VW ID. 7 Pro im Test
Wie gut ist das ID-Flaggschiff?

Das mit den großen Limousinen wollte VW nie so richtig gelingen, und bei der Elektromobilität war anfangs auch der Wurm drin. Jetzt kommt beides auf einmal: die Fünf-Meter-Limo unter Strom. Ob es so aufwärtsgeht? Wir haben den Limo-Stromer unter die Lupe genommen.

VW ID.7
Foto: Hans-Dieter Seufert, Paul Englert

Wenn Autohersteller uns Monate vor Marktstart des Serienmodells ans Lenkrad eines Prototyps lassen, dann passt da in der Regel fast alles, was man uns so zeigen will. Gut, vielleicht sitzt noch nicht jedes Spaltmaß, fehlt die finale Türvertäfelung. Essenzielle Dinge aber wie Lenkung, Fahrwerk und Antrieb sind meist schon an dem Punkt, wo wir sagen: Kann man so lassen – auch wenn uns die Entwickler gern erzählen, dass sie da und dort noch mal ranmüssten.

Der große E-Ratgeber

So war’s auch nach der ersten ID.7-Prototypen-Fahrt meines Kollegen Jens Dralle Anfang 2023. Sieben Monate später durfte Carl Nowak das fertige Auto ausgiebig ausprobieren, und nun steht sie bei uns in Stuttgart, die knapp fünf Meter lange Mittelklasse-Fließheck-Limousine, zwischen deren Achsen sich ein rund 500 kg schwerer Verbund aus Batteriezellen mit 77-kWh-Nettospeicher auf drei Metern Radstand ausbreiten darf.

Das dürfen auch die Passagiere im Fond, denen neben einem üppig dimensionierten Kopf-Beine-Fuß-Raum sehr bequeme, leicht konturierte Außensitze geboten werden, in denen es sich ganz stattlich reisen lässt. Und es ginge noch stattlicher, fiele der Abstand zwischen Bank und Boden größer aus, würden durchschnittlich große Personen nicht mit angewinkelten Beinen sitzen müssen.

Interieur: Eingebettet und massiert

Oberklasseverdächtig gut dagegen ist der Komfort in der ersten Reihe, mit kühl- und beheizbarer, vielfach einstellbarer ErgoActive-Bestuhlung, die einen regelrecht einbettet – auch wenn die Kopfstützen nur in der Höhe einstellbar sind. Dazu wird auf Knopfdruck massiert, konzentrieren sich die Luftausströmer mittels Sitzbelegungssensorik gezielt auf den Fahrer, wenn der alleine reist. Aber Achtung, im Eco-Modus ist die Heizleistung stark reduziert, bekommt man kalte Finger. Apropos: Dass für die Wärmepumpe 999 Euro verlangt werden, ist bei einem Auto dieser Preisklasse fast schon frech.

Oberklassige-Massagesitze mit LED-Touchscreen und beleuchteten Touch-Slidern für Temperatur und Lautstärke sorgen für Luxusfeeling im Mittelklassewagen.

Neben dem umfangreichen Rücken-Beine-Po-Programm gehören auch kunstbelederte, geschäumte und mit Klavierlack versehene Oberflächen oder die farbenfrohe Ambientebeleuchtung zum Standard – wenn Sie eines der ziemlich teuren Interieurpakete gebucht haben. Dass tiefer liegende Ablagen, Fächer und Fußräume dagegen mit strapazierfähigerem Hartplastik ausgekleidet sind, geht in Ordnung. Aber dass dieser billig wirkende Kunststoff im Anfassbereich der Türverkleidung zu finden ist, müsste nicht sein.

Zumindest im Kofferraum (532–1.586 Liter) wurde nicht an Teppich gespart, gibt’s ein Souterrain unterm geteilt hochklappbaren Ladeboden und ein kleines Kellergeschoss für Kabelage und Subwoofer darunter. Damit ist auch die Frage nach dem Frunk geklärt – den gibt’s nicht. Dafür per Fernentriegelung zweiteilig umklappbare Fondlehnen inklusive Durchladefunktion.

Dass der Belegungssensor im Fahrersitz sämtliche Systeme herunterfährt, sobald man den Hintern hebt (zum Beispiel, wenn man sich beim Parkticket-Angeln aus dem Fenster lehnt), ist manchmal nervig. Andererseits fahren die Prozessoren schnell wieder hoch, läuft die Software (Stand 4.0) während des gesamten Tests (rund 2.000 km) fehlerfrei, reagiert der 15-Zoll-Touchscreen (Hardware H50, Software 7046) stets schnell, gibt’s an der Rechenleistung des Multimedia-Systems (Hardware H09, Software 3343) nichts zu meckern. Die Planung der Strecke Stuttgart–Barcelona inklusive Ladestopps zum Beispiel dauert nur wenige Sekunden. Und die gelegentlichen GPS-Aussetzer (über den Bordnavigator und via Google Maps/Apple CarPlay) kriegen die Software-Ingenieure bestimmt auch noch geregelt.

Gar nicht mal so praktisch: Die Lenkradtasten, die schon mal, während des Rangierens, mit dem Handballen aktiviert werden.

Für tiefgreifendere Dinge wie ein Lenkrad mit richtigen Tasten (ups, beim Rangieren schon wieder die Lenkradheizung mit dem Handballen aktiviert) oder vier Fensterheber statt der ID-typischen Doppelbelegung allerdings braucht’s wohl erst ein Facelift. Immerhin sind die Slider für Temperatur sowie Lautstärke am unteren Bildschirmrand nun endlich beleuchtet und die meisten Funktionsflächen auf dem Touchscreen ausreichend groß dimensioniert. Konfigurierbare Schnellzugriff-Ebenen erleichtern die Bedienung im Alltag ebenfalls. Dennoch ist die Fülle an Einstellmöglichkeiten mittlerweile so immens, dass man sich, wäre da nicht der "Home"-Knopf, in den Tiefen der Submenüs verlöre.

Wesentlich simpler ist die Handhabung des kleinen Instrumentendisplays, weil es hier gar nichts zu konfigurieren gibt, die spärliche Anzeigevarianz sich auf das Head-up-Display (Standard) beschränkt, das Straßenränder, vorausfahrende Fahrzeuge und nahende navigationsbasierte Fahrmanöver mit allerlei Linien visualisiert. Klingt nach Klimbim, kann aber hilfreich sein.

Der Touchscreen reagiert zackig, der Chip dahinter rechnet Routen und nötige Ladestopps schnell aus.

Auch an die Startprozedur gewöhnt man sich schnell. Sie erinnern sich an die Sitzbelegungssensorik? Also, einfach reinsetzen, Gurt anlegen und im Handumdrehen – das ist hier sogar wortwörtlich gemeint – per Fahrregler hinterm Lenkrad auf "D" zappen. Drehen Sie ein weiteres Mal, sind Sie im B-Modus, sodass besonders stark rekuperierend verzögert wird, sobald Sie vom Fahrpedal gehen. Allerdings nicht bis zum Stillstand. Gefühlt widerstandsfrei segeln kann der ID.7 ebenfalls, und das ist ein Grund für den niedrigen Eco-Verbrauch von 19,6 kWh pro 100 km. Recht hohe 28 kWh sind es im Mittel über alle Verbrauchsfahrten hinweg – ermittelt bei rund fünf Grad Lufttemperatur. Und die Reichweite? Mindestens 300 Kilometer, im besten Fall sogar fast 430.

Fahren: Agil und oberklassig

Tritt man das Fahrpedal spontan voll durch, setzt die Kraft nicht zu plötzlich ein, sondern leicht abgesoftet, ohne Nackenschlag, für den man erst in den Sportmodus wechseln muss. So was braucht man aber eigentlich gar nicht, denn auch in "Comfort" schickt die neue PSM-Maschine (Typ APP 550) bis zu 545 Nm Drehmoment auf die Antriebswellen. Dann drückt’s die fast 2,2 Tonnen schwere Limousine in 6,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100, gelingt der Zwischensprint von 80 auf 120 km/h in nur 4,2 Sekunden.

Ähnlich spektakulär: Die Verzögerung von 100 auf 0 in rund 33,5 Metern bei kalter und warmer Bremsanlage, hinten mit Trommeln. Die seien leichter, wartungs- sowie widerstandsärmer, emittierten weniger Feinstaub, argumentiert VW. Argumente für das Bremspedalgefühl mit diffusem, von Kollegen auch als matschig beschriebenem Druckpunkt allerdings dürfte es keine geben.

Wo wir gerade auf der Teststrecke sind, wedeln wir doch gleich noch durch den Slalom und die Ausweichgasse. Der Siebener unter den ID bleibt sehr stabil und leicht beherrschbar, profitiert vom auf Neutralität ausgelegten Fahrwerk.

Elementarer Bestandteil dieses Sicherheitsgefühls ist auch die aus der Mittellage direkt, jedoch nicht hektisch ansprechende Lenkung. Zusammen mit der Vorderachskonstruktion macht sie einen Wendekreis von nur 10,6 Metern möglich. So kommt bei Landstraßenpartien tatsächlich etwas Fahrspaß auf – auch weil die Fünflenker-Hinterachse sich gern mal sachte eindreht, also mitlenkt, Agilität ins Fahrerlebnis bringt. Das wird ansonsten von sensationellem, beinahe oberklassigem Federungskomfort geprägt, unterstützt von 19 Zoll großen Winterreifen. Warum? Weil das adaptiv dämpfende DCC-Fahrwerk (3.410 Euro teuer, weil im Paket "Exterieur Plus" versteckt) souverän anfedert, selbst grobe Unebenheiten lässig filtert, Sie kaum Chancen haben, den Aufbau wirklich aus der Ruhe zu bringen.

 Die 2,2 Tonnen schwere Limousine beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 6,6 Sekunden.

Manchmal schwingt das Heck ein wenig nach, taucht das kurvenäußere Hinterrad bei flotter Kurven-Gangart auf Bodenwellen etwas ein, werden Sie aber nie das Gefühl haben, Sie hätten es nicht in der Hand.

Wer mag, kann in den dämpferstraffenden, nicht unangenehm harten Sportmodus klicken, wobei vor allem die Vertikalbewegungen reduziert werden, oder im Individual-Programm die Dämpfer-Einheiten in 15 Stufen justieren. Abgerundet wird der formidable Fahrkomfort von einer sehr guten Dämmung gegen Wind- und Abrollgeräusche, sodass selbst schnelle Autobahnfahrten zumindest für die Ohren nicht im wahren Wortsinn berauschend sind. Dass die Vorderachse bei konstanter Geradeausfahrt minimal wandert, geht auf die Kappe der Winterreifen. Dass es bei Karosserieverwindungen oder auf Fahrbahnfugen im Armaturenträger knarzt, liegt dagegen wohl an Nachlässigkeit bei der Montage.

Kaum nachlässig arbeiten der Lenkassistent, der den VW ID.7 zuverlässig zwischen den Fahrbahnlinien zentriert und auch bei engeren Kurvenradien nicht aussteigt, und der Spurwechsel-assistent, der selbst auf gut gefüllter Autobahn noch eine Lücke findet, um sicher nach rechts zu ziehen.

Dann wird’s dunkel, knipsen sich die Scheinwerfer von selbst an, machen die Nacht zum Tag, formieren sich die automatisch aufblendenden Lichtkegel perfekt um andere Verkehrsteilnehmer herum. Eingeschränkt wird die Sicht nur durch den Umstand, dass die Wischwasserdüsen nicht genügend Flüssigkeit in die Mitte der Scheibe spritzen, sodass dort gerade im Winter stets Salzreste zurückbleiben. Wir würden wetten, das war auch schon so, als der VW ID.7 noch als Prototyp umherkurvte.

Laden: Erst wow, dann etwas mau

Zehn Minuten lang liefert der ID.7 am DC-Lader richtig ab – trotz nur einem Grad Außentemperatur. Dann aber fällt die Ladeleistung stark. Sind die Batteriezellen optimal vortemperiert (manuell oder per Eingabe der Ladestation ins Navi), verspricht VW bis zu 175 kW Ladeleistung. Im Test übertrifft der ID.7 diesen Wert, und nicht bloß für kurze Zeit. Dann aber lässt die Power rapide nach, ist so bis 80 Prozent sogar einen Tick langsamer als ein von uns bei 21,5 Grad Außentemperatur gemessener ID.5 mit gleicher Akkukapazität, jedoch anderen Zellen, die maximal 135 kW DC-Ladeleistung zulassen.

9 Minuten steht der ID.7 im besten Fall am Schnelllader, um Strom für 100 km Reichweite zu tanken, weitere 16 Minuten für insgesamt 200 km.

An der AC-Wallbox sind 11 kW möglich. Praktisch für alle Hausbesitzer mit entsprechender PV-, Wallbox- und Stromspeicher-Infrastruktur: die bidirektionale Ladefunktion (gilt für alle ID-Modelle mit 77-kWh-Akku). So kann selbst produzierter Strom im Auto gespeichert und bei Bedarf wieder ins Hausnetz eingespeist werden, wobei das Fahrzeug nie unter 20 Prozent SOC entlädt.

Vor- und Nachteile
Karosserie
Massig Platz, variabler Kofferraum, funktionales Interieur – und bis zu einer Tonnen darf der ID.7 auch noch ziehen.
Qualitativ ist aber hier und da noch Luft nach oben
Sicherheit
Kurze Bremswege, hohe Fahrstabilität, glänzende Lichtqualität
Verkehrszeichen werden jedoch nicht zuverlässig erkannt, das Bremspedal wirkt im Alltag etwas weich
Komfort
Komfort ist die Stärke des ID.7 dank Adaptivdämpfern, toller Geräuschdämmung und schlauer Klimaanlage. Zuverlässige Sprachbedienung, hochauflösender Screen
Antrieb
Vorteil E-Antrieb: Er läuft meist still und heimlich, hat aber eine sehr hohe Kraft-Elastizität. Akzeptable Reichweite, aber ...
... kaum Rekuperationsvarianz
Fahrverhalten
Feine Lenkung, narrensichere Straßenlage, Wendekreis auf Kleinstwagenniveau. Und etwas Fahrspaß bereitet der ID.7 als Hecktriebler auch noch
Umwelt
Ölwechsel? Kennen E-Autos nicht, ...
... dafür aber Reifenverschleiß, weil Gewicht und Drehmoment hoch sind
Kosten
Ein Schnäppchen ist der ID.7 nicht, und bei der Serienausstattung ist noch Luft nach oben (Wärmepumpe kostet extra). Nur zwei Jahre Garantie.

Fazit

642 von 1000 Punkte

Dass der ID.7 ordentlich fährt, haben wir nicht bezweifelt – allein weil er eine Limousine ist und Lenkung, Fahrwerk sowie Antrieb zu den VW-Kernkompetenzen gehören. Darüber hinaus aber ist er ein richtig gutes E-Auto, mit allen Funktionen, die es dafür braucht. Und: mit stabiler Software.

Technische Daten
VW ID.7 Pro
Grundpreis53.995 €
Außenmaße4961 x 1862 x 1536 mm
Kofferraumvolumen532 bis 1586 l
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
0-100 km/h6,6 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Testverbrauch28,0 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten