Rennanalyse GP Niederlande 2023
Wer macht die wenigsten Fehler?

GP Niederlande 2023

Es kann in der Formel 1 passieren, was will. Max Verstappen gewinnt immer. Beim Heimspiel bremste auch das Wetter den Weltmeister nicht aus. Fernando Alonso hatte am Schluss aber wenigstens eine kleine Chance. Generell galt: Es war sehr einfach, viel falsch zu machen.

Start - GP Niederlande 2023 - Zandvoort - Rennen
Foto: Wilhelm

Max Verstappen triumphiert bei seinem Heimrennen. Für ihn ist es der neunte Sieg am Stück. Wieder eine neue Bestmarke. Fernando Alonso wird Zweiter vor Pierre Gasly. In unserer Rennanalyse klären wir die Fragen, die ein chaotischer Grand Prix aufwarf.

Wie taktierten die Piloten in der Startphase?

Das Feld stand am Start geschlossen auf Slickreifen. Da begann es in Zandvoort, nass zu werden. "Ich hatte ein paar Regentropfen auf dem Visier. Das ist die denkbar unangenehmste Situation als Fahrer, wenn du auf Trockenreifen startest und es dann regnet", berichtete Fernando Alonso. Die Intensität des Regens legte schnell zu. Nach der dritten Kurve tanzten die Fahrer wie auf rohen Eiern. Doch es stand ein Fragezeichen hinter dem Wetter. "Das Team konnte mir nicht sagen, wie schwer es regnen würde, und ob es ausreichend ist, um einen Wechsel auf Intermediates zu rechtfertigen", schilderte Max Verstappen.

Unsere Highlights
Max Verstappen - Red Bull - GP Niederlande 2023 - Zandvoort - Rennen
xpb

Unmittelbar nach dem Start begann es in Zandvoort zu regnen.

Der Weltmeister entschied sich wie seine Verfolger Norris, Alonso, Russell, Albon und Sainz gegen einen frühen Halt. Red-Bull-Teamkollege Sergio Perez steuerte dagegen wie Charles Leclerc, Pierre Gasly, Guanyu Zhou, Yuki Tsunoda, Liam Lawson und Kevin Magnussen die Boxen für Intermediates an. Ein Schachzug, der sich auszahlte, trotz verhältnismäßig langsamer Stopps, weil die Reifen nicht parat lagen. "Charles hat uns Bescheid gesagt, als er bereits in der Boxengasse war. Er musste zwar länger warten, aber dennoch hat er profitiert", erzählte Ferrari-Rennleiter Frederic Vasseur.

Aston Martin hatte gezögert, weil man eine Rote Flagge nicht ausschloss. In Runde zwei tauchten Verstappen, Alonso, Sainz und Ocon zum Tausch auf profilierte Pirellis auf. "Danach war das Fenster zu, weil der Regen aufhörte", erläuterte Williams-Teamchef James Vowles. "Wer bis da nicht drin war, musste sich auf Slicks durchbeißen." Oder bezahlte wie etwa die McLaren- und Mercedes-Fahrer mit vielen Platzverlusten. Der frühe Stopp führte Perez von Startplatz sieben vorbei am Teamkapitän. Zhou katapultierte sich von Rang 15 auf zwei, Gasly von zwölf auf drei.

Sergio Perez - Red Bull - GP Niederlande 2023 - Zandvoort - Rennen
Motorsport Images

Nur ein kurzer Traum von einem möglichen Coup: Sergio Perez zog mit hängendem Kopf davon.

Wieso durfte Verstappen vor Perez stoppen?

Der spätere Halt warf Verstappen zurück. Obendrein war ihm der Teamkollege bereits um 14 Sekunden enteilt. An den dazwischen fahrenden Gasly und Zhou kam Verstappen zügig vorbei. Im Eiltempo verkleinerte er den Abstand zu Perez, während der Asphalt auftrocknete. Verstappen hatte das Schwesterauto in der zehnten Runde mit vier Sekunden bereits in Sichtweite. Zu diesem Zeitpunkt waren Slicks schon wieder besser als Intermediates, was Oscar Piastri und Alexander Albon demonstrierten.

Erstmal kein weiterer Regen in Sicht, also holte Red Bull seine Fahrer in den Runden elf und zwölf nacheinander herein. Teamkapitän Verstappen erhielt dabei den Vorzug. Das spülte ihn an Perez vorbei, der kurz darauf verwundert nachfragte, ob ihn der Teamkollege mit einem Undercut überholt hatte.

Für gewöhnlich ist es Usus, dass der besser platzierte Fahrer den günstigeren Reifenwechsel erhält. Das wäre in diesem Fall Perez gewesen. Der Zweite wird standardmäßig nur bevorzugt, wenn der Erste ablehnt. Bei Red Bull ist aber alles auf Verstappen zugeschnitten. Damit muss Perez leben.

Teamchef Christian Horner wollte von einer Bevorzugung seines Superstars jedoch nichts wissen. "Wenn wir Sergio zuerst hereinrufen, hätte für Max die Gefahr bestanden, zurückzufallen." Seine Verfolger Alonso, Gasly und Sainz hatten zuvor auf Slicks zurückgetauscht. "Mit der Rangfolge Max vor Sergio konnten wir sicherstellen, dass wir unsere Doppelführung halten." Zum Preis, dass Perez wie so oft das Nachsehen hatte. Vermutlich hätte er Verstappen aber auch nicht hinter sich halten können. A, weil Verstappen schneller war. B, weil Überholen an diesem Tag dank der ständig wechselnden Gripverhältnisse möglich.

Wie plante Alonso seine Schlussattacke?

Der zweite Wolkenbruch war heftiger als der erste. Starkregen überschwemmte die Strecke. Die Rennleitung unterbrach den Grand Prix für 43 Minuten. Erst als die Barrieren nach dem Unfall von Zhou repariert und das Wetter besser war, ging es weiter. Die Zuschauer erlebten noch sechs fliegende Runden. Und sie zitterten, dass Alonso nicht doch noch ihrem Helden den dritten Heimsieg abluchst.

Der Matador witterte seine Chance, weil nach dem verregneten Qualifying bekannt war, dass der Red Bull die Intermediates nicht direkt anzündet. Sein Team gab ihm grünes Licht für eine Attacke. Weil Aston Martin weiß, dass Alonso selbst mit Blick auf den 33. Rennsieg nie den Kopf verlieren, und einen zweiten Platz einfach so wegwerfen würde.

"Ich hatte in der Pause nachgedacht, an welchen Stellen ich es probieren könnte. Kurve drei war direkt in meinem Kopf. Aber auch Kurve eins direkt nach dem Neustart", schilderte der Routinier. "Ich bin in der letzten Kurve ins Risiko gegangen und habe das Gas durchgedrückt, obwohl die Reifen noch kalt waren. Dadurch kam ich mit viel Schwung auf die Gerade, leider aber nicht nah genug an Max heran."

In der Folge machte der Spanier das Gegenteil des Führenden. "Ich bin andere Linien gefahren, in der Hoffnung, mehr Grip als Max zu finden und ihn zu überholen." Es zahlte sich nicht aus. "Ich musste die erste Runde überleben. Als die Temperatur im Reifen war, hatte ich wieder alles im Griff", erinnerte sich Sieger Verstappen.

Pierre Gasly - Alpine - GP Niederlande 2023 - Zandvoort - Rennen
Wilhelm

Pierre Gasly jubelte das zweite Mal nach dem Spa-Sprint auf dem Podest.

Wer zählte zu den Gewinnern im Strategie-Poker?

Ganz eindeutig Pierre Gasly, der Alpine das zweite Podest in einem Hauptrennen bescherte. "Es war der herausforderndste Grand Prix der Saison. Es war alles dabei, was ein Wetterumschwung so zu bieten hat. Es ging darum, sich an die ständig wechselnden Verhältnisse anzupassen und die richtigen Entscheidungen mit den Boxenstopps zu treffen. In dieser Beziehung haben wir alles richtig gemacht", freute sich Gasly.

Der Tausch auf Intermediates brachte ihn ins Spitzenfeld, in dem er sich festbiss. Die Probleme der Vortage mit Instabilität, speziell in schnellen Kurven, waren im Renntrimm wie weggeblasen. Die Stopps in den Runden elf und 46 (jeweils auf Softs) passten vom Timing. So konnte Gasly selbst eine Fünfsekundenstrafe nicht aufhalten, die er beim dritten Service absaß.

Gasly fiel hinter Sainz, schnappte sich den Ferrari jedoch in Runde 60 in Kurve eins. Und zwar außen herum. "Er hatte neue Softs, Carlos nur gebrauchte", entschuldigte Ferrari-Teamchef Vasseur. Im Nassen nach dem Neustart stellte Gasly sicher, dass er innerhalb von fünf Sekunden zu Perez bleibt. Der Mexikaner hatte noch die Hypothek einer Fünfsekunden-Strafe.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Niederlande - Zandvoort - Samstag - 26.8.2023
Motorsport Images

Zu viele Fehler in der Frühphase: Lewis Hamilton glaubt, dass er bei einem idealen Rennen gegen Verstappen und Alonso hätte kämpfen können.

Was lief bei McLaren und Mercedes schief?

McLaren startete auf den Positionen zwei und acht. Lando Norris und Oscar Piastri sahen die Zielflagge auf sieben und neun. "Bei solchen Bedingungen kannst du nicht perfekt sein. Es geht darum, die Fehlerquote möglichst gering zu halten. Das haben wir heute leider nicht geschafft", bilanzierte Norris.

Mit ihm zögerte McLaren den Wechsel auf Intermediates zu lange heraus. "In der ersten Runde zu wechseln, wäre ein Poker gewesen. In Runde zwei hatten wir aber alle nötigen Informationen und haben dennoch die falsche Entscheidung getroffen", ärgerte sich Teamchef Andrea Stella. Norris kreuzte erst nach dem dritten Umlauf bei seiner Crew auf.

Piastri harrte im Gegensatz zu ihm auf Slicks aus, was sich hätte lohnen können, obwohl er zunächst abgerutscht war. Ab Runde neun hatte er die besseren Reifen an seinem McLaren. "Leider hat er sie in Kurve eins eckig gebremst. Deshalb musste er in Runde 15 kommen. Sonst wäre Oscar nach dem Safety Car Sechster gewesen."

Mercedes bezahlte für schlechte Entscheidungen in den ersten 15 Runden. "Da haben wir so ziemlich alles falsch gemacht", meinte Rennleiter Toto Wolff. George Russell, der erst im vierten Umlauf auf Inters umschnallte, riss es aus den Podest-Träumen. Zusammen mit Lewis Hamilton bewegte er sich plötzlich im Hinterfeld. Wenigstens die Pace stimmte danach. Beide machten Positionen gut.

Hamilton schaffte sogar den sechsten Platz. Dieses Resultat hatte der Computer vor dem Start bei einem Trockenrennen ausgegeben. Doch das Wetter spielte ja bekanntlich verrückt, was Chancen eröffnete, die Mercedes nicht verwertete. Die Ereignisse brachten Hamilton im Nachhinein ins Grübeln. "Alles in allem überwiegt die Frage, was hätte sein können: Hätten wir andere Entscheidungen getroffen, hätten wir die Pace gehabt, um die ersten beiden Fahrer herauszufordern", glaubt er. Russell legte sich nach dem Neustart mit Norris an und bezahlte es mit einem kaputten linken Hinterrad.

GP Niederlande 2023: Ergebnis Rennen (neu)

Fahrer

Team

Zeit/Rückstand

1. Max Verstappen

Red Bull

2:24:04.411 h

2. Fernando Alonso

Aston Martin

+ 3.744 s

3. Pierre Gasly

Alpine

+ 7.058 s

4. Sergio Perez

Red Bull

+ 10.068 s

5. Carlos Sainz

Ferrari

+ 12.541 s

6. Lewis Hamilton

Mercedes

+ 13.209 s

7. Lando Norris

McLaren

+ 13.232 s

8. Alexander Albon

Williams

+ 15.155 s

9. Oscar Piastri

McLaren

+ 16.580 s

10. Esteban Ocon

Alpine

+ 18.346 s

11. Lance Stroll

Aston Martin

+ 20.087 s

12. Nico Hülkenberg

Haas

+ 20.840 s

13. Liam Lawson

Alpha Tauri

+ 26.147 s

14. Valtteri Bottas

Alfa Romeo

+ 27.388 s

15. Yuki Tsunoda

Alpha Tauri

+ 29.893 s

16. Kevin Magnussen

Haas

+ 31.410 s

17. George Russell

Mercedes

+ 55.754 s

18. Zhou Guanyu

Alfa Romeo

Ausfall

19. Charles Leclerc

Ferrari

Ausfall

20. Logan Sargeant

Williams

Ausfall

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