Ferrari-Poker mit frühem Stopp
So half Leclerc Norris zum Sieg

GP Miami 2024

Das Safety-Car kam für Lando Norris zur perfekten Zeit und für Verstappen ungelegen. Ohne die Hilfe von Ferrari hätte es aber vielleicht eine ganz andere Konstellation gegeben.

Charles Leclerc - GP Miami 2024
Foto: Motorsport Images

In Runde 18 sah Lando Norris noch nicht wie ein Sieger aus. Da lag der McLaren-Pilot auf Platz fünf und bekam einen Abstand von 10,8 Sekunden auf Spitzenreiter Max Verstappen angezeigt. Immerhin war eine Runde zuvor Sergio Perez zum Reifenwechsel abgebogen, und Norris genoss zum ersten Mal freie Fahrt. Die Lücke zu dem Trio Piastri, Leclerc und Sainz betrug fünf Sekunden.

In den folgenden Runden realisierte der Kommandostand von Red Bull, dass Norris ein Gegner für Verstappen werden könnte. Vier Runden in Folge legte der spätere Sieger schnellere Rundenzeiten auf die Bahn als Konkurrent an der Spitze. Und der Weltmeister leistete sich unter Druck einen seiner raren Fehler. In der 20. Runde fuhr er nach einem Verbremser in Kurve 15 einen Plastik-Poller um.

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Es war ein erster Warnschuss. Verstappen hatte schon auf den Medium-Reifen das Gefühl, dass dieses Rennen einem anderen Muster folgen könnte als dem seiner vielen Start/Ziel-Siege der letzten beiden Jahre. "Das Auto fühlte sich für mich schon auf den Medium-Reifen nicht fantastisch an. Mir fehlte einfach Grip. Wir zogen vorne zwar weg, aber nicht in dem Maß, in dem wir das gewohnt sind."

Max Verstappen - Boxenstopp - GP Miami 2024
Motorsport Images

Red Bull musste auf Ferrari reagieren. Das machte Verstappen bei einem Safety-Car verwundbar.

Angst vor Leclercs Undercut

Red Bull war plötzlich verwundbar. Mit McLaren und Ferrari traten an diesem Tag Gegner auf den Plan, die man nicht mehr mit jeder x-beliebigen Taktik schlagen konnte. Das zeigte sich in Runde 23, als Verstappen ungewöhnlich früh seinen Boxenstopp abwickelte. Charles Leclerc holte auf seinen frischen harten Reifen innerhalb von drei Runden 1,2 Sekunden auf. Red Bull musste den Undercut verhindern.

Genau das war das Ziel von Ferrari. Die Strategen holten Leclerc schon in der 19. Runde an die Box, um Red Bull und McLaren zu einer Reaktion zu zwingen. Nicht, um den Undercut-Versuch von Sergio Perez abzuwehren. "Wir wissen, wie gut unser Auto mit den Reifen umgeht. Da spielte die Restdistanz keine große Rolle", erklärte Teamchef Frédéric Vasseur.

Der Speed der Gegner diktierte Verstappen den frühen Zeitpunkt des Boxenstopps und erlaubte es Norris, seinen ersten Stint zu verlängern. Der Engländer war auf 24 Runden alten Medium-Reifen schneller als seine Kollegen auf frischen harten Gummis. Zwischen den Runden 24 und 28 machte Norris eine Sekunde auf Verstappen, Piastri und Sainz gut.

McLaren war damit in einer komfortablen Lage. Die Lücke zu Verstappen wurde kleiner, statt größer. Mit jeder weiteren Runde, die Norris überstehen würde, wuchs das Reifen-Delta für den zweiten Stint. Und Norris war aus der Spitzengruppe der Einzige, der noch von einem Safety-Car profitieren konnte, sollte irgendetwas passieren.

Safety-Car - Formel 1 - GP Miami 2024
Motorsport Images

Norris hatte Glück, dass er nicht schon vor seinem Boxenstopp vom Safety-Car eingefangen wurde.

Eine Sekunde zwischen Sieg und Niederlage

Die Kollision zwischen Kevin Magnussen und Logan Sargeant in Kurve 2 kam wie gerufen. Für Norris war es allerdings eine Zitterpartie. Als das SC-Signal gezeigt wurde, befand er sich parallel zur Boxeneinfahrt. Er hätte eine Vollbremsung hinlegen und einen Haken schlagen müssen, um noch in die Boxen abzubiegen.

Dem Pech folgte das Glück. Das SC-Kommando erreichte Bernd Mayländer etwas zu spät. Als der auf die Strecke einbog, fuhr Norris gerade vorbei. Es ging um eine Sekunde. Damit hatte der McLaren-Pilot das Geschenk eines freien Boxenstopps und blieb in Führung.

Auch Yuki Tsunoda, Guanyu Zhou, Daniel Ricciardo und Kevin Magnussen bekamen einen Gratis-Boxenstopp. Sergio Perez, Nico Hülkenberg und Lance Stroll nutzten die Gunst der Stunde, sich ohne Platzverlust noch einmal mit frischen Reifen für die letzten 25 Runden einzudecken.

Die Preisfrage ist, was ohne Safety-Car passiert wäre. Perez lag bereits außerhalb seines Boxenstopp-Fensters. Sainz und Piastri hatten nur noch vier Sekunden Luft. Sie waren so mit ihrem Duell beschäftigt, dass es Norris bis zu einem Boxenstopp unter Renntempo möglicherweise geschafft hätte, die nötigen 19,7 Sekunden Vorsprung herauszufahren.

Dann hätte er nur noch Verstappen auf der Strecke überholen müssen. Bei dem starken Top-Speed der McLaren an diesem Tag durchaus möglich. Zumal Norris dann Reifen gehabt hätte, die zehn Runden frischer gewesen wären.

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Miami 2024
xpb

Norris verzichtete darauf, am Ende noch die schnellste Rennrunde zu attackieren.

Verstappen auf harten Reifen chancenlos

Nach dem Re-Start ließ Norris seinen Verfolgern keine Chance. Bis ins Ziel nahm er Max Verstappen noch 7,6 und Charles Leclerc 9,9 Sekunden ab. Deshalb wollte Verstappen auch nichts von einem geschenkten Sieg für Norris wissen: "Wir hatten nach der Safety-Car-Phase immer noch die Möglichkeit zu gewinnen. Aber wir waren einfach zu langsam. Auf den harten Reifen war die Balance ein Desaster. In den langsamen Kurven ist mir das Heck weggeschmiert, in den schnellen hatte ich Untersteuern."

Ganz anders der Eindruck aus dem Cockpit des führenden McLaren. "Ich musste in den ersten zwei Runden nach dem Safety-Car noch nicht einmal ans Limit. Danach bin ich komfortabel dahingerollt, und die Rundenzeiten wurden ganz automatisch immer schneller. Ein paar Mal bin ich den Mauern ziemlich nahe gekommen und meine Gedanken sind ein bisschen abgeschweift. Ich habe mich darauf konzentriert, die schnellste Runde zu fahren, damit ich keine Fehler mache. Als dann die letzte Runde kam, habe ich den Plan aufgegeben. Ich wollte es dem Team nicht antun, deswegen alles wegzuwerfen."

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