Dynamische Stromtarife für E-Autos
Flexibel Laden und bis zu 1.000 Euro sparen

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Mittels dynamischer Stromtarife sollen E-Auto-Fahrer beim Wallboxladen pro Jahr bis zu 1.000 Euro sparen, indem sie flexibler laden. Wir erklären die Hintergründe am Beispiel des Stromtarifs Eyond von The Mobility House.

Tesla Gen 3 Wall Connector Ladepunkt Wallbox
Foto: Tesla

Zu Hause lädt es sich immer noch am günstigsten, das ist gelernt. Doch auch als Heimlader lohnt es sich, bei den Tarifen zwei Mal hinzuschauen. Aktuell entern nämlich viele Anbieter den Markt, die sich von altbekannten Preismodellen lossagen und damit mehr Spielraum einräumen, was den Preis betrifft. Die Rede ist von dynamischen Stromtarifen. Um zu klären, wie diese Tarife funktionieren und wie man mit ihnen Geld sparen kann, noch mal kurz für den Hinterkopf die Abgrenzung zu anderen Modellen.

Unsere Highlights

Welche Stromtarif-Modelle gibt es?

Das in Deutschland meistverbreitete ist der Fixpreistarif mit einem verbindlichen Kilowattstunden-Preis und den üblichen monatlichen Abschlagszahlungen.

Dann gibt es noch die variablen Tarife mit Niedertarif- und Hochtarifphase, bei der nachts der Preis viel günstiger ist als tagsüber. Hier vereint der Anbieter demnach zwei Fixpreistarife in einem. Auch diese Tarife eignen sich theoretisch für E-Auto-Fahrer, denn das Auto nachts an die Wallbox zu hängen, liegt selbstverständlich nahe. Der Nachteil: Man macht sich unflexibler, weil man auf die Nachtladungen angewiesen ist.

Als dynamisch kann man Strompreise erst dann bezeichnen, wenn sie nicht nur als monatlich gemittelter Durchschnittswert an die Kunden weitergegeben werden, sondern wenn in jeder Stunde eines Tages nur das abgerechnet wird, was der Strom zu diesem Zeitpunkt tatsächlich an der Strombörse kostet.

Wie viel lässt sich mit dynamischen Stromtarifen sparen?

Rechenbeispiel

Stromtarif Eyond

Fahrleistung/Jahr

15.000 km

30.000 km

Verbrauch/100 km

18 kWh

18 kWh

Heimladeanteil

90 Prozent

90 Prozent

Ersparnis Smartes Laden

243 Euro

486 Euro

Reduzierte Netzentgelte

166,93 Euro

166,93 Euro

Ersparnis Vergleich zum Grundversorger

366,07 Euro

496,85 Euro

Ersparnis gesamt

776 Euro

1149,78 Euro

Die Tabelle zeigt die Berechnung für einen Vier-Personen-Haushalt im Stuttgarter Speckgürtel mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4250 kWh.

Wer sein Auto nur lädt, wenn der Strom gerade billig ist, kann gegenüber einem regulären Stromtarif insoweit über 20 Prozent sparen. Technisch könnte man bei einigen Anbietern sogar zum Nulltarif laden oder gar Geld verdienen, wenn die Strompreise an der Europäischen Strombörse EEX wieder einmal kurzfristig negativ sind. Das Gute: Der Strompreis ist meist dann günstig, wenn sich viele Erneuerbare im Strommix befinden. Also tut man sogar noch was fürs Klima.

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Was ist bidirektionales Laden?

Im Unterschied zum unidirektionalen Laden fließt die Energie beim bidirektionalen Laden nicht nur in eine Richtung, also nicht nur von der Steckdose oder der Wallbox ins Auto. Stattdessen kann sie beim bidirektionalen Laden in zwei Richtungen gelenkt werden. Das heißt, ein Akku kann über dieselbe Verbindung, über die er mit Strom versorgt wird, auch andere Geräte mit Strom versorgen.

Im Grunde ist die Technik des bidirektionalen Ladens damit nicht weniger als eine Revolution in Sachen Energieversorgung. Denn beim E-Auto galt – übrigens genau wie beim Verbrenner auch: Ist die Energie in Form von Strom oder Kraftstoff einmal dem Fahrzeug zugeführt, kann sie nur noch für einen Zweck genutzt werden, das Fahren. Klar konnte man mit einem Schlauch einer großen Lunge und ein wenig Fingerspitzengefühl aus einem Benzintank wieder ein paar Liter Sprit abzapfen, diese Form der Umnutzung ist aber in etwa so innovativ wie das Handy oder den Laptop über die USB-Anschlüsse im Auto zu laden. Das eigentliche Potential des Tanks und der Batterie bleibt ungenutzt.

Durch bidirektionales Laden wird erstmals ein standardisiertes Verfahren angewendet, bei dem das Auto einen weiteren, ganz eigenen Nutzen zukommt, dass nichts mehr mit dem Thema Mobilität zu tun hat.

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Wie funktioniert bidirektionales Laden?

Im Grunde passiert beim bidirektionalen Laden dasselbe wie beim Laden des Autos. Strom fließt von einer Energiequelle zu einem Verbraucher. Während beim unidirektionalen Laden des E-Autos allerdings immer das Elektroauto der Verbraucher ist, kann es beim Bidirektionalen Laden auch als Energiequelle genutzt werden. Dafür muss es entweder direkt mit einem Verbraucher verbunden sein, indem beispielsweise wie bei Kia oder Hyundai bei Fahrzeugen wie dem EV6 oder dem Ioniq 5 ein Adapter die Ladedose der Fahrzeuge zu einem Schuko-Stecker macht, der dann einzelne Verbraucher wie eine Elektrokettensäge, eine Kaffeemaschine oder auch die Beleuchtung fürs Gartenfest mit Energie versorgt.

Durch bidirektionales Laden können Fahrzeuge aber auch bereits vorhandene Stromnetze, wie beispielsweise das Netz eines Hauses, samt Verbrauchern wie Kühlschränke oder WLAN-Router mit Strom versorgen. Dann wird der Strom vom Fahrzeug über den Verteilerkasten eingespeist, sodass, ähnlich wie es die Besitzer einer Solaranlage kennen, nur wenig oder sogar gar kein Strom aus dem Verteilnetz der Energieversorger nötig und das Haus autark mit Strom versorgt ist.

Bestenfalls wird alles zentral gesteuert

Die dritte und derzeit noch futuristischste Variante des bidirektionalen Ladens ist die Anbindung und Steuerung der Stromabgabe direkt durch das Verteilnetz. Das heißt, der Strom wird nicht nur direkt im Haus verbraucht, sondern das Auto beziehungsweise der Akku und seine Energieabgabe werden so gesteuert, wie das Gaskraftwerk im Nachbarort. Gerade bei diesem Vergleich wird aber schnell klar, dass ein einzelnes Auto im Vergleich zu einem großen Kraftwerk nur wenig für die Energieversorgung mehrerer Haushalte oder gar industrieller Anlagen beitragen kann. Deshalb arbeiten Forscher an Projekten, die mehrere Autos zu einer Art virtuellem Kraftwerk zusammenfassen. Das könnten Netzbetreiber dann entsprechend steuern. Einfaches Beispiel: Fahrzeuge aus einer Straße, in der viele Elektroautos an der Wallbox hängen könnten die Häuser einer anderen Straße mit Strom speisen, über der gerade Wolken Schatten auf die Solardächer werfen.

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Wofür ist bidirektionalen Laden gut?

Von vielen Experten wird die Technik als der Wegbereiter für die Energiewende gehandelt. Denn das Problem vieler Prozesse der CO2-freien Energieproduktion ist, dass sie unstet sind. Soll heißen, die Menge der produzierten Energie verändert sich ständig und vielleicht viel problematischer: Die Spitzen der Energieproduktion passen oft nicht zu den Spitzen auf der Nachfrageseite, also den Bedarf von Bürgern und Unternehmen.

Bidirektionales Laden ermöglicht die Zwischenpeicherung überschüssigen Stroms, den beispielsweise Solarkraftwerke mittags liefern, um ihn abends, wenn alle das Licht anschalten, weil die Sonne nicht mehr scheint, zu verbrauchen.

Diese Technik ist an sich nichts neues, denn bereits heute, gibt es Solaranlagen mit Heimspeichern, die es den Hausbewohnern ermöglichen, den geernteten Sonnenstrom des Tages am Abend und in der Nacht zu nutzen.

In diesem Szenario stellt ein Auto-Akku schlicht eine (beträchtliche) Vergrößerung der Kapazität des Heimspeichers dar. In genau dieser Kapazitätsvergrößerung liegt auch der Vorteil der E-Auto-Akkus. Denn übliche Heimspeicher-Akkus kommen in der Regel auf Kapazitäten von 10 kWh. Selbst moderne Elektro-Kleinwagen liefern aber schon etwa 45 kWh, große Limousinen und SUV teils sogar über 100 kWh.

Große Auto-Akkus sind besser fürs Stromnetz

Diese Größe hat gleich mehrere Vorteile für die Verwendung als Zwischenspeicher. Zum einen wird der Speicher nicht nur für einen einzigen Zweck genutzt, das heißt seine Amortisation und die aufgewendeten Ressourcen rechnen sich schneller. Zum anderen liefert der große Akku viel Potential zur Aufnahme von überschüssiger Energie. Er kann also nicht Strom speichern, der in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs entsteht, etwa in der Solaranlage auf dem Dach des Carports, sondern auch den Strom von Windparks, die weiter entfernt sind.

Auf diesem Weg und verbunden mit einem vernetzen und intelligent gesteuerten Stromnetz können die Auto-Akkus nicht nur Energiequelle genutzt werden. Denn selbst wenn nur ein kleiner Teil der verfügbaren Akkukapazität des Autos dem Netzbetreiber zur Verfügung gestellt wird, bietet das einen enormen Mehrwert. Dort kann er dann überschlüssige Energie dezentral speichern und wieder abrufen, wenn ein Engpass droht. Im Grunde macht der Energieversorger damit dasselbe wie oben mit dem Tag- und Nachtstromtarif beschrieben – nur eben in einem größeren Maßstab.

Bald übersteigt die Kapazität der Autos die der Windparks

Damit sich das lohnt, sind aber viele 100 oder sogar mehrere 1.000 Elektroautos nötig. Dadurch steigt das gesamte Potential des virtuellen Kraftwerks, auch längere Phasen der Stromknappheit im Netz zu überbrücken. Zum anderen sinkt durch die Vielzahl die potenzielle Belastung für das einzelne Fahrzeug. So kann es ausreichen, wenn der Netzbetreiber nur auf 10 Prozent des Akkus zugreift. Denn selbst wenn beispielsweise nur 10 Prozent des Akkus eines einzelnen Corsa-e mit 46 kWh bereit stehen, entspricht das bei allen Corsa-e, die in den ersten 9 Monaten 2022 allein in Deutschland neu zugelassen wurden (9.654 Einheiten) einer Kapazität von 44,4 Megawattstunden. Damit würden allein diese Opel Corsa-E mehr als 10 Prozent der Energie bereitstellen können, die die beiden größten deutschen Offshore-Windpark Global Tech 1 und BARD Offshore 1 jeweils in einer Stunde liefern, wenn sie zu ihrer Hochform auflaufen. Entsprechend groß ist das Potential, wenn künftig alle Elektroautos fit gemacht werden, bidirektionales Laden zu unterstützen.

Denn auch für die so genannten netzdienlichen Funktionen können E-Autos genutzt werden. Dabei handelt es sich um Stabilisierungsfunktionen, die verhindern das Stromnetz aus seinem genormten 50 Hertz-Takt kommt. Bislang übernehmen große Stromversorger diese Aufgabe. Durch eine Vernetzung mehrer 100 oder gar 1000er Auto-Akkus könnte diese Funktion mittelfristig aber auch über Fahrzeuge (mit-)geleistet werden, die bidirektional Laden können.

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Was bringt bidirektionales Laden dem Autofahrer?

Neben der Möglichkeit der Erweiterung des eigenen Heimspeicher, der etwa an der Solaranlage hängt, gibt es im Wesentlichen zwei Anwendungen, die bidirektionales Laden auch für Autofahrer attraktiv machen, die keine eigene Energie produzieren.

Zum einen sind das die schwankenden Strompreise. Denn während die meisten Anbieter beim Preis nicht unterscheiden, wann der Strom verbraucht wird, ist es in vielen anderen Ländern längst üblich den Strom günstiger an die Kunden weiterzugeben, wenn er an der Strombörse günstig zur Verfügung steht – und teuer, wenn er eben teuer eingekauft werden muss. In Deutschland kennt man dieses Prinzip von den so genannten Nachtstromtarifen, die etwa Stromkunden mit Nachtspeicheröfen nutzen. Mit solchen Tarifen wird der Strom nachts in einer definierten Zeitspanne günstiger angeboten, wenn das Stromnetz viel überschüssige Energie bereithält, als tagsüber, wenn der Gesamtstrombedarf höher ist. Günstigere Tarife nutzen aber auch Wärmepumpen, deren Betrieb zwar eine bestimmte tägliche Dauer erforderlich ist, bei denen der Zeitpunkt aber eine untergeordnete Rolle spielt.

Strompreisunterschiede zwischen Tag und Nacht wachsen

Genau dieser Logik entsprechend lässt sich mit dem bidirektionalen Laden nachts billiger, überschüssiger Strom (beispielsweise aus Windparks) im Auto puffern und morgens, wenn der Gesamtstrombedarf im Netz und entsprechend die Preise höher sind, fürs Kaffeekochen, Duschen oder Heizen genutzt werden. Das mag marginal klingen, aktuell unterscheiden sich die Strompreise zwischen Tag- und Nachstrom in Deutschland aber zwischen 10 und 20 Prozent. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird dieser Unterschied vermutlich noch weiter steigen. Denn je mehr unstetige Energieproduktion das Netz speist, umso abhängiger sind die Netzbetreiber und Energieversorger davon, die Bedarfe zu steuern – und das erledigen Sie in der Regel über den Preis.

Theoretisch geht es aber sogar noch weiter. So könnten E-Autobesitzer durch bidirektionales Laden nicht nur sparen, sondern auch Geld verdienen. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass man in Zukunft komplett kostenlos E-Auto fahren wird, da der Fahrstrom der meisten Autofahrer nur ein Bruchteil dessen darstellt, den das gesamte Stromnetz in Deutschland jeden Tag benötigt. Und wie lässt sich daraus nun Kapital schlagen? Indem die Autobesitzer für die Bereitstellung ihrer Akkukapazitäten von den Netzbetreibern entlohnt werden. Genauso wie die Netzbetreiber derzeit die großen Energieproduzenten für diese Tätigkeiten entlohnen, wenn sie für netzstabilisierende Maßnahmen Kraftwerke vom Netz holen oder anfahren.

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Schaden die zusätzlichen Ladezyklen nicht dem Akku?

Zahlreiche Experten gehen davon aus, dass bidirektionales Laden für die Akkus der Auto kein Problem darstellen wird. Denn erstens kommen moderne Lithium-Ionen-Akkus (NMC) schon heute gut und gerne auf mehr als 2.000 Ladezyklen, bevor sie das Zeitliche segnen. Technisch erreichen Stromer mit einem großen Akku daher mehr als eine Millionen Kilometer. Mit LFP-Akkus, die immer weitere Verbreitung finden, sind sogar mehr als 3.000 Zyklen möglich.

Zweitens sind die Be- und Entladeströme, mit denen die Experten rechnen, vergleichsweise niedrig. Während ein Porsche Taycan mit bis zu 270 kW an der Schnelladedose lädt, werden die Leistungen beim bidirektionalen Laden wohl kaum mehr als 20 kW betragen. Der Grund: Die meisten Hausanschlüsse, an denen die Wallboxen angeschlossen sind, haben in der Regel nicht viel mehr als 45 kW Anschlussleistung, oft sogar weniger. Zudem sind die Wallboxen im Hausbereich – egal ob AC oder DC meist auch nicht stärker als 22 kW. Hinzu kommen überschaubare Ladehübe – sprich: Die entnommenen Strommengen sind gering.

Große Akkus sind gut fürs Stromnetz

Der Chef der E-Antriebs- und Batterie-Entwicklung bei Volvo, Lutz Stiegler geht davon aus, dass die zeitliche Alterung der Auto-Akkus viel eher auftritt, als die durch Belastung hervorgerufene. Bidirektionales Laden sei daher kein Problem für die Akkus und würde auch die Alterung einer normal genutzten E-Auto-Batterie nicht beschleunigen. Es sei sogar klug, die wegen der Reichweitenangst großen Akkus über die Lebensdauer fürs bidirektionale Laden zu nutzen, ehe die kalendarische Alterung sie aus dem Markt nimmt – Voraussetzung ist natürlich auch eine kluge Software, deren Priorität das Wohlergehen des Akkus ist.

Aber machen wir das ganze etwas plastischer. Wenn man jetzt unter der Maßgabe eines Corsa-e optimistisch niedrigen Verbrauch von 15 kWh/100 Kilometer zu Grunde legt, kommt das Auto mit einem Vollladezyklus bei einer Nettoakkukapazität von 46 kWh rechnerisch 307 Kilometer weit. Unterstellt man dem Akku, dass er wenigstens 1.000 Zyklen durchhält, entspricht das rund einer Lebenslaufleistung von etwas mehr als 300.000 Kilometern. Geht man jetzt davon aus, dass ein Auto vom Netzbetreiber jeden Tag einmal komplett be- und entladen würde, würde er nur knapp drei Jahre durchhalten. Das sehen die Szenarien der Forscher aber gar nicht vor. Stattdessen rechnet man mit einer Kapazitätsfreigabe von rund 10 Prozent. Entsprechend unserer Rechnung sinkt die fahrbare Laufleistung des Autos daher auf 270.000 Kilometer und die Lebensdauer fürs bidirektionale Laden steigt auf 30 Jahre.

Bestenfalls bekommt der Autofahrer vom BDL nicht mit

Im ersten Fall ist die Schwächung des Akkus für den Autofahrer daher fast nicht spürbar, denn die durchschnittliche Außerbetriebnahme von Fahrzeugen in Deutschland erfolgt meist schon früher meist unter 200.000 Kilometer – und für den zweiten Fall, bei der zeitlichen Betrachtung gilt dasselbe. Denn im Schnitt werden Autos in Deutschland nicht älter als 20 Jahre.

Würde der Verbrauch des Corsa E auf üppige 20 kWh/100 km steigen bleiben so noch immer 207.000 Kilometer Lebenslaufleistung bei angenommenen 1000 Vollladezyklen.

Rein rechnerisch ist also alles im Lot. Damit das aber wirklich so bleibt, statten Autohersteller ihre Fahrzeuge in Sachen bidirektionalem Laden in der Regel mit Begrenzungen aus. So darf beispielsweise ein VW ID.5 GTX mit 77 kWh-Akku (netto) nach aktuellem Stand nur bis zu 10.000 kWh für maximal 4.000 Stunden für bidirektionales Laden eingesetzt werden. Danach schiebt die Software der Funktion einen Riegel vor. Auch Volvo will sich etwa im Fall des EX90 vorbehalten, die BDL-Funktionen einzuschränken, falls das Fahrzeug beispielsweise im Alltag besonders oft Schnellgeladen wird und der Akku dadurch im täglichen Betrieb außerordentlich viel Stress erfahren würde.

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Welche unterschiedlichen Formen von bidirektionalem Laden gibt es?

Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Arten von bidirektionalem Laden – und die sind an die Art des Stromes gekoppelt, den das Auto abgibt.

Zum einen gibt es die Variante des DC-BDL: Hier wird der Gleichstrom des Akkus abgegeben. Da alle Stromnetze in Europa (mit wenigen Ausnahmen) aber auf Wechselstrom basieren, muss der Gleichstrom des Akkus in Wechselstrom gewandelt werden. Diese Aufgabe übernehmen dann spezielle DC-Wallboxen oder DC-Ladestationen, die in der Lage sind, nicht nur zu Laden sondern auch den Strom zu wandeln. Der Vorteil dieser Technik: Sie sind recht gut mit der deutschen Regulatorik der Stromnetze kompatibel und einfacher für den Netzbetreiber ins Stromnetz zu integrieren. Der Nachteil: Durch ihre komplizierte Leistungselektronik sind die Wallboxen recht teuer. Für Modelle mit CCS-Anschluss sind derzeit mit rund 10.000 Euro plus Installation zu rechnen. Für den kaum mehr genutzten Chademo-Ladestandard gibt es vereinzelt Systeme ab rund 6.000 Euro.

Die andere Variante ist das AC-BDL. Wie der Name schon sagt, wird hier direkt – im besten Fall sogar gleich auf drei Phasen – Wechselstrom vom Auto für das Stromnetz zur Verfügung gestellt. Der Vorteil: Die Anforderungen an die Wallbox sind wesentlich geringer, sodass hier weiterhin mit deutlich günstigere Hardware genügt. Denn statt die Leistungselektronik in die Wallbox auszulagern, greift der Autohersteller hier auf die vorhandenen AC-DC-Konverter zurück, die ohnehin für das Wechselstromladen an der AC-Wallbox in den Fahrzeugen verbaut sind. Allerdings ist nicht jeder AC-DC-Konverter darauf ausgelegt ist, die Ströme in beide Richtungen zu konvertieren. Genau das ist auch einer der Nachteile des Systems. Denn diese Vielseitigkeit macht das Bauteil und damit schlussendlich auch das Fahrzeug teurer. Außerdem ist die regulatorische Abstimmung mit dem Netzbetreiber bei diesem System komplizierter. Der muss das Fahrzeug zur Nutzung der BDL-Funktion für jeden einzelnen Standort registrieren und zulassen.

Der Anbieter Rabot Charge etwa wirbt sogar mit einer Ersparnis bis zu 40 Prozent, wenn entsprechende Ladepausen gemacht werden, sobald der Strompreis steigt. Ähnliches bietet zum Beispiel auch Tibber.

Smart Meter ist Bedingung

Technische Voraussetzung ist ein sogenanntes intelligentes Messsystem, auch Smart Meter genannt. Dieses Gerät besteht aus einem digitalen Stromzähler und einem Kommunikationsmodul, das eine Datenübertragung möglich macht.

Es ermittelt den Stromverbrauch und speichert und verarbeitet die Daten. Der Messstellenbetreiber, bei dem es sich für gewöhnlich um den örtlichen Netzbetreiber handelt, ist für den Einbau der cleveren Stromzähler zuständig und wartet sie. Zudem übermittelt er die entscheidenden Daten an den Stromversorger.

Allerdings muss man bei aller Euphorie auch sagen: Die Strompreise kennen nicht nur eine Richtung. Ist die Nachfrage hoch und das Angebot an günstigem, grünem Strom gering, kann sich der Preis für die einzelne Kilowattstunde schnell auch vervielfachen – und damit logischerweise auch die Kosten für jede Kilowattstunde Autostrom.

Fester Preis für Grundgebühr und Strom

Für E-Autofahrer denen diese Unsicherheit zu groß ist, die aber dennoch von den dynamischen Strompreisen beim Laden profitieren wollen hat The Mobility House den Stromtarif Eyond aufgelegt. Mit ihm schließen die Kunden für 12 Monate einen festen Grund- und Arbeitspreis ab – genau wie beim klassischen Stromtarif. Allerdings lässt sich dieser Preis reduzieren, wenn die Kunden beim Laden flexibel sind.

Da der Tarif viele E-Auto-Fahrer und damit auch eine große Nachfrage nach Energie bündelt, ist The Mobility House in der Lage, sogenannte Flexibilitäten auf dem Energiemarkt anzubieten und zu verkaufen. Die Idee: Sobald das Angebot im Stromnetz gerade knapp wird und der Strompreis steigt, verkauft The Mobility House seine zuvor georderte Energiemenge mit einer gewissen Marge an den Meistbietenden, anstatt den Strom an die Wallbox zu bringen.

Bei Abfahrt ist der Akku voll

Vor einem E-Auto mit leerem Akku sollen die Eyond-Kunden aber trotzdem nicht stehen. Bis zur geplanten Abfahrt soll der Akku immer geladen sein, erklärt das Unternehmen. Über eine intelligente Steuerung im Hintergrund, die mit dem Auto oder der Wallbox vernetzt ist, soll der Ladevorgang nur verschoben werden, sodass das Auto beim heimischen Wallboxladen nicht in den ersten Stunden den Akku plump volllädt. Stattdessen soll die ganze Standzeit des Fahrzeugs, also seine Flexibilität genutzt werden, die es in den Strommarkt einbringen kann.

Diese Flexibilität bringt für Eyond-Kunden rund 10 Cent pro intelligent geladener Kilowattstunde ein. Sie erhalten dafür sogenannte Flexcoins, die ihnen gutgeschrieben werden. Der genaue Tarif hängt wie üblich vom Wohnort und beispielsweise den fälligen den entsprechenden Netzentgelten ab. Gegenüber einem normalen Stromtarif sollen die Autofahrer auf diese Weise über 200 Euro sparen können, verglichen mit den Preisen beim Grundversorger sollen sogar 1000 Euro drin sein.

Für Robert Hienz, dem CEO von The Mobility House, ist das aber erst der Anfang. Schließlich hebe man damit nur die Potenziale des unidirektionalen Ladens. Ab 2024 will das Unternehmen mit bidirektionalem Laden, bei dem der Strom auch vom Auto zurück ins Stromnetz gespeist wird, um nicht nur die Flexibilität, sondern die Energie selbst an der Strombörse zu handeln.

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Fazit

Wer als E-Auto-Fahrer beim Laden flexibel ist, sollte auf jeden Fall abwäge, ob ein dynamischer Tarif die bessere Alternative ist. Laut The Mobility House lassen sich im Jahr bis zu 1.000 Euro beim unidirektionalen Laden sparen. Hierfür haben sie den Stromtarif eyond aufgelegt. Mit bidirektionalem Laden sei noch mehr möglich, was ab 2024 angeboten werden soll.

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Erscheinungsdatum 07.12.2023

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