem Sprint-Sieger Max Verstappen.

Lando Norris - McLaren - GP Österreich 2023 - Spielberg
xpb
Upgrade, Strecke, Norris-Faktor: Mehrere Dinge kamen bei McLaren für ein Topergebnis zusammen.

McLaren überall schneller

McLaren überraschte sich selbst. Eigentlich war man davon ausgegangen, dass es für Norris am Rennsonntag von Startplatz drei eher nach hinten geht. Dass der Reifenverschleiß ihn zurückwirft. Doch das war nicht der Fall. Frische Reifen überdecken zwar noch immer so manches Defizit, was in der Qualifikation hilft. Die Reifenabnutzung im Dauerlauf ist bei McLaren aber nicht mehr ganz so einschränkend wie zuvor.

Mehr Abtrieb sorgt für weniger Rutschphasen. Speziell in der Kurvenmitte pressen die neuen Teile den MCL60 stärker auf die Straße. "Das Auto fährt schneller durch jede Kurve", freut sich Norris, der die B-Version in Österreich exklusiv für sich hatte. Teamkollege Oscar Piastri fährt sie ab dem kommenden Wochenende in Silverstone.

McLaren ging den geteilten Weg, um Vergleichsdaten zu sammeln. Die Produktion steht außerdem auf Anschlag. Das Upgrade wurde etwas vorgezogen. Zudem hielt man es für den richtigen Ansatz, an einem Sprintwochenende nicht mit zwei völlig umgebauten Autos zu operieren. Für das Auto von Norris soll es genug Ersatzteile gegeben haben.

McLaren - F1-Technik - Upgrades - GP Österreich 2023
ams
Das Auto von Norris links hatte das Upgrade, der Piatri-Renner rechts war noch mit dem alten Seitenkasten unterwegs.

Aston Martin lästert

Die Ingenieure bauten den MCL60 großflächig um. Auffällig ist der neue, stark vertiefte Seitenkasten. Die "Wasserrutsche" erinnert an den Aston Martin, von dem sich McLaren ein Stück weit hat inspirieren lassen. Das sorgt bei den Ingenieuren von Aston Martin in gewisser Weise für Belustigung. Es war doch gerade McLaren-Boss Zak Brown, der sich 2020 so sehr über das damalige Racing Point und dessen Mercedes-Kopie aufgeregt hatte.

McLaren hat nun selbst bei Aston Martin und Klassenprimus Red Bull abgeschaut, und gewisse Details für die eigene Fahrzeugentwicklung adaptiert. Neu waren in Spielberg auch der Seitenkasten-Einlass, die Spiegelaufhängungen, die Halo-Verkleidung, die Motorabdeckung und der Unterboden – das wichtigste Teil in der Groundeffect-Ära der Formel 1 seit 2022.

McLaren noch vorsichtig

Teamchef Andrea Stella spricht von einem konzeptionellen Eingriff. Die Ingenieure bauten nicht nur äußerlich um, sondern auch unter der Verkleidung. Sie mussten beispielsweise an die Anordnung der Kühler und an die Leitungen heran. "Auf dieser Basis werden wir weitere Eingriffe vornehmen, und das Entwicklungstempo hochhalten", verspricht Stella. In England sollen neue Flügel die Aerodynamik effizienter machen. Beim Spielberg-Upgrade war es rein um einen Abtriebsgewinn gegangen.

Nach dem erfolgreichen Wochenende ist McLaren optimistisch gestimmt. Allerdings müssen die kommenden Rennen den Vorwärtsdrang bestätigen. "Ein Teil des Ergebnisses geht auf das Upgrade. Ein Teil auf Lando, der auf dieser Strecke immer besonders stark ist", befindet Stella. Man könnte auch zusammenfassen: Upgrade, Strecke, Norris-Faktor: Mehrere Dinge kamen bei McLaren für ein Top-Ergebnis zusammen. Deshalb sei noch Vorsicht geboten. Spielberg war in der Vergangenheit für Fahrer und Auto eine beliebte Spielwiese. Norris verbuchte hier zwei seiner sechs Podestplätze der Laufbahn.

McLaren - F1-Technik - Upgrades - GP Österreich 2023
Wilhelm
Der neue Seitenkasten (unten) ist eine Mischung aus Red Bull und Aston Martin.

An Handling und Charakter heran

Noch hat McLaren viel Arbeit vor sich. Die Daten und das Gefühl sagen, dass die B-Version besser ist. "Die Art und Weise, wie man das Auto fahren muss, ist aber identisch", erklärt Norris. Das heißt, am Handling und am Charakter hat sich nichts geändert. Und genau da will McLaren heran, um mittel- und langfristig mehr Erfolg zu haben. Die Schwächen sind nur auf einem höheren Niveau angekommen.

Grundsätzlich liebt der McLaren harte Bremszonen und schnelle Kurven. Weil der Abtrieb das Auto tief und satt auf den Asphalt drückt. Wenn dann auch noch die Straße allgemein viel Haftung bietet, die Temperaturen nicht zu hoch sind und es eher windstill ist, sind das Bedingungen nach dem Geschmack von McLaren.

In langsamen Kurven schreibt die Physik andere Gesetze. Da ist die Bodenfreiheit automatisch etwas höher, weil das Auto bei niedrigen Geschwindigkeiten weniger Anpressdruck erzeugt. Diese entgegengesetzten aerodynamischen Zustände beherrscht der Red Bull par excellence.

Weitere Schritte in Planung

McLaren glaubt, in den letzten Monaten ein besseres Verständnis für diese "Aerodynamik-Fenster" aufgebaut zu haben. Mit Einführung der B-Version habe man einen ersten Schritt gemacht, langsam und schnell besser zu vereinen. "Wir haben einen Weg gefunden, wie wir beide Fahrzeughöhen besser abdecken", sagt Stella.

Es bleibt abzuwarten, wie der überarbeitete McLaren mit längeren Rollphasen umgeht. Also wenn die Fahrer nicht tief in die Kurve hineinbremsen können, sondern eher rein rollen lassen müssen. Das passiert gerade in Kurven mit größerem Radius und mehr Lenkeinschlag.

Noch vor der Sommerpause will McLaren auf der mechanischen Seite nachlegen. Für die Zeit danach ist noch ein Entwicklungsschritt in der Größenordnung von Österreich in Planung. Alles work in progress. "Wir haben einen Schritt gemacht. Für ein optimales Auto müssen wir aber noch ein paar dieser Größe machen, um auch den Charakter des Autos zu ändern", sagt Teamchef Stella.

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