Skoda 105 L, Trabant 601 L und Wartburg 353 W
Drei Ladies aus dem Ostblock im Fahrbericht

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Sozialistischer Realismus war nicht immer freudlos. Skoda, Trabant und Wartburg gelten zwar als hoffnungslos veraltet, bieten aber erstaunlichen Fahrspaß jenseits vieler Vorurteile.

Skoda 105 L, Trabant 601 L, Wartburg 353 W, Frontansicht
Foto: Ingolf Pompe

Es war langsam und laut, selbst Busse waren schneller, auch bergauf. Meine Fahrt im Skoda 105 L ging von Straubing nach Stuttgart. Das macht 376 Kilometer, Verbrauch 7,8 Liter auf hundert Kilometer. Es war die Entdeckung der Langsamkeit mit nur 46 PS, die ein erwachsenes Auto von 875 Kilo bewegen müssen. Schonende einhundertzehn waren mein selbstgesetztes Tempolimit. Genug für ein geliehenes kleines Auto, das ein bisschen Kühlwasser verliert und einen hilflos und ängstlich von hinten anschreit, weil die Lastwagen so dicht auffahren.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Aber ich wusste, "mein" Skoda 105 L lässt mich nicht im Stich. Er wäre noch langsamer und lauter gewesen, wenn einer der polnischen Vorbesitzer nicht das Fünfganggetriebe des S 130 nachgerüstet hätte. Ein Segen für Auto und Fahrer, denn 110 km/h entsprechen dann 3.500/min statt 4.200/min. Woher ich das weiß? Weil der schlaue polnische Vorbesitzer auch noch den Drehzahlmesser aus dem S 130 eingebaut hat. Für 1.777 Euro steht der Skoda jetzt wieder bei Auto Wardenga, ein 84er, H-Kennzeichen-fähig und von solch liebenswerter Hilflosigkeit, dass ich ihn am liebsten gekauft hätte. Vor allem wegen der Farbe Ziegelrot und trotz des mit Popnieten "geschweißten" linken Schwellers.

Skoda 130 GL für ehemals 10.590 Mark

So wie damals. Denn vor 27 Jahren wollte ich es schon einmal tun. Nach drei Verbrauchtwagen, vom NSU 1.200 C über VW K70 bis Audi 100 LS, wäre ein Neuer die Sensation gewesen: ein Skoda 130 GL, Limousine, Drehzahlmesser, Fünfganggetriebe, 10.590 Mark. Ich machte den Fehler, ihn Probe zu fahren - es war ernüchternd. Ein danach gekaufter Ford Taunus V6 konnte alles besser. Heute sehe ich es milder. Heute fährt sich der 105 L wie ein altes Auto, unzulänglich, stets an der Leistungsgrenze, den Fahrer fordernd. Er bietet das, was wir suchen, wenn wir einer Sechszylinder-Hängematte mit Fünfgangautomatik überdrüssig sind.

Das Spiel der Skoda-Spindellenkung ist schon ab Werk gewöhnungsbedürftig, der Wendekreis größer als bei meinem Audi 100 Typ 44. Die Schaltung agiert knorpelig und unexakt, aber wenigstens auf kurzen Wegen. Man muss dem Wagen helfen, mit viel Feingefühl, stets im richtigen Moment das Richtige tun, das belebt, hat eine sportliche Komponente, und der Wagen dankt es einem. Mit geringem Ölverbrauch und mit geschmeidigem Zahnradwechsel. Der kleine Terrakotta-Skoda 105 L ist anders als seine Ost-Kumpel Trabant und Wartburg, auf die er bald treffen wird. Er legt Wert darauf, ein solider Viertakter zu sein ohne Stinker-Stigma.

Er bläut nur nach dem Warmstart, weil seine Ventilschaftdichtungen nicht mehr die besten sind. Er braucht keinen Freilauf, weil es bergab nicht schieberuckelt, und im Kofferraum, der sich vorne so keck pianoforte wie ein Flügel öffnen lässt, liegt kein selbstmischendes Öl. Er braucht einen Liter Benzin weniger als der Wartburg, weil er keine Spülverluste kennt, und seine Kurbelwelle muss nicht alle 100.000 Kilometer überholt werden, weil ein Ölsumpf eben besser schmiert als Ölnebel.

Dafür hat sich der Skoda mit seinen beiden Vorfahren MB 1.000 und S 100 L 25 Jahre lang in eine Sackgasse der Automobiltechnik verrannt, die bis heute nur noch das Über-Ego eines Porsche 911 zur einzig wahren Lehre umdeutet. Der Skoda ist ein Heckmotorwagen, seine DDR-Kumpel Trabant und Wartburg haben Frontantrieb. Heckmotor steht für eine leichtgängige Lenkung, für beste Traktion, für guten Komfort, weil er hinten keine simple Starrachse duldet, und für herrliches Driften, das spießige Spaßbremsen als kritische Übersteuerneigung fehldeuten. Heckmotor steht aber auch für Unruhe bei Seitenwind, für engen Innenraum. Doch der Skoda 105 L ist zwischen den Achsen erstaunlich geräumig.

Selbst unter den Klavierdeckel passt viel rein. Notfalls sind es vier Kästen Budweiser, welche die Traktion verschlechtern, den Driftspaß dämpfen, aber den Geradeauslauf stabilisieren. Anders als mein NSU 1.200 C hat der Skoda 105 L eine behagliche Warmwasserheizung, der Kühler sitzt vorn im Fahrtwind. Auch wenn er tropft, kühlt er besser, als wenn er seitlich hinten säße.

Seilzug-Trommelbremsen im Trabant 601 L

Als ich den Skoda auf das Otto-Werksgelände in coolem Ostambiente lenke, treffe ich auf Rico Habeck und seinen 86er Trabant. Obwohl ich es schon seit ein paar Jahren besser weiß, konfrontiere ich ihn erst einmal mit den typischen Trabant-Vorurteilen: Für viele ist der Sachsenring-Zwerg aus dem alten Audi-Werk in Zwickau eine primitive, überalterte Fahrmaschine, die eng ist, laut obendrein, die übel riecht, weil sie Öl verbrennt und aus phenolharzgetränkter Baumwolle gebacken wurde.

Eine Karre, in der sich nur Masochisten vor das Lenkrad klemmen, um mit seltsamen Rauf-Runter-Rein-Raus- Bewegungen drei unsynchronisierte Gänge zu sortieren, bis es vor lauter Doppelkuppeln im Ölbad und Zwischengas im Klauengetriebe nur so kracht. Und die Seilzug-Trommelbremsen sind sowieso völlig überfordert. Nein, aufhören mit diesem Rufmord! Der Trabant bremst sogar per Zweikreis-Hydraulik. Rico erklärt jede Eigenheit, und er hat recht, wenn er sagt, dass der Trabant genial einfach ist statt primitiv, vor allem seine ausgereifte Spätlese aus erster Hand mit nur 46.000 Kilometern.

Natürlich hat der Trabant 601 L vier vollsynchronisierte Vorwärtsgänge, die jeder Anfänger wie beim R4 richtig reinbekommt. Der Trabi ist kein Rollermobil, auch wenn es gilt, "vor Fahrtantritt den Benzinhahn an der Armaturentafel zu öffnen". Seit der Umstellung auf Gleichlaufgelenke sind beim Lenken und Rangieren kaum Antriebseinflüsse spürbar. Rico fährt ein Gemisch von 1 : 40. Da raucht, wenn der Motor erst mal warm ist, gar nichts mehr. Der Trabant 601 L ist ein Muster an Raumökonomie. Sein Kofferraum ist vergleichsweise riesig – auch weil der 26-Liter-Tank im Motorraum wohnt.

Gegen die bequeme viersitzige Trabant-Lounge ist die Fiat-500-Kabine ein Vogelhäuschen. Die 13-Zoll-Räder des Trabant versinken nicht gleich in jedem Schlagloch, seine Einzelradaufhängung hinten statt eines starren Achsrohrs, wie bei Fronttrieblern üblich, sorgt für erstaunlich guten Fahrkomfort, die 12-Volt-Anlage stets für eine gut durchblutete Elektrik.

Wer sich beim Schalten geschickt anstellt, holt aus den 26 PS des drehschiebergesteuerten 600-Kubik-Twins ein Temperament, das einen Fiat 500 ebenso stehen lässt wie einen viertaktboxenden Glas Isar – der stets für einen Trabant gehalten wird. Wenn etwas am Trabant 601 L stört, dann sind es die nie ganz glatten Oberflächen der Baumwoll-Bäckerei und die derben Profilleisten. Sie sollen die Schraubkanten der Karosserieanbauteile verdecken, sehen aber aus wie riesige Spaltmaße.

Wartburg 353 W komfortabler als die Konkurrenz

Ich steige von Ricos Trabant in den Wartburg 353 W von Klaus Hornung um. Das W in der Typenbezeichnung steht für Weiterentwicklung, es klingt schönfärberisch, weil sich beim 353, anders als beim Heckmotor-Skoda, im Laufe der Jahrzehnte nicht so viel getan hat. W heißt Scheibenbremsen vorn mit Zweikreis-Hydraulik, W heißt auch Rundinstrumente und Sicherheitslenksäule, W kam 1975.

"Die älteren ohne W haben mehr Chrom und mehr Charme", gesteht Wartburg-Fan Klaus Hornung, der mit seinen 81er AWE 353 de Luxe in der Kultfarbe Biberbraun trotzdem ziemlich glücklich ist. Er mag den Dreizylinder-Zweitakter viel lieber als den zuletzt quer reingestellten VW-Viertakter im Wartburg. 1.3, weil er "da einfach reingehört und weil der Antrieb reizvoller ist als so ein gewöhnlicher brummiger Vierzylinder, auf dem auch Peugeot, Toyota oder Fiat stehen könnte".

Beim Beschleunigen, also unter Last, singt der Wartburg mit unnachahmlicher Stimme. Seine Melodie bezaubert, es ist ein heiserer, beschwingter Klang, anders als das rappelige Gepröttel des Trabant. Beim Gaswegnehmen läuft der Dreizylinder ein paar Sekunden lang arhythmisch, bis der nächste Gang sauber einrastet und die beschwingte Fahrt fortsetzt. Die Lenkradschaltung ist ein Gedicht, es macht Freude, damit umzugehen.

Überhaupt präsentiert sich die geräumige Wartburg-Limousine als ein sehr erfreuliches Auto. In den Fahreigenschaften ist sie dem von mir verzärtelten Skoda 105 L klar überlegen. Sie kennt keine Nickschwingungen, ihr Fahrkomfort ist dank langer Federwege und aufwendiger Schräglenkerachse eines Opel Senator würdig. Weil der kompakte Zweitaktmotor, der sich deutlich temperamentvoller anfühlt als der müde Skoda-Viertakter, nicht so schwer auf der Vorderachse liegt, untersteuert der Wartburg 353 W auch in schnell gefahrenen Kurven wenig. Seine Zahnstangenlenkung arbeitet direkt und lässt kaum Antriebseinflüsse spüren. Keine Frage, der Wartburg wäre es, ich wünschte ihn mir etwas liebevoller verarbeitet, so wie der Skoda, und nicht ganz so materialreduziert.

Wer über die antiquierten Ostlauben die Nase rümpft, sollte wissen, dass es billigen Kleinwagen im Westen auch nicht besser ging. Ente, Käfer, Mini und R4 wurden ebenso jahrzehntelang gebaut und mühsam auf dem Stand der Technik gehalten. Nur reiften sie dank vieler Fans von selbst zu Klassikern.

Skoda, Trabant und Wartburg für unter 4.000 Euro

Von allen drei Modellen kosten selbst gut gepflegte Exemplare meistens weniger als 4.000 Euro. Fahrzeuge, die sich nur in einem mäßigen Zustand befinden, sind meist schon für maximal 800 Euro zu haben. Natürlich gibt es auch hier Ausreißer, die die Ausnahme von der Regel darstellen. So tauchen beispielsweise ab und zu perfekt restaurierte Liebhaberstücke auf, die den gesetzten preislichen Rahmen sprengen und für über 7.000 Euro beim Händler stehen. Für alle potentiellen Käufer, die die Wagen aber einfach nur fahren wollen, reichen aber die ordentlichen Modelle aus den niedrigeren Preisklassen.

Fazit

Der Wartburg ist das beste der drei Ost-Autos. Er fährt sich trotz seines Dreizylinder-Zweitaktmotors kultiviert, komfortabel, ja fast modern. Aber – der Skoda liegt mir mehr. Es ist eine Herzenssache, vielleicht erinnert er mich so sehr an mein erstes Auto, einen NSU 1200 C.

Technische Daten
Wartburg 353 W
Außenmaße4220 x 1642 x 1495 mm
Hubraum / Motor992 cm³ / 3-Zylinder
Höchstgeschwindigkeit130 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 05 / 2024
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Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten