Mercedes-Maybach S600 Guard in Nordkorea
So kommt Kim an seinen Benz

Wenn Diktatoren ein besonderes Fahrzeug haben möchten, bekommen sie es auch – trotz Sanktionen. Wir zeigen, wie Nordkoreas Führer Kim Jong Un an seine beiden Mercedes-Maybach S600 Guard gekommen ist.

Nordkorea Luxusautos Schiff Route
Foto: Maybach / Patrick Lang

Als im Oktober 2018 der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un trotz bekannter Sanktionen den US-Außenminister Mike Pompe in seinem neuen Rolls-Royce Phantom durch die Hauptstadt fuhr, staunte die Welt nicht schlecht. Drei Monate später, im Januar 2019, dürfte vor allem im Stuttgarter Raum dem einen oder anderen vor dem Fernseher sitzend etwas aufgefallen sein. Denn dort war Kim Jong Un zu sehen, wie er in einem von zwei schwer gepanzerten Mercedes-Maybach S600 Guard durch seine Hauptstadt fuhr. Die große Frage: Wie kann das bei all den Sanktionen gegen Nordkorea sein?Die unabhängige Oranisation C4ADS klärt auf.

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Die Reise der beiden Luxus-Fahrzeuge startete am 14. Juni 2018 im niederländischen Rotterdam – in zwei Containern. Nach 41 Seetagen läuft das Frachtschiff im chinesischen Hafen Dalian ein. Am 26. August ist es soweit. Mit Kurs auf den japanischen Hafen Osaka geht die Reise weiter. Am 18. September endet auch dieser Abschnitt. Bis hier ist noch soweit alles nachvollziehbar. Auch die Weiterreise von Osaka ins südkoreanische Busan vom 27. bis zum 30. September ist in den Zoll- und Frachtpapieren festgehalten.

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Patrick Lang
So kamen die beiden 450.000 Euro-Fahrzeuge nach Nordkorea.

Und plötzlich sind die Container weg

Dann wird es spannend. Denn die geplante Reise der beiden Container von Busan nach Nakhodka im fernen Osten Russlands findet anders statt, als offiziell geplant. Ursprünglich sollte das unter der Flagge Togos fahrende Schiff DN5505 vom 30. September bis 5. Oktober unterwegs sein. Empfänger der Fracht ist ein auf den Marshallinseln gemeldetes Unternehmen namens Do Young Shipping Co., Ltd. Gleichzeitig ist dieses Unternehmen aber auch Eigentümer und Manager des Frachters. Eines Frachters, der zuvor bereits an einigen illegalen maritimen Aktivitäten mit Nordkorea verwickelt war.

Da wundert es kaum, dass die eigentlich nur wenige Tage andauernde Tour letzten Endes bis zum 19. Oktober dauerte und es in keinem der sechs Häfen im russischen Osten, Nakhodka, Vladivostok, Posiet, Zarubino, Vostochny Aufzeichnungen über einen Kontakt zu finden gibt. Hinzu kommt, dass in der Zeit vom 1. bis zum 19. Oktober das automatische Identifikationssystem, kurz AIS, „ausgefallen“ ist und niemand nachvollziehen kann, wo der Frachter in dieser Zeit gewesen ist.

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Und plötzlich ist das Schiff wieder da – aber ohne Container

Nach 18 Tagen „Schwarzfahrt“ taucht der Frachter nur 40 Kilometer von seiner letzten übermittelten Position wie aus dem Nichts auf. Von den Containern ist allerdings nichts zu mehr sehen. Stattdessen führt der Kapitän des Frachters DN 5505 laut den Papieren 2.588 lose geschüttete Kohlen aus Nakhodka mit sich. Zeitgleich zum AIS-„Ausfall“ starten am 7. Oktober zwei gewaltige Frachtflugzeuge des Typs Ilyushin-76 unter der Flagge der nordkoreanischen staatlichen Fluggesellschaft Air Koryo in Pyongyang gen Wladiwostok in Russland – und heben noch am selben Tag wieder in Richtung Nordkorea ab. Zwei Flugzeuge, die dafür bekannt sind, dass sie die gepanzerten Fahrzeuge des Diktators und seiner Elite bei Auslandsaufenthalten transportieren.

Da dieser „Warentransfer“ nicht bestätigt ist, ergäbe sich noch eine weitere Möglichkeit. Das Schwesterschiff der DN 5505 trägt den Namen Katrin und ist ein Tankschiff. Zwischen beiden Schiffen ist es in den vergangenen Jahren zu zahlreichen illegalen „Tankvorgängen“ beziehungsweise „Schiff-zu-Schiff-Transaktionen“ in nordkoreanischen Gewässern gekommen.

Nordkorea
Marcel Sommer
Hier kommt keine Schmuggelware rüber. Grenzübergang an der Tong-il Daegyo Bridge.

Zufall? Wohl eher nicht

Dass dieses unheimliche Container-Verschwinden und anschließende Auftauchen der transportierten Waren in Nordkorea kein Einzelfall ist, zeigen Statistiken. Seit dem Jahr 2006 sind Luxus-Exporte in das Land Nordkorea verboten (UNSCR 1718). Problem: Die Definition von Luxusgütern ist völlig unzureichend, die Umsetzung inkonsistent in allen Gerichtsbarkeiten und die Kontrollen nur mäßig möglich. Oder kurz gesagt, die Sanktionsprogramme zeigen nur bedingt Wirkung. Das Resultat ist ein über 90 Länder verteiltes Schmuggelimperium.

Unter den Schmuggelwaren befinden sich auch mehr als 800 Fahrzeuge inklusive der beiden gepanzerten Mercedes-Maybach S600 Guard für jeweils 450.000 Euro. Auf Anfrage von auto motor und sport, ob Daimler von dem Auftrag aus Nordkorea Kenntnis hatte, heißt es: „Daimler hat seit weit über 15 Jahren keine Geschäftsbeziehungen zu Nordkorea und hält sich strikt an die US- und EU-Embargovorschriften. Um Lieferungen an Nordkorea zu verhindern, hat Daimler einen umfassenden Exportkontrollprozess eingeführt, den wir als angemessen und effektiv erachten und der alle exportkontrollrechtlichen Anforderungen erfüllt. Es ist außerhalb unserer Kontrolle und Verantwortung, welche Verkäufe insbesondere gebrauchter Fahrzeuge über Dritte getätigt werden.“ Übrigens: Insgesamt soll Kim Jong Un seit seiner Machtübernahme Ende 2011 über drei Milliarden Euro für Luxuswaren ausgegeben haben. Das Durchschnittseinkommen in Nordkorea beträgt knapp 90 Euro pro Monat.