Letzte Schwächen bei McLaren
Die Angst vor La Source

GP Ungarn 2023

Zum dritten Mal in Serie sahnte McLaren ab. Die B-Version des MCL60 zündete auch auf dem langsamen Hungaroring. Teamchef Andrea Stella versucht dennoch, die Euphorie zu bremsen. Noch habe das Auto eine große Schwäche, die in Spa-Francorchamps in drei Kurven besonders zum Tragen kommen werde.

Lando Norris - McLaren - GP Ungarn 2023 - Budapest - Formel 1
Foto: xpb

McLaren pausierte beim GP Ungarn mit neuen Teilen. Es hinderte den Traditionsrennstall aus Woking nicht daran, seinen Beutezug fortzusetzen. Zum zweiten Mal in Folge kam ein McLaren auf das Podest. Damit hat man nach Podiumsplätzen in dieser Saison mit Ferrari gleichgezogen. Zum dritten Mal punktete das Team zweistellig. Auf 12 Zähler in Österreich folgten 30 in England und nun 28 weitere in Ungarn. Mit einem Schlag hat McLaren Alpine überholt und distanziert. 40 Punkte trennen den WM-Fünften vom Sechsten.

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Die Upgrade-Pause war bewusst gewählt. In Spielberg und Silverstone hatte McLaren seinen MCL60 generalüberholt. Es zahlte sich aus. Die Rede im Fahrerlager ist von einem Zeitgewinn von sechs bis sieben Zehntelsekunden pro Runde. Damit katapultierte sich McLaren direkt an die Spitze der Verfolgergruppe von Klassenprimus Red Bull. In Budapest sollten Fahrer und Ingenieure erstmal das neue Paket auf einer Rennstrecke optimieren, die dem Papaya-Rennwagen auf dem Papier nicht liegt.

Lando Norris - McLaren - GP Ungarn 2023 - Budapest - Formel 1
Wilhelm
Lando Norris erreichte zum achten Mal in seiner Laufbahn das Formel-1-Podest.

McLarens Schwäche: 70-120 km/h

Und die Ingenieure bekommen mehr Zeit, die nächste Ausbaustufe zu verfeinern. Sie soll erst nach der Sommerpause ausgerollt werden. Stattdessen glich McLaren die beiden Autos an. In Budapest bestückte man auch das Auto von Oscar Piastri mit der neuen, leichteren Nase und dem veränderten Frontflügel. Der Plan ging voll auf. McLaren präsentierte sich auf dem viertlangsamsten Kurs der Saison in bestechender Form. Lando Norris sicherte sich den zweiten 2. Platz in Folge. Piastri wurde guter Fünfter.

Noch immer ist Teamchef Andrea Stella der Meister im Tiefstapeln und des vorsichtigen Optimismus‘: "Das nächste gute Ergebnis ermutigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir haben speziell in den mittelschnellen Kurven zugelegt. Das zeigt uns die GPS-Analyse im Vergleich mit den anderen Autos." In Highspeed-Passagen ist der McLaren ohnehin eine Rakete. Das demonstrierte das Auto in den Kurven vier und elf. Da staunte selbst Weltmeister Max Verstappen im schnellsten Rennwagen.

Eine Schwäche hat McLaren dem MCL60 allerdings noch nicht abtrainiert: In langsamen Kurven leiden die Piloten weiterhin. "Wir haben in Kurve eins, der Schikane und in Kurve zwölf Zeit verloren", schildert Stella. Deshalb warnt der Italiener auch, die McLaren vor dem kommenden Rennen auf der Highspeed-Bahn von Spa-Francorchamps hochzujubeln. "Dort gibt es wieder drei sehr langsame Kurven: La Source, Kurve acht und die Zielschikane", zählt Teamchef Stella auf. Die Fahrer monieren auch, dass der MCL60 weiter schwer zu fahren sei. Hier gilt aber das Motto: Priorität hat Rundenzeit. Erst dann wird sich um das Wohlbefinden der Fahrer im Auto gekümmert.

Dreimal zweiter Gang in Belgien

Sein Schützling Norris meinte bereits nach der Budapest-Qualifikation. "Mir graust es vor La Source. Da bin ich mal auf das Handling unseres Autos gespannt." Die erste Ecke von Spa-Francorchamps wird mit etwa 75 bis 80 km/h im zweiten Gang durchfahren. Kurve acht, genannt "Bruxelles", ist zwischen 105 und 110 km/h langsam. Die finale Bus-Stopp-Schikane nehmen Formel-1-Autos mit einer Geschwindigkeit zwischen 70 und 80 km/h. Genau vor solchen Zweite-Gang-Kurven fürchtet sich McLaren noch.

Der krasse Gegensatz sind die Highspeed-Passagen Eau Rouge, Pouhon und Blanchimont. Hier sollte McLaren glänzen. Aber: "Diese Kurven werden in der Qualifikation voll genommen. Da können wir unsere Vorteile nicht so ausspielen", glaubt Stella. Und trotzdem sollte Spa-Francorchamps den Papaya-Autos entgegenkommen. Zumal McLaren durch die neuen Teile die aerodynamische Effizienz steigerte. Kleines Fragezeichen: Wer findet bei der Abstimmung den Wohlfühlbereich? Eau Rouge wird die Ingenieure dazu zwingen, mit etwas mehr Bodenfreiheit zu fahren. Sonst setzen die Autos in der Senke zu stark auf.

Es wirkt ganz so, als hätte McLaren die Tücken dieser Groundeffect-Autos durchschaut. Als wissen die Ingenieure, wo man ansetzen müsse, um schneller zu werden. Und wie man vorne und hinten gleichermaßen Abtrieb gewinnt. In dieser Beziehung tun sich Mercedes und Ferrari schwer. Aston Martin ist im Upgrade-Rennen der Formel 1 ohnehin zurückgefallen – so wenigstens der Eindruck.

Oscar Piastri - McLaren - GP Ungarn 2023 - Budapest - Formel 1
xpb
Oscar Piastri geriet durch den späteren ersten Boxenstopp ins Hintertreffen. Es war keine Absicht im Spiel.

Stella erklärt die Strategie

Nach dem für McLaren erfolgreichen GP Ungarn musste auch über die Rennstrategie gesprochen werden. Schließlich kam Norris erst durch einen früheren ersten Boxenhalt am Teamkollegen vorbei. Teamchef Stella schildert, wieso man Norris unfreiwillig bevorzugt habe: "Es ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass man zuerst den Fahrer reinholt, der einem Risiko ausgesetzt ist. Das war in diesem Fall Lando, nachdem Lewis eine Runde zuvor zum Boxenstopp kam." Es drohte ein Undercut.

Der Mercedes-Pilot hatte sich in Runde 16 frische harte Reifen abgeholt. Norris folgte einen Umlauf später, hielt sich locker vor Hamilton und brannte dann eine sagenhafte Outlap in den Asphalt von 1:40.528 Minuten. "Das hat ihn dann vor Oscar gebracht." Der Australier fragte nach dem Platzverlust zögerlich bei seinem Renningenieur an, wie er sich nun verhalten solle.

Die Antwort lautete: Reifenschonen, und nicht angreifen. "Das Team steht an erster Stelle. Wir müssen erstmal das Ergebnis maximieren. Dann kümmern wir uns um die Bedürfnisse der Fahrer", schildert Stella. In diesem Fall hieß das: "Wir wollten uns nicht in interne Zweikämpfe verstricken."

Piastri beschädigt Unterboden

Das Problem erledigte sich von selbst. Norris war auf den harten Reifen der schnellere Fahrer und löste sich von seinem Hintermann. Das hatte auch damit zu tun, dass sich Piastri auf einem Randstein den Unterboden kaputt fuhr und mehrere Zehntel pro Runde verlor. "Wir haben an den Drucksensoren am Unterboden gesehen, dass sich der Luftstrom veränderte. Auf den Pushrods hinten haben wir weniger Kräfte gemessen." Das heißt: Abtriebsverlust. Piastri musste sich in der Folge noch Sergio Perez und Lewis Hamilton geschlagen geben.

Ohnehin fühlte sich McLaren auf der harten Mischung nicht ganz so wohl. "Sie bauen schnell ab, wenn sie zu heiß werden und das Auto in der Folge zu viel herumrutscht." Im letzten Stint wechselte man daher auf die Mediums zurück. Darauf hielt Norris erfolgreich den Red Bull und Mercedes auf Abstand.

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