Dashcams als Beweismittel
Umstrittene Mini-Kameras im Auto - was ist erlaubt?

Dashcams zeichnen je nach Modell im Stand die Umgebung und während der Fahrt das Verkehrsgeschehen auf. Welche Vorteile haben sie? Welche Unterschiede gibt es bei den Funktionen? Und was ist in Sachen Nutzung überhaupt erlaubt?

Dashcam Nextbase
Foto: Nextbase

Welche Vorteile bringt eine Dashcam im Auto?

Dashcams sind kleine Videokameras, die im Auto an der Windschutzscheibe oder am Armaturenbrett angebracht werden. Sie dienen dazu, auf der Fahrt die Geschehnisse im Verkehr festzuhalten. Laut der DA Direkt-Versicherung hat mittlerweile bereits jeder zehnte Pkw eine solche Mini-Kamera an Bord. Passiert ein Unfall und die Beteiligten sind sich uneinig, wer zur Verantwortung gezogen werden muss, kann die Aufnahme einer Dashcam dabei helfen, vor Gericht die Schuldfrage zu klären. Außerdem bieten manche Kfz-Versicherungen sogenannte Dashcam-Tarife an. Wer eine besitzt, spart beispielsweise bei der Bayerischen bis zu fünf Prozent auf den Jahresbeitrag.

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Wie funktioniert eine Dashcam?

Üblicherweise startet eine Dashcam direkt nach dem Aktivieren die Videoaufnahme. Optional lässt sich meist auch eine Daueraufnahme einstellen. Dies ist jedoch im öffentlichen Straßenverkehr nicht erlaubt. Deshalb zeichnen die Geräte normalerweise Videoschleifen auf – so genannte Loops. Ein solcher Loop besteht meist aus einer ein- bis zweiminütigen Videosequenz. Ist dieser Zeitrahmen abgelaufen, überschreibt die Kamera die Sequenz wieder und wieder.

Unfälle oder Notbremsungen registrieren die Kameras über einen internen Beschleunigungssensor. Verzeichnet er hohe G-Kräfte, also die Änderung der Belastungskraft bei starker Änderung der Geschwindigkeit oder Richtung, speichert die Kamera die aktuelle Aufnahme automatisch und schützt sie davor, überschrieben zu werden. Man spricht hier von einer sogenannten Notfallaufnahme. Sollte die Kamera in einer heiklen Situation nicht abgespeichert haben, geht das bei den meisten Modellen jedoch auch manuell per Tastendruck. Hier werden die letzten beiden Minuten der Aufnahme gesichert.

Was liefert eine Dashcam an Daten?

Außer den Videoaufnahmen sichert die Kamera normalerweise auch Daten zur Geschwindigkeit sowie GPS-Koordinaten sowie Aufnahmedatum und -zeit. Manche Modelle liefern zusätzlich Infos zur Fahrtroute, Durchschnittsgeschwindigkeit oder zu den aufgetretenen G-Kräften.

Auf was sollten Käufer achten?

Um aussagekräftiges Videomaterial zu erhalten, sollten die Geräte eine hohe Bildauflösung und einen großen Blickwinkel mitbringen. Das ist gerade dann wichtig, wenn die Aufnahmen vor Gericht standhalten sollen. Außerdem werden die Kameras meist entweder über den Zigarettenanzünder oder aber auch per Akku betrieben. Bei letzterem gilt: lieber zu einer Kamera mit höherer Akku-Laufzeit greifen.

Ein GPS-Sensor zur Standorterfassung muss ebenfalls dabei sein. Was die Befestigung angeht, gibt es Modelle zum Kleben und/oder mit Saugnapf. Wer öfter das Auto wechselt, ist mit dem Saugnapf allerdings flexibler. Nicht zwingend nötig, aber dennoch praktisch, ist beispielsweise eine Kugelkopfhalterung zur besseren Ausrichtung. Manche Cams sind sogar sprachgesteuert und lassen sich so leichter bedienen. Außerdem praktisch: eine Verbindung zum Smartphone oder Tablet zur Datensicherung.

Was kosten Dashcams?

Von 30 bis 1.000 Euro reicht das Angebot im Handel. Das macht die Auswahl schwierig. Doch wie verschiedene Tests zeigen, können bereits Kameras unter 100 Euro ihren Zweck erfüllen und akzeptable Bildqualitäten liefern. Jedoch sollte man nicht zu viel erwarten, was Ausstattung und datenschutzkonforme Speicherung betrifft. Wer ein Budget von mindestens 150 Euro einplant, muss sich in der Regel nicht mehr mit diesen Fragen beschäftigen.

Dashcam Nextbase
Nextbase

Dashcams von Nextbase schneiden bei Tests in der Regel gut ab.

Wie sieht es rechtlich aus?
Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Michael Schulte beantwortet die wichtigsten Fragen.

03_2022_Dr. Michael Schulte Rechtsanwalt Verkehrsrecht Kanzlei Altrogge
Kanzlei Altrogge

Inwieweit ist in Deutschland die Nutzung von Dashcams erlaubt?

Der Einsatz von Dashcams im öffentlichen Raum ist rechtlich umstritten. In Deutschland darf grundsätzlich niemand gegen seinen Willen gefilmt werden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Aufnahmen mit Dashcams nur erlaubt sind, wenn es zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist – zum Beispiel bei Uneinigkeit der Schuldfrage beim Unfall und wenn keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Darüber hinaus besteht beim Einsatz von Dashcams im Fahrzeug das Problem, dass der Verwender seinen Informationspflichten gegenüber den potenziell aufgenommenen anderen Verkehrsbeteiligten im fließenden Verkehr nicht nachkommen kann. Im Normalfall müsste er nämlich jede einzelne Person fragen, ob sie damit einverstanden ist, gefilmt zu werden. Das ist im fließenden Verkehr, anders als bei stationären Videoüberwachungsanlagen vorgesehenen Informations- und Hinweisschildern, natürlich nicht möglich. Dies stellt daher grundsätzlich einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar.

Wie sieht es mit der Veröffentlichung von Dashcam-Videos aus?

Aufnahmen von anderen Autokennzeichen oder Personen ohne entsprechende Einwilligung im Internet oder anderweitig zu veröffentlichen, verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Insgesamt gilt, dass bei unzulässiger Verwendung von Dashcams die jeweils zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden Bußgelder verhängen können. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn Privatleute mit ihren Aufnahmen ein Fehlverhalten anderer anzeigen möchten. Videoaufnahmen zur Strafverfolgung sind nur den Ermittlungsbehörden und dies auch nur in engen Grenzen erlaubt.

Sind Dashcam-Aufnahmen vor Gericht zulässig?

Trotz der datenschutzrechtlichen Bedenken kann im Einzelfall laut Fachanwalt Michael Schulte auch eine permanente und anlasslose Aufzeichnung einer Dashcam im Unfallhaftpflichtprozess als Beweismittel verwertbar sein. Dies hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2018 so entschieden (Az.: VI ZR 233/17). Trotzdem müssen die Interessen immer abgewogen werden.

Dass man die Videoaufnahmen verwerten kann, wurde unter anderem damit begründet, dass sich ein Verkehrsteilnehmer durch die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich selbst der Wahrnehmung und Beobachtung anderer Verkehrsteilnehmer aussetzt. Auch der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen führen für sich genommen nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Der Bundesgerichtshof wies allerdings ausdrücklich darauf hin, dass ein Datenschutzverstoß bei einer permanenten und anlasslosen Aufzeichnung vorliege. Es wird in jedem Fall grundsätzlich abgewogen.

Gibt es Bußgelder bei nicht ordnungsgerechter Nutzung?

Das kann passieren. Hierzu schreibt zum Beispiel der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen im Internet: "Bei rechtswidriger Dashcam-Nutzung durch Privatpersonen orientieren sich die bislang festgesetzten Geldbußen an einem Betrag von 500 Euro. Dabei wird von einem leicht fahrlässigen Verstoß ausgegangen. Bei einem vorsätzlichen oder wiederholten Verstoß würde eine höhere Geldbuße festgesetzt.

Erhöhungen auf 1.000 Euro oder mehr sind auch möglich, wenn das Einkommen des Verantwortlichen besonders hoch ist, ein besonders langer Zeitraum aufgezeichnet wurde oder mehrere Kameras eingesetzt waren." Wie hoch die Strafen am Ende sind, hängt von den Fällen und den Datenschutzbehörden in den Bundesländern ab. Deshalb sollte die Dashcam nur kurz und anlassbezogen filmen – zum Beispiel in Unfallsituationen.

Wie sieht die rechtliche Lage im Ausland aus?

Im europäischen Ausland fehlen in den meisten Ländern konkrete gesetzliche Regelungen zur Verwendung von Dashcams. Im Einzelfall sollte man sich über die besonderen Regelungen in dem jeweils maßgeblichen Land informieren, bevor eine Dashcam im Ausland eingesetzt wird.

Dashcams im Ausland

Land

Dashcam-Nutzung

Bosnien-Herzegowina

Grundsätzlich unproblematisch. Bei Verwendung als Beweismittel: Unfallbeteiligte sofort informieren

Belgien

nicht verwenden

Dänemark

Grundsätzlich unproblematisch. Bei Verwendung als Beweismittel: Unfallbeteiligte sofort informieren

Finnland

Grundsätzlich unproblematisch. Bei Verwendung als Beweismittel: Unfallbeteiligte sofort informieren

Frankreich

Grundsätzlich unproblematisch. Bei Verwendung als Beweismittel: Unfallbeteiligte sofort informieren

Großbritannien

nur für privaten Gebrauch

Italien

nur für privaten Gebrauch

Luxemburg

nicht verwenden

Malta

nur für privaten Gebrauch

Niederlande

nur für privaten Gebrauch

Norwegen

nur für privaten Gebrauch

Österreich

nur für privaten Gebrauch

Polen

Kamera leicht entfernbar, Aufnahmen regelmäßig überschreiben

Portugal

nicht verwenden

Schweden

Kamera leicht entfernbar, Aufnahmen regelmäßig überschreiben

Schweiz

nicht verwenden

Serbien

Kamera sollte geringe Auflösung haben, nicht benötigte Daten nach fünf Tagen gelöscht werden und vor Zugriff Unbefugter geschützt sein

Spanien

Kamera sollte geringe Auflösung haben, nicht benötigte Daten nach fünf Tagen gelöscht werden und vor Zugriff Unbefugter geschützt sein

Tschechische Republik

Kamera sollte geringe Auflösung haben, nicht benötigte Daten nach fünf Tagen gelöscht werden und vor Zugriff Unbefugter geschützt sein

Ungarn

Kamera sollte geringe Auflösung haben, nicht benötigte Daten nach fünf Tagen gelöscht werden und vor Zugriff Unbefugter geschützt sein

Quelle: ADAC; kurzfristige Änderungen der Rechtslage sind immer möglich.

Ist der sogenannte Wächtermodus im Auto zulässig?

Manche Autos, zum Beispiel die Modelle von Tesla, besitzen einen sogenannten Wächtermodus, der Bewegungen rund um das Auto aufzeichnet. Das ist vor allem dann interessant, wenn ein Auto, das im öffentlichen Raum abgestellt ist, beschädigt wird.

Hier ergeben sich datenschutzrechtlich keine anderen Aussagen als bei den Dashcams. Es muss sichergestellt sein, dass Verkehrsteilnehmer nicht ohne entsprechenden Anlass gefilmt werden. Dementsprechend ist der Wächter-Modus einzustellen – beispielsweise so, dass Aufnahmen nur noch gespeichert werden, wenn gleichzeitig Erschütterungen durch andere Sensoren erkannt werden. Ansonsten muss der Wächter-Modus im öffentlichen Verkehrsraum deaktiviert werden, wenn der Verdacht aufkommt, dass er grundlos Filmaufnahmen startet.

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Fazit

Dashcams im Auto sind ein rechtlich umstrittenes Thema aufgrund des Datenschutzes. Denn niemand darf gegen seinen Willen aufgenommen werden. Aus dem Auto heraus ist es quasi unmöglich, jede gefilmte Person um Erlaubnis zu bitten. Allerdings können anlasslose Aufnahmen, die eine Länge von ein bis zwei Minuten überschreiten, im Einzelfall trotzdem als Beweismittel bei Streitigkeiten in Gerichtsverfahren eingesetzt werden, wie der Bundesgerichtshof 2018 entschieden hat.

Wer sich für solche Fälle eine Dashcam zulegen möchte, sollte ein Budget von mindestens 150 Euro einplanen, um ein qualitativ hochwertiges Gerät zu erhalten. Vor allem auf eine gute Auflösung, GPS- und Beschleunigungssensor sowie lange Akku-Laufzeit sollte man hier achten.