VW Passat GTE Variant im Dauertest
100.000-km-Prüfung für den Hybrid-Kombi

Wer 100.000 Kilometer mit einem zweimotorigen Plugin-Hybrid, aber ohne Liegenbleiber oder sonstige großartige Probleme schafft, der hat sich so einen Fototapeten-Aufmacher verdient. Zumal sich der Passat GTE überhaupt als patenter, geräumiger und beliebter Typ erwies.

VW Passat GTE
Foto: Peter Wolkenstein

Ein verregneter Tag im bleiernen Herbst. In der feuchtkalten Tiefgarage des Kaufhauses glänzt der Boden im Muster der nassen Reifenspuren. Und dann kommst du vom Einkaufen zurück, biegst um die Ecke, und da wartet er im Neonlicht: der Passat Variant. Du bleibst kurz stehen und denkst: Was für ein schicker Typ! Oryxweiß, 18-Zöller, klare Linien. Liebe Freunde des sachlichen Automobiljournalismus: mehr richtiges Leben geht nicht. Wer in so einer düsteren Ecke noch top aussieht, der hat was drauf.

Unsere Highlights

Nein, es gibt jetzt keine Vergleiche zu Lebenspartnerinnen, die sowohl in Nachtwäsche als auch mit Hausmacher Sülze wie bei Mutti begeistern sollen. Erinnern wir uns lieber daran, dass sich Sympathie zu einem Auto meist aus mehreren Quellen speist. Optik, klar, aber auch Bedienung, Dynamik, Komfort, Platz und Zuverlässigkeit. Wenn der Wagen jetzt noch wenig Sprit braucht, vielleicht sogar mal lokal emissionsfrei fährt: Bingo! Nun, wir müssen unseren WOB-DX 31E nicht gleich Bingo taufen, doch verdient hätte er es.

Probleme? Praktisch keine

VW Passat GTE
Peter Wolkenstein

Fangen wir direkt an: 100.000 Kilometer, keine Liegenbleiber, keine Ausfälle. Außer der Reihe muss er während der 22 Monate nicht einmal in die Werkstatt. Einzig die Frontkamera bereitet bei Kilometer 42.500 kurz Probleme, funktioniert dann wieder, muss aber aufgrund eines neuen Software-Stands bei der anstehenden Inspektion getauscht werden. Angesichts des hohen technischen Aufwands im GTE mit Plug-in-Hybrid und seiner Assistenz-Armada ein erträgliches Malheur. Und sonst, im Alltag, wo es gilt? Da ist uns der VW ein super Kumpel, der etwa im Winter mit seiner schnell ansprechenden elektrischen Heizung überzeugt, die nicht erst lange aufs warme Kühlwasser warten muss, um zu bullern. Etwas Kritik kassiert das Infotainment, dessen Topversion sich mechanische Regler für Lautstärke, Titelwahl oder Navi-Zoom spart. Ein Umstand, der von vielen Nutzern gerügt, von niemandem gelobt wird. So viel zum Volldigital-Hype. Immerhin bietet der Passat Lautstärke- und Titelsprungwippen am Lenkrad, woran man sich gut gewöhnen kann. Wie an den Rest der etwas kleinteiligen Steuerungen dort, etwa für den Abstandsregeltempomaten.

Der ergibt Sinn, wenn es um die optimale Nutzung hybridischer Möglichkeiten geht. Schließlich erwärmt der Passat beim Verzögern (mit recht transparentem Pedalgefühl) nicht sinnlos die Bremsscheiben, sondern schickt die kinetische Energie zurück in den Akku. Effizienz, wenn der persönliche Fahrstil sich darauf eingestellt hat. Ohnehin steckt das größte Sparpotenzial wie so oft zwischen den Ohren des Piloten und nicht allein hinterm Kühlergrill. Kurzer Einschub: Hinterm Kühlergrill versteckt sich nicht nur die Ladedose, daraus strahlen auch LED-Scheinwerfer hell und gleichmäßig. Fein. Ein sinnvolles Assistenzsystem, das man sich nicht sparen sollte.

Sparen? Das kann der GTE. Und zwar beim Verbrauch. Stumpf über alles gerechnet zieht er sich im hybridischen Mix ohne elektrisches Nachladen 7,2 l/100 km durch die Brennräume, im Mix nach ams-Profil mit elektrischem Laden sind es 2,2 Liter Super und 16,2 kWh Strom auf 100 Kilometer.

Verbrauch? Kommt drauf an

Kurz gesagt: Der Verbrauch hängt von Ladedisziplin und Fahrprofil ab. Wer auf der Autobahn stundenlang Volllast pumpt, kommt kaum in den Genuss der Plug-in-Hybrid-Möglichkeiten, die der GTE mit seinem Siebengang-DSG ansonsten perfekt nutzt, unmerklich rekuperiert, nachlädt und sanft boostet. Im GTE-Modus kann er auch flott; wenn beide Maschinen gemeinsam schuften, ihre 400 Newtonmeter bringen, kannst du in den Kasseler Bergen auch links und bergauf mitspielen. Exakte Lenkung, wank armes Fahrwerk und die ausgeglichene Gewichtsverteilung fördern entspannte Dynamik, untermalt vom bassigen, aber nie aufdringlichen GTE-Synthetikklang. Negativ: die mäßige Traktion an der angetriebenen Vorderachse aufgrund druckvoller Hybrid-Power und der Gewichtsverteilung mit dem Akku hinten. Ist jener leer, verausgabt sich der 156-PS-Turbo unter hörbarem Protest bei überschaubarem Elan.

Das fällt umso mehr auf, da sowohl der E-Boost als auch das rein elektrische Fahren rundum überzeugen. Kultiviert und sanft, aber nachdrücklich schieben die 330 Nm der E-Maschine den 1,7-Tonner an. Wer haushält, kommt mit dem 9-kWh-Akku bei 23,4 kWh Durchschnittsverbrauch fast 40 Kilometer weit. Wer regelmäßiges Laden konsequent durchzieht, fährt im Nahverkehr lokal emissionsfrei.

Laden? Da war doch noch was. Genau, der Kofferraum. Sollte der Weg mal zum nächsten Möbelmarkt führen, endet die Freude nicht bei der Rückkehr aus dem Geschäft. Nein, nicht nur wegen der schicken Optik, spätestens bei umgeklappten Lehnen schluckt der Variant trotz Akkupaket im Heck mehr, als manches Familienbudget verträgt. Nur für den Fall, dass die Ikea-Fundgrube den – leider bereits montierten – Lieblingssessel für einen Spottpreis parat hält. Sobald alle Lehnen wieder stehen, mimt der Passat kompetent den Reiseonkel.

Aber das konnten die Variant ja schon immer. Auch dieser: massig Platz vorn und hinten mit enormer Beinfreiheit sowie insgesamt komfortablen Stoffsitzen. Die fühlen sich angenehm an, konservieren jedoch Flecken wie Schweißränder oder Kaffeeschwapper. So nett der Ergositz mit Massage für den Fahrer auch ist, der Basisstuhl auf der Beifahrerseite dürfte kuscheliger sein.

Das ist aber eine der wenigen Einschränkungen an einem top verarbeiteten Alleskönner, der sich auf 100.000 km für nichts zu schade war, sich praktisch keine Fehler erlaubte und alle überzeugte. Bingo!

Vor- und Nachteile
sehr kultivierter Hybridantrieb
gute Fahrleistungen
hohes Spritsparpotenzial
ausreichend kräftiger reiner E-Antrieb
viel Platz für Passagiere
großer, gut nutzbarer Kofferraum
grundsätzlich bequeme Sitze
einfache Grundbedienung
präzise Lenkung sichere Fahreigenschaften
umfangreiche Assistenz
effizientes LED-Licht
gute Rundumsicht
geringer Bremsenverschleiß
sehr gute, dauerhafte Verarbeitung
viele Ablagen
etwas straffe Federung
mäßige Traktion
Infotainment ohne Knöpfe
kurze Wartungsintervalle

Fazit

Viel lässiger kann man 100.000 Kilometer nicht absolvieren. Bis auf den Tausch der Frontkamera bleibt unser VW Passat GTE anspruchslos, verlangt nicht einmal nach Bremsbelägen. Beweis für die Reife des Plug-in-Hybridantriebs, der Fahrspaß mit Sparspaß vereint. Im Nahverkehr summt er lokal emissionsfrei, frisst auf der Langstrecke entspannt Kilometer und sieht am Ende noch genauso gut aus wie am Start. Super gemacht!

Technische Daten
VW Passat Variant GTE GTE
Grundpreis45.960 €
Außenmaße4773 x 1832 x 1516 mm
Kofferraumvolumen483 bis 1613 l
Hubraum / Motor1395 cm³ / 4-Zylinder
Leistung115 kW / 156 PS bei 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit222 km/h
0-100 km/h7,6 s
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Testverbrauch7,0 kWh/100 km
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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten