Elektrischer GT Lotus Emeya
Taycan-Jäger kostet sechsstellig

Lotus erweitert sein Modellprogramm. Nach dem großen SUV Eletre legen die Briten mit dem Emeya ihr zweites viertüriges Performance-Modell auf. Dieses Mal ist das Auto ein elektrischer GT mit 102-kW-Batterie und über 900 PS. Damit soll der Emeya dem Porsche Taycan einheizen. Ab sofort ist er bestellbar.

Für Lotus ist der Antrieb der Zukunft klar. Die einstigen Puristen rüsten ihre neuen Modelle mit Elektromotoren und Batterien aus. Die einzige Ausnahme ist der Emira, ein Sportwagen mit Vier- oder Sechszylinder, der ein letztes Loblied auf den Verbrenner singt.

Mit dem vollelektrischen Eletre ist Lotus in die Welt der großen SUV vorgestoßen – aktuell 17.000 Vorbestellungen geben dem britisch-chinesischen Sportwagen-Hersteller bei seiner Entscheidung recht, sich seinen Marktanteil auch bei großen viertürigen Autos zu erobern. Jetzt kommt mit dem Emeya der zweite komplett neue Elektro-Lotus – als internen Arbeitstitel hatte das Auto die Bezeichnung Typ 133. Während der Eletre eher in den Gefilden des Porsche Cayenne wildert, ist der Emeya ein GT, der dem Porsche Taycan Kunden abluchsen möchte.

Unsere Highlights
Lotus Emeya
Lotus

Der Heckflügel soll in ausgefahrenem Zustand einen Abtrieb von 215 Kilogramm erzeugen.

Lotus Emeya: Exterieur

Der Emeya (gesprochen: Emaia) ist natürlich viel flacher als der Eletre und er ist auch etwas rundlicher geformt. Eine auffällige Gemeinsamkeit ist die deutlich sichtbare Aerodynamik der Karosserie – man kann quasi dem Luftstrom zusehen, wie er an den Kotflügeln vorbei nach hinten läuft und dabei immer am Fahrzeug klebt. Das Gleiche gilt für die Motorhaube, die die Luft über die Frontscheibe und das Dach führt.

Der elektrische Hyper-GT zählt gleich acht Öffnungen in der Karosserie. Lotus verfolgt damit wie bei seinem Hypercar Evija, dem Sportwagen Emira und dem SUV Eletre sein Durchströmungskonzept. Die Luftführung "unter der Haut" ist zu einem Charakter-Merkmal der neuen Lotus-Generation geworden.

Vorn sorgt, wie auch beim Eletre, ein aktiv gesteuerter Grill für eine perfekte Balance zwischen Kühlluftbedarf und günstiger Aerodynamik. Im geschlossenen Zustand senkt es den Luftwiderstand und verbessert die Effizienz. In offenem Zustand kann der Fahrtwind die Bremsen und Batterie-Pakete kühlen. Der Frontsplitter fährt bei Bedarf aus, wodurch der Emeya besser an der Vorderachse auf dem Asphalt haftet.

Hinten helfen ein markanter, zweigeteilter Heckflügel beim Anpressdruck und ein mächtiger Diffusor beim Verhindern von Luftverwirbelungen. Auf den aktiven Heckspoiler ist Lotus besonders stolz. Dieser sei nochmals 100 Millimeter breiter als der Flügel am Eletre. In ausgefahrenem Zustand generiere der Heckspoiler allein einen Abtrieb von 215 Kilogramm.

Eine bestmögliche Aerodynamik ist den Lotus-Verantwortlichen enorm wichtig – auch sie hilft dabei, das legendär gute Handling von Lotus-Modellen in die Gegenwart zu retten. Ein wenig muss sie auch das mit Elektroantrieben zwangsläufig verbundene höhere Gewicht kompensieren. Das Thema Leichtbau hat sich im Zeitalter von schweren Batterien nämlich erst mal erledigt – auch Lotus-Ingenieure können nicht die Physik besiegen.

Lotus Emeya
Lotus

Das Lenkrad des Emeya ist oben und unten abgeflacht.

Sitzprobe im Innenraum

Der Innenraum des neuen Emeya gleicht dem des Eletre. Klar, beide Elektroautos bauen schließlich auf derselben Plattform auf. Hinter dem oben und unten abgeflachten Lenkrad sitzt der Fahrer in einem Sportsitz, aus dem er gar nicht mehr heraus möchte – so perfekt ist die Balance aus Seitenhalt für Rücken und Oberschenkel und Langstrecken-Komfort. Platz haben vorn auch über 1,90 Meter große Menschen.

Die hohe wie breite Mittelkonsole grenzt den Fahrer- und Beifahrerbereich klar ab. Und wie im Eletre, so schaut auch der Beifahrer im Emeya nicht auf einen bunten großen Bildschirm, sondern auf eine sehr ruhig und stylisch wirkende Info-Zeile. Das mit Alcantara bezogene Lenkrad fasst sich gut an, die Seiten des Dachhimmels und viele weitere Oberflächen sind ebenfalls mit dem Mikrofaserstoff bezogen.

Die Inneneinrichter haben eifersüchtig darauf geachtet, dass die Insassen keine billig aussehenden Kunststoffoberflächen sehen oder berühren müssen: Alles ist schick mit besagtem Alcantara, Carbon oder Metall verkleidet. Wer unbedingt eine Kunststoffoberfläche entdecken möchte: Ja, im Fond des Emeya gibt es auch Kleiderhaken. Aber die sind maximal unauffällig. Was auffällt: Die Verarbeitungs-Qualität ist fantastisch.

Wie schon im Eletre, so bekommt auch der Emeya auf Wunsch eine Audioanlage des englischen Spezialisten KEF. Wer guten Sound mag, der dürfte von der KEF-Anlage begeistert sein: In die Ohren der Insassen gelangt ein sensationell voller und klarer Dolby-Surround-Klang.

Lotus Emeya
Lotus

Panorama-Dach und zwei Einzelsitze im Fond: Der Lotus Emeya weiß bei der ersten Sitzprobe mit seinen Platzverhältnissen und der Verarbeitungsqualität zu überzeugen.

Der Fond ist ein Platzwunder

Erfahrungsgemäß bietet nicht jedes viertürige Coupé im Fond genügend Platz für den Kopf und die Beine von groß gewachsenen Passagieren. Beim Emeya ist das anders. Schon von außen erkennt der aufgeweckte Beobachter die sehr breiten Seitenscheiben der hinteren Türen. Diese Türen sind so groß, dass selbst 1,90 Meter große Personen durch sie bequem in die aus zwei Einzelsitzen bestehende zweite Reihe schlüpfen.

Und dann gibt es tatsächlich mehr als eine handbreite Luft über dem Kopf und auch vor den Knien ist noch reichlich Platz – auch wenn vorn ebenfalls eine 1,90 Meter große Person sitzt. Die Platzverhältnisse im Fond sind also extrem gut. Außerdem können die Insassen von hier durch das große Panorama-Dach nach draußen schauen. Dessen Transparenz ist per Touchscreen von leicht milchig bis hin zu vollkommen undurchsichtig verstellbar.

Lotus Emeya: Antrieb

Das Emeya-Topmodell ist mit zwei (permanent-erregten) Elektromotoren ausgerüstet, je einer sitzt an Vorder- und Hinterachse. Sie sollen das viertürige Coupé mit bis zu 905 PS (675 kW) und einem maximalen Drehmoment von 985 Newtonmetern anschieben. Beide Achsen schultern die Leistung. Das Antriebskonzept kennen wir bereits vom Eletre R.

Mit seinen Leistungsdaten übertrumpft der stärkste Emeya auf dem Papier den Porsche Taycan Turbo S. Dieser leistet 625 PS und im Overboost-Modus bis zu 761 PS. Bei den Sprints sind beide gleichauf. Der Taycan beschleunigt laut Hersteller in 2,8 Sekunden von null auf 100 km/h. Lotus spricht beim Imagespurt von einem Wert von unter 2,8 Sekunden – ganz genau bleibe die Stoppuhr nach 2,78 Sekunden stehen. Die Höchstgeschwindigkeit des Emeya ist bei 256 km/h abgeregelt. Zum Vergleich: Der Porsche Taycan Turbo S wird bei 260 km/h eingebremst.

Es darf davon ausgegangen werden, dass Lotus mit der Emeya-Baureihe verfährt wie beim Eletre. Das hieße, die etwas schwächeren Modelle kämen auf eine Leistung von 450 kW, was in der alten Währung 611 PS entspricht.

Reichweite: 350 kW Ladeleistung

Die Batterie des Emeya verträgt eine Ladeleistung in Höhe von 350 Kilowatt. Damit kommt der GT nach fünf Minuten Gleichstrom-Ladezeit bereits 150 Kilometer weiter. Eine Aufladung von zehn auf 80 Prozent dauert 18 Minuten – sagt Lotus.

Mit weiteren Angaben hält sich der Hersteller noch bedeckt. Nur so viel: Der elektrische GT solle mit einer Batterieladung in etwa so weit kommen wie der Eletre. Der SUV verspricht eine Reichweite von 600 Kilometer nach WLTP. Die Batterie des Emeya, die Lotus im Unterboden einlässt, fasst 102 Kilowattstunden.

Fahrwerk des Emeya

Die wichtigste Zutat für ein Top-Handling ist das Fahrwerk. Beim Emeya haben sich die Ingenieure für ein elektronisch gesteuertes Luftfahrwerk entschieden. Dessen Sensoren erfassen 1.000 Mal pro Sekunde den Straßenzustand, die Anpassung des Fahrwerks erfolgt in Echtzeit.

Den vollmundigen Ankündigungen sollte der Emeya Taten folgen lassen. Jedenfalls spricht Lotus davon, dass der elektrische Hyper-GT "neue Standards bei Fahrdynamik und Handling im GT-Segment setzen soll". Ein tiefer Schwerpunkt soll den Emeya schön agil machen. Schließlich soll nicht nur Lotus draufstehen, sondern auch drinstecken.

Lotus gehört zwar mittlerweile zum chinesischen Geely-Konzern, der auch Eigentümer von Polestar ist. Dennoch betonen die Briten, dass ihre aus Aluminium gefertigte Electric Premium Architecture (EPA), die auch unter dem Eletre steckt, eine Eigenentwicklung ist. Im Gegenzug erklärt auch Polestar, dass die Alu-Plattform unter dem Polestar 5 exklusiv der Marke vorbehalten bleibt. Lotus wird hier nur bei der Fahrwerksabstimmung eingebunden. Wer her wirklich von wem profitiert, weiß wohl nur Geely.

Preise und Marktstart

Die Serien-Produktion des Emeya hat bereits Anfang 2024 am chinesischen Produktionsstandort von Lotus begonnen. Dort entstehen alle viertürigen Lotus-Modell. Die später folgenden Zweitürer baut Lotus dann an seinem traditionellen Standort im englischen Hethel.

Bestellbar ist der Lotus Emeya in Deutschland ab März 2024. Das Basismodell kostet wenigstens 106.400 Euro, die S-Variante ist ab 126.950 Euro zu haben. Wer auf das Top-Modell Emeya R schielt, wird mit wenigstens 150.990 Euro zur Kasse gebeten.

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Fazit

Lotus schickt mit dem Emeya sein zweites neues Elektromodell ins Rennen. Nach dem großen SUV Eletre folgt jetzt ein viertüriger GT. Autos mit diesen Dimensionen gehören nicht zur 75-jährigen Geschichte der englischen Sportwagen-Marke, aber sie dürften massiv beim Geldverdienen helfen.

Der Emeya nimmt die Designsprache des Eletre gekonnt auf – als elegantes viertüriges Reise-Coupé ist er deutlich weicher gezeichnet als der hoch aufbauende Eletre. Mit seinen Fahrdaten, wie einer Höchstgeschwindigkeit von 256 km/h und einer Referenzspurtzeit von 2,8 Sekunden, braucht sich der Emeya nicht hinter einem Porsche Taycan Turbo S zu verstecken. Ob er in Sachen Handling das halten kann, was Lotus-Modelle seit Jahrzehnten versprechen, müssen dann die ersten Tests zeigen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024

Erscheinungsdatum 25.04.2024

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