Gebrauchtwagencheck Renault Megane
Kann man einen Megane als Gebrauchten wagen?

Trotz mancher Talente war der Renault Mégane als Neuwagen oft Dauergast auf den letzten Plätzen im Vergleichstest. Schuld war damals die üble Bedienung oder auch die lieblose Abstimmung. Kann er als Gebrauchter mit anderen Qualitäten überzeugen?

Gebrauchtwagencheck Renault Megane 4
Foto: Sven Krieger

Es soll ja Leute geben, die wollen partout keinen VW Golf fahren. Oder sie mögen den französischen Stil, um das Klischee mit Baguette und Gauloises gleich zu Beginn abzuhaken. Dann ist der Renault Megane in seiner vierten, seit 2015 gebauten Auflage vielleicht das richtige Auto: Steht nicht an jeder Ecke, hat einen individuellen Look und ist zudem auch gebraucht deutlich günstiger als Deutschlands beliebtester Kompaktwagen. Bei den Neupreisen lag die Differenz meist in Regionen um 4.000 Euro, das setzt sich auf dem Second-Hand-Markt fort.

Das große Gebrauchtwagen-Spezial

Karosserie: Chic, aber nicht perfekt

Die erste Tuchfühlung mit dem Megane stellt dessen Charakter bereits ganz treffend dar. Elegant und geschwungen kommen seine Linien daher. Gerade beim hier gezeigten Grandtour, dessen 4,63 Meter Länge alles andere als klobig daherkommen, obwohl er damit genau der Länge der typischen Kompaktkombi-Konkurrenz entspricht. Das gilt bis auf ein paar verzeihliche Liter ebenso für das stattliche Laderaumvolumen von 521 Litern. Nur: Warum schaffen es gleichlange Mitbewerber, neben einem etwas größeren Kofferraum fast immer mehr Platz im Fond zu bieten? Ein clevereres Packaging hätte den Megane leicht auf das hohe Praxisniveau seiner Konkurrenten gebracht. Und unser Gemecker geht weiter: Alle Türen schließen mit einem dünnblechernen "Plonk" (keine Bange, das taten sie schon bei fabrikneuen Exemplaren). Wenn die Motorhaube sauber eingepasst ist und auf der Autobahn flatterfrei bleibt, kann das ein Indiz auf einen gut reparierten Unfallschaden sein – ab Werk war dies nämlich nicht immer der Fall. Unsouverän, aber harmlos: eingeschweißte schwarze Wattesäckchen, die in den vorderen Kotflügeln hinter den Radhausschalen als Dämmungsbeilage herumliegen und ab und an ins Freie lugen.

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Sven Krieger

Macht was her: Selbst ohne die hier gezeigte GT-Line besitzt der Megane einen edlen und eleganten Auftritt. Nur die Verarbeitung ist nicht immer brillant.

Innenraum: Komfort beruhigt die Nerven

Wer möchte schon so langweilige Dinge erledigen, wie den Radiosender einstellen oder ein Navi-Ziel eingeben, wenn er stattdessen angezeigt bekommen kann, wie gut die Innenraumluftqualität ist oder wie viele Blättchen man im Öko-Modus zusammengefahren hat? So oder so ähnlich könnten die Prioritäten bei der Infotainment-Entwicklung bei Renault festgelegt worden sein. Die zerstreute Bedienung reicht von "wenig hilfreich" zu "völlig hanebüchen". Mit viel Gewöhnung und dem einigermaßen frei konfigurierbaren Startbildschirm, auf dem sich Sinniges wie eine kleine Navikarte oder die Radioanzeige platzieren lässt, geht's dann irgendwann. Was hilft, ist der gute alte Renault-Bediensatellit hinter dem Lenkrad, der schon vor Jahrzehnten klug zur blinden Bedienbarkeit entwickelt wurde – ganz im Ernst! Ebenso verdrießlich stimmen die Bordcomputer-Funktionen, das stets teildigitale Kombiinstrument sowie deren Bedienung. Obwohl die hübsch gemachte Anzeige im Tacho unendliche Anzeigemöglichkeiten böte, werden als nutzbare Information nur zwei schmale Bordcomputerzeilen und eine zu vernachlässigende Anzahl an Randsymbolen durchgeschaltet. Die Anzeige selbst, ihre Schriftarten oder Farbthemen lassen sich dagegen ganz nach Geschmack anpassen. Unsinn!

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Sven Krieger

Feine Qualität, gute Materialien, zeitlose Optik: Das Cockpit des Megane macht vieles richtig, die Bedienbarkeit leider vieles falsch. Was tröstet, ist das angenehme Raumgefühl und der gute Komfort.

Die serienmäßige Lenkradbedienung ist keine große Hilfe. Die rechte Lenkradspeiche navigiert etwas unbeholfen durchs gerade erklärte Digital-Debakel, die linke ist gänzlich dem Tempomat gewidmet, und das, obwohl dieser zuerst mit einer Taste zwischen den Sitzen in Betrieb genommen werden muss. Andere schaffen es, auf zwei Lenkradspeichen nicht nur eine einwandfreie Bedienlogik, sondern ebenfalls die Audiobedienung unterzubringen.

Zum Glück gelingt es dem Megane, diese herbe Klatsche ein wenig abzupuffern, indem er seine Insassen im wahrsten Wortsinn besänftigt. Ein sehr luftiges Platzangebot (zumindest vorn), wunderbar komfortable Sitze (auch für große Menschen), eine saubere Verarbeitung und feine Materialien mit hübschen Oberflächen zeigen, dass der kompakte Renault sehr wohl talentiert sein kann. Noch besser: Diese Vorzüge bleiben selbst bei Gebrauchten erhalten, die bereits eine recht hohe Laufleistung auf dem mühsam erreichbaren Kilometerzähler haben.

Motoren: Große Vielfalt

Das Fotomodell, zur Verfügung gestellt vom Autohaus Brunkhorst in Zeven, ist einer davon. Erstmals zugelassen im September 2019, erste Hand, knapp 66.000 Kilometer auf dem Zähler und knapp 17.000 Euro auf dem Preisschild. Das passt, denn dieser Grandtour geht mit der GT Line auf Tour, also der sportlichsten Ausstattung, vom R.S. abgesehen. Dazu gehören verstellbare Stoßdämpfer und Extras wie Abstandsregeltempomat und automatisches Einparken. Nicht ganz ins Bild passt da nur der eher schmalbrüstige Diesel, ein 1.5 dCi. Das ist der legendäre K9-Motor, seit 2001 in Produktion und von Mercedes als OM 607 adaptiert. Mit zahnriemengetriebenen Nockenwellen und einem Wechselintervall von sechs Jahren oder 150.000 Kilometern. Er ist für die Leistungsstufen bis 115 PS zuständig; stärkere gibt es seit Sommer 2018 ohnehin nicht mehr.

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Sven Krieger

Der 1,5-Liter-Dieselmotor ist kein Leistungssportler, dafür aber zuverlässig, recht laufruhig und noch dazu sehr sparsam. Eine abgewandelte Version von ihm sitzt in kleinen Mercedes-Modellen.

Davor lag das Maximum bei 163 PS aus einem 1,6-Liter mit Registeraufladung, zu dem sich Renault-Experten allerdings nicht gerne äußern. Nur so viel: Für die beiden in Reihe geschalteten Lader in überholtem Zustand von namhaften Anbietern berechnen schon freie Werkstätten um die 2.500 Euro. Wesentlich häufiger als Diesel findet man die Plug-in-Hybride. Aufgrund ihrer Jugend – maximal drei Jahre – sind jedoch mindestens 20.000 Euro anzulegen. Probleme? Bisher keine bekannt.

Widmen wir uns also dem am stärksten verbreiteten Antrieb, dem Ottomotor. Bis Mitte 2018 diente der 1.2 TCe als Basis, der sich jedoch zugleich als jener mit dem größten Stresspotenzial herauskristallisiert hat. Beginnend mit der kurzlebigen Steuerkette, für die es jedoch im freien Handel mittlerweile verbesserten Ersatz mit 100.000 Kilometern oder fünf Jahren Garantie gibt. Außerdem neigen diese Aggregate zum Ruckeln, was entweder am Motorsteuergerät liegt – ein Update hilft – oder an verkokten Brennräumen und Einlassventilen. Fehlende Leistung bei kaltem Motor ist auf das gleiche Problem zurückzuführen. Renault empfiehlt in diesem Fall die Verwendung spezieller Brennraumreiniger.

Der auf den 1.2 folgende 1.3 TCe ist deutlich pflegeleichter, bei ihm gehört jedoch der Keilrippenriemen zu den Störquellen. Das ist ein sogenannter Elast-Riemen, der ohne Spannrollen auskommt, jedoch von murksenden Monteuren oft bereits bei der Montage beschädigt wird. Außerdem ist es nicht zulässig, ihn nach einer Demontage weiterzuverwenden. Werden solche Vorgaben nicht befolgt, steht man eben irgendwann mit weggeflogenem Riemen am Straßenrand. Was eventuell die miserablen Noten des Megane IV in der ADAC-Pannenstatistik erklärt.

Denn dort sind die Zahlen für das erste Baujahr 2016 tiefrot, um sich schließlich über Orange und Gelb auf Hellgrün 2020 hochzuarbeiten. Allerdings führt der Auto-Club als Hauptursache die Batterie an, die ohnehin bei allen Marken die Pannenursache Nummer eins stellt.

Renault Mégane R.S. Trophy
Renault - Angelika Emmerling

Die potenten R.S.-Modelle des Megane genießen nicht ohne Grund einen sehr guten Ruf unter ambitionierten Sportfahrern. Sie sind emotional, bärenstark und überzeugt dadurch auch Kritiker der zivilen Versionen.

Zurück zum 1.3: Auffällig werden bei ihm gelegentlich noch die hydraulischen Ventilstößel. Wenn’s geht, sollte die Probefahrt daher mit kaltem Motor beginnen. Legt sich anfängliches Klappern der Stößel nicht binnen weniger Sekunden, steht ihr Austausch an. Nächstgrößerer Benziner ist ein 1,6-Liter-Turbo, der nur von Ende 2017 bis August 2018 im Programm war, ausschließlich mit Automatik. Darüber folgt dann schon der 1,8-Liter-Turbo, der dem sportlichen R.S. vorbehalten ist, in unterschiedlichen Leistungsstufen von 280 bis 300 PS. Typische Probleme gibt es keine. Wer in den üblichen Internetforen auf welche stößt, sollte dabei stets im Auge behalten, dass sich bereits viele Bastelfinger an solchen Autos verewigt haben könnten.

Getriebe: Eine weiche Angelegenheit

Typischer für den Megane sind jedenfalls Probleme mit den Getrieben. Die von Hand geschalteten sind eigentlich relativ haltbar, wobei jedoch auch Schäden bereits nach 15.000 Kilometern dokumentiert sind. Die etwas labbrige Schalthebel-Führung ist serienmäßig, ebenso das laute Knacken beim Herausnehmen des Rückwärtsgangs. Mehr als die Hälfte aller Megane (inklusive Plug-in) schaltet jedoch selbsttätig. Zum Einsatz kommen Sechs- oder Siebengang-Doppelkuppler mit nassen, also im Ölbad laufenden Kupplungen.

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Sven Krieger

Das Schaltgetriebe dürfte sich gern so fein anfühlen, wie der Hebel aussieht. In Wahrheit ist das Ganze eine unpräzis-rührige Angelegenheit.

Wobei die Ausführung mit den sieben Gängen anfälliger ist und beim Anfahren mit unsensiblem Gasfuß zu Bocksprüngen neigt. Pfusch ab Werk sollten interne Serviceaktionen abstellen. So etwa falsches oder zu wenig Getriebeöl, was zu Vibrationen und knatternden Geräuschen aus dem Bereich der Vorderachse führt. Wichtig: Sollte so etwas heute noch auftreten, nicht nur Öl nachkippen, sondern einen vollständigen Wechsel mit Filter durchführen!

Fahrwerk: Komfortabel, aber mit Problemen

Noch ärgerlicher ist der zügige Verschleiß des Fahrwerks. So hielten die Koppelstangen des vorderen Stabilisators früher Megane IV keine 100.000 Kilometer; erst neuere Versionen sollen haltbarer sein. Auch die Silentlager des vorderen Dreieckslenkers geben zu oft vorschnell auf, dito die Spurstangenköpfe und Radführungsgelenke. Dass vieles am Megane von einem Dunst der Kosteneinsparung umweht wird, ist schade, denn das Know-how zur guten Fahrwerksentwicklung ist ganz offensichtlich vorhanden. Der Megane rollt leise ab, federt feinfühlig, bietet ein ausgesprochen hohes Komfortniveau und büßt umgekehrt nirgends an Handlichkeit oder Spurtreue ein. Er fährt sich sehr angenehm – sofern alle Fahrwerkskomponenten intakt sind.

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Sven Krieger

Die Abstimmung des Megane-Fahrwerks bietet eine gekonnte Verbindung aus Agiltät und Komfort. Fahrspaß gehört klar zu den Stärken des kompakten Franzosen.

Mängel: Die üblichen Kleinigkeiten

Weitere Serviceaktionen beschäftigten sich mit den üblichen Updates für das Multimedia-System und die Telematik-Funktionen. Nichts also, was nicht auch bei anderen Herstellern auftritt. Ärgerlicher sind da schon Renault-Dauerbaustellen. Wie zum Beispiel die Bremsanlage, die in den Publikationen der Überwachungsfirmen stets fette rote Mängelbalken generiert. Eine der Ursachen dafür ist das eingesparte Abschirmblech an der Innenseite der Bremsscheiben, weshalb diese Schmutz und Nässe ungeschützt ausgesetzt sind. Je nach ihrem Verfallsstadium kommt es zuerst zu schlechtem Tragbild der Beläge, später dann zu ungleichmäßiger und nachlassender Wirkung, wenn nur noch auf Rost gebremst wird. Auch ohne Premium-Anspruch dürfte der Auspuff – speziell der Endschalldämpfer – ebenfalls weniger rosten.

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Sven Krieger

Autor Dieckmann und Olaf Bruns vom Renault-Autohaus Brunkhorst nehmen den Vorderachsträger in Augenschein. Hier kann im schlimmsten Fall Rost lauern.

Kritischer: Prüfer legen mitunter schon bei der zweiten Hauptuntersuchung nach fünf Jahren ihr Veto wegen eines durchgerosteten vorderen Hilfsrahmens ein. Hier sind die Renault-Werkstätten gefordert, um diesen prophylaktisch mit Wachs- oder Fettspray zu konservieren. Wäre ja auch schade, wenn ausgerechnet der sonst solide Megane 4 das Klischee von der französischen Rostlaube wiederbeleben würde.

Preise: Günstig im Kauf, teuer in der Versicherung

Rund 2.600 Megane 4 verzeichnen die Gebrauchtbörsen, nicht mitgezählt Jahreswagen und Tageszulassungen. Der Kombi-Anteil liegt bei 47 Prozent. Auffallend häufig: Ein Drittel sind Plug-in-Hybride. Preislich geht es bei 5.000 Euro los, dann stehen aber 200.000 Kilometer auf dem Tacho. Autos mit der halben Laufleistung beginnen bei 10.000 Euro.

Billig ist nicht immer günstig. Denn die Anschaffung ist beim Auto nur die halbe Miete. Deshalb kommt hier gleich mal ein kleiner Dämpfer: Die Versicherungen strafen den Megane IV mit exorbitant hohen Typklassen ab, und zwar sowohl in der Haftpflicht als auch bei Teil- und Vollkasko.

Und wer nun meint, das betreffe ja nur die Rennsemmeln wie den R.S.: Nein, der Megane mit der höchsten Typklasse 21 in der Haftpflicht ist der bürgerliche 1.2 TCe mit 100 PS. Der R.S. ist in 20 eingestuft, ein vergleichbarer Golf R übrigens in 13. Wenn wir schon beim Rechnen sind: Beim Spritkonsum verdienen sich die Megane-Benziner ebenfalls keinen Sparsamkeitsorden, die Unterschiede sind hier allerdings nicht gravierend. Wer Wert auf geringen Durst legt, kommt nicht an einem Diesel vorbei. Die sind beim Megane indes gar nicht so häufig wie sonst bei den Franzosen vertreten. Ihr Anteil bei den Gebrauchten beträgt nur rund 18 Prozent.

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Fazit

Tja, warum eigentlich immer nur VW Golf? Der Megane 4 ist knackig gestylt, relativ preiswert zu haben und komfortabel. Zudem lassen sich die Schwachstellen – Rost am Motorträger – mit ein wenig Vorsorge in den Griff bekommen. Gegen ihn sprechen neben dem Platzangebot, dem hier und da ein paar Millimeter fehlen, vor allem die hohen Versicherungs-Typklassen und die Bedienung. Da sollte jeder genau schauen, wie viel ihm die Individualität des Megane wert ist.