Verstappen zwischen lautem Fluchen und Zauberei
Das Red-Bull-Känguru springt auf Pole

GP Brasilien 2023

Im Chaos-Finale der Brasilien-Qualifikation zauberte sich der Meister auf die Pole Position. Max Verstappen überragte, als die Verhältnisse am kompliziertesten wurden. Teamkollege Sergio Perez kann seine Pechsträhne einfach nicht abschütteln.

Max Verstappen - Red Bull - GP Brasilien 2023
Foto: xpb

Eine Qualifikation wie die zum GP Brasilien 2023 hat die aktuelle Fahrergeneration noch nie erlebt. In den ersten beiden Quali-Teilen drohte der Himmel mit Regen. Die Wolken verdunkelten sich, doch sie hielten vorerst dicht. Auch zu Beginn des großen Finales. Es war allerdings nur noch eine Frage der Zeit, bis der Starkregen die Rennstrecke in São Paulo flutet. "Sieben Minuten nach Q3-Beginn", meldete der Ferrari-Funk. Die Prognose traf ziemlich genau ein.

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Die verbliebenen zehn Fahrer wussten, dass ihnen nur noch ein Versuch bleibt. "Es war stockduster am Himmel als wir uns an der Boxenausfahrt aufgereiht haben", berichtet Max Verstappen. Die Aston Martin von Fernando Alonso und Lance Stroll waren die ersten in der Schlange heraus aus der Boxenstraße, gefolgt von Lewis Hamilton im Mercedes, Verstappen im Red Bull und George Russell im zweiten Mercedes.

Max Verstappen - Red Bull - GP Brasilien 2023
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Max Verstappen fuhr im wilden Finale fast drei Zehntel schneller als Hauptkonkurrent Charles Leclerc.

Meister einfach meisterhaft

Die Bedingungen wurden mit jeder Sekunde komplizierter. Eine überragte sie mal wieder alle. Der Weltmeister zauberte und fluchte gleichermaßen. Verstappen erkannte in der alles entscheidenden fliegenden Runde wie seine Kollegen die Strecke nicht mehr. "Sie wurde langsamer statt schneller. Normalerweise ist es anders herum", sagte Red Bulls Sportchef Helmut Marko. Weil sich der Wind zu einem Sturm aufbaute, indem sein Schützling zur elften Pole Position der Saison und zur 31. der Laufbahn stürmte.

Lassen wir den Zauberer der Formel 1 selbst sprechen. "Im ersten Sektor fühlte sich noch alles gut an. Danach war ich nur noch schockiert. Im zweiten Sektor blies der Wind an den schlechtesten Stellen von hinten. Das trieb das Auto völlig aus der Balance. Ich habe am Funk geschimpft und gefragt, was hier denn los sei. So etwas habe ich noch nie erlebt." Ähnlich klangen seine Kollegen.

Moderne Formel-1-Autos brauchen Labor-Bedingungen, um perfekt zu funktionieren. Sie sind nicht gebaut für böigen Wind, der die vielen bewusst erzeugten Wirbel am Auto stören und die Aerodynamik aus ihrem Gleichgewicht bringen. Der Red Bull ist noch das Auto, das sich am spätesten aus der Komfortzone treiben lässt. Der letzte Versuch wurde für Verstappen wie für alle anderen Fahrer dennoch zum Eiertanz. Marko nennt noch einen weiteren Faktor: "Die Streckentemperatur ist gefallen." Da sinken die Reifentemperaturen, was den Grip zusätzlich schmälert.

Perez hat kein Glück

Im Vergleich zu seiner Q2-Zeit büßte Verstappen 0,565 Sekunden ein. "Er hat nur geflucht und wir haben trotzdem nur pinke Durchgangszeiten auf dem Monitor gesehen", schildert Marko. "Sein Renningenieur hat Max gesagt, dass er unbedingt durchziehen soll. Er hatte Angst, dass er in die Box abbiegt, weil es sich so schlecht anfühlt." Der Weltmeister brachte die Runde zu Ende. Sie spülte ihn auf die Pole Position.

Verstappen war nicht der erste in der Reihe. Er profitierte nicht von einem besseren Streckenzustand. Alle saßen im selben Boot. Der Champion stach alle aus. Das unterstreicht, in welcher Verfassung der 26-Jährige aus den Niederlanden unterwegs ist. "Max hat sich am besten angepasst", lobt Marko. Ausnahmsweise schien auch dem sonst sensibleren Teamkollegen die Anpassung zu gelingen.

Sergio Perez wähnte sich auf dem Weg zu einem Platz in der zweiten Reihe, als vor ihm Oscar Piastri in Kurve zwölf von der Rennstrecke flog. Gelbe Flagge, Runde dahin, Pech für den Mexikaner: "Sergio wäre Dritter geworden." So läuft es im Sport: Der eine fliegt von Sieg zu Sieg, der andere kann sich einfach nicht von seiner Pechsträhne lösen. Dabei braucht dieser Sergio Perez jedes Erfolgserlebnis.

Sergio Perez - Red Bull - GP Brasilien 2023
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Pech im Q3: Sergio Perez verbucht nur den neunten Startplatz für das Hauptrennen.

Red-Bull-Gegner zurück

Der Grand Prix von Brasilien stellte Red Bull in der Vorsaison ein Bein. Die Ingenieure trafen das Setup nicht, was Verstappen mit einem untersteuernden Auto bezahlte. Was der 51-fache GP-Sieger überhaupt nicht leiden kann. "Wir wurden damals vom Simulator genarrt", erinnert sich Red Bulls Sportchef. Diesmal sollte es mit einer angepassten Vorbereitung besser laufen. Im ersten Training allerdings suchte den Red Bull dasselbe Problem heim. Die Vorderachse biss nicht ausreichend zu.

Die langsamen Kurven sind zwar keine Schwäche des RB19, doch sie liegen dem dunkelblauen Rennwagen nicht so wie die mittelschnellen und schnellen Ecken. Das hemmt in Interlagos ebenso wie die Bodenwellen, die eine erhöhte Bodenfreiheit verlangen. Verstappen klagte im Q1: "Das Auto springt wie ein Känguru." Was die Red-Bull-Chefetage im Nachgang süffisant kommentiert: "Eines, das auf Pole Position springt."

Das Wunderauto war zwar auch in der Qualifikation schnell, aber nicht überlegen. Die viertkürzeste Rennstrecke hielt das Feld zusammen. 0,935 Sekunden betrug der Abstand vom Ersten zum Letzten im Q1. 0,819 Sekunden waren es im Q2. So war auch Verstappen zu mehreren Ausfahrten gezwungen. "Im ersten Teil haben wir nur einen frischen Satz verwendet und waren sonst auf gebrauchten Reifen draußen. Im Q2 war es wieder so. Der Max ist seine beste Zeit dort auf gebrauchten Reifen gefahren", erzählt Marko. Für das Finale gab es nur eine Wahl. Ein frischer Soft musste sofort ans Auto.

Die Startaufstellung spielt Red Bull in die Karten. Ferrari ist für gewöhnlich im Renntrimm kein Gegner. Selbst wenn Verstappen erwartet: "Der Reifenverschleiß ist hoch. Ich denke, es wird im Rennen genauso eng zugehen." Die Aston Martin in der zweiten Reihe sollten nicht den Speed des Autos mit der Startnummer 1 haben. Die ausgemachten Gegner kommen erst dahinter. Red Bull hat besonders Mercedes und Lando Norris auf dem Schirm.

Der McLaren-Pilot war im Q2 um 0,141 Sekunden schneller als der Red Bull. Das war die Zeit, als die Strecke noch in ihrem besten Zustand war und die Autos nicht vom Winde verweht wurden. Der Papaya-Rennwagen ist zwar wie der Red Bull in langsamen Kurven verwundbar. Verstappen stellt jedoch fest: "Ihr Auto geht besser über Bodenwellen und Randsteine."

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