Mercedes EQS SUV im Test
Wie gut ist der luxuriöse Elektro-SUV?

Schlicht EQS SUV heißt das dritte Modell auf der großen E-Plattform von Mercedes, hier versehen mit dem Zusatz 580 4Matic. Mit anderen Worten: der größte, schwerste und stärkste Elektrowagen von Mercedes. Na, dann testen wir mal!

Mercedes EQS SUV
Foto: Rossen Gargolov

Etwas Schotter kann nicht schaden, wenn Sie sich für einen Mercedes EQS SUV 580 4Matic interessieren. Nicht nur weil der große Mercedes dank Vierradantrieb und variabler Kraftverteilung auf losen Untergründen jeder Art bestens zurechtkäme. Sondern auch weil zum Entrichten des Kaufpreises nicht wenig Kies erforderlich ist.

Mit einem Grundpreis von genau 135.433 Euro und 90 Cent sortiert der EQS SUV 580 4Matic das Segment der Kaufwürdigen schon sehr selbstbewusst ein. Der alpingraue (Manufakturlack, 1.200 Euro extra) Testwagen stellt mit allen Sonderausstattungen laut Mercedes einen Gegenwert von 165.124 Euro dar. Für so viele Steine gäbe es etwa – unter uns Mercedes-Freunden – ein restauriertes Oldtimer-Cabrio der Baureihe W 111 oder einen zehn Jahre alten SLS AMG.

Der große E-Ratgeber

Im Nutzwert kann natürlich keine dieser beiden Mercedes-Alternativen mit dem EQS SUV mithalten. Böse Zungen in der Redaktion sprachen gar angesichts des großen Elektro-Mercedes, dass man das "SUV" im Namen eigentlich durch "Van" ersetzen könnte. Wobei das durchaus auch als Kompliment verstanden werden kann. Der SUV bietet immerhin eine Siebensitzer-Konfiguration optional an (1.904 Euro), doch das gibt es beispielsweise ebenso bei Tesla.

Raumfülliges Interieur

Mercedes EQS SUV
Rossen Gargolov
Die Rücklehne ist dreiteilig vorklappbar.

Was es bei Tesla so nicht gibt, ist die Raumfülle, mit der der EQS SUV seine Passagiere empfängt. Vier Personen fühlen sich sehr fürstlich untergebracht, an Knie- und Kopffreiheit mangelt es weder in der ersten noch in der zweiten Reihe. Ganz so opulent wie etwa in einem GLS oder einer S-Klasse geht es zwar nicht zu, doch viel Konkurrenz muss der EQS SUV in dieser Disziplin im E-Auto-Bereich nicht fürchten.

Das gilt genauso für den Laderaum, maximal 2.100 Liter Fassungsvermögen bietet der Mercedes. 645 Liter passen bei aufgerichteten Fondlehnen ins Heck. Das hat schon was von einem Van. Zumal das Interieur des SUV, ähnlich wie bei der EQS-Limo, sich deutlich nüchterner präsentiert als bei den Upperclass-Mercedes mit Verbrennungsmotoren.

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Modern und etwas kühl wirkt die Inneneinrichtung obendrein. Die Bildschirm-Landschaft im Cockpit prägt den Eindruck. Glas-Cockpit heißt so was bei Flugzeugen, vielleicht findet der Begriff bald auch ins Auto-Universum. Im Falle des Mercedes erstreckt sich diese Landschaft auf 1,40 Metern zwischen den A-Säulen. Hyperscreen wird das Ganze genannt, und es fährt im 580 4Matic serienmäßig mit.

Bei den unteren EQS-SUV-Varianten kostet der Hyperscreen 8.568 Euro Aufpreis. Brillante Grafiken, vielfältig individualisierte Anzeigen, schneller Rechner und cooles Design – all das bietet der große Schirm. In Zusammenarbeit mit dem noch mal optimierten MBUX sorgt er für weitgehend stressfreie, meist logische und sichere Bedienung. Auf dem rechten Teil des Hyperscreens kann sich der Beifahrer sogar extra Inhalte anschauen, YouTube-Videos etwa. Registriert die Fahrerüberwachung ein Abschweifen der Fahreraufmerksamkeit, wird die Darstellung aus seiner Sicht abgedunkelt. Das ist fraglos sehr praktisch und sicher, hat dennoch etwas Orwelleskes an sich.

Wohlfühlen im EQS SUV

Mercedes EQS SUV
Rossen Gargolov
Die Tasten in der Mittelkonsole erleichtern die Bedienung: Rechts neben dem Startknopf ist der Fingerabdrucksensor, oben links die Fahrprogramme.

Und da wir nun beim Rumkritteln sind: Die kapazitativen Wischtasten in den Lenkradspeichen sind auch in diesem Mercedes ein Ärgernis, unpräzise und fummelig im Umgang. Nicht wenige Kunden scheinen das ähnlich zu sehen. Es wird gemunkelt, ein Lenkrad mit echten Tasten befinde sich bereits in der Entwicklung. Und um das Thema Lenkrad abzuschließen: Im Testwagen ist das unten abgeflachte Multifunktionslenkrad verbaut, wie es auch in diversen AMG zum Einsatz kommt. Das einfachere, runde Lenkrad wäre im SUV womöglich die bessere Wahl.

Platz genug für eine entspannte Sitzhaltung böte der SUV jedenfalls auch ohne abgeflachtes Lenkrad. Doch auch so macht sich alsbald Wohlgefühl im Wagen breit. Schließlich verfügt keine andere Automobilklasse über ähnlich günstige Voraussetzungen dazu wie ein Luxus-Elektroauto.

Der EQS SUV gibt sich jedenfalls sehr viel Mühe, die Insassen möglichst wenig mit Antriebs- und Fahrwerksvorgängen zu behelligen. Das gilt natürlich in erster Linie für den Fahrer. Die beiden Synchronmaschinen machen normalerweise kein großes Aufheben darum, dass sie zusammen 858 Nm entfesseln können, dazu gleich mehr. Sie laufen extrem leise und weich, das Fahrpedal reagiert gut dosierbar und linear auf Marschbefehle.

Majestätische Gefühle

Mercedes EQS SUV
Rossen Gargolov
70 Zentimeter über der Fahrbahn trohnen die Sportsitze, die eine Sonderausstattung ohne Mehrpreis sind.

Das luftgefederte Airmatic-Fahrwerk (Serie bei allen EQS SUV) müht sich ebenso, Umwelteinflüsse von Chauffeur und Fahrgästen fernzuhalten, meist sehr erfolgreich. Selbst auf übleren Pisten geht kaum mehr als leichtes Wanken durch den Wagen. Das hat große Klasse, und es wirkt sehr souverän. Die majestätische Wirkung mag zum Teil darauf beruhen, dass die Insassen 70 Zentimeter über der Fahrbahn thronen. Größere Entfernung lässt Ungemach oft kleiner erscheinen, so auch hier.

Fast noch mehr Aufhebens macht Mercedes, um klimatische Malaisen möglichst draußen zu halten. Die Thermotronic-Klimaanlage arbeitet leise und effizient, auch bei sehr tiefen Temperaturen. Wobei das Thermo-Management eines hochentwickelten Premium-Elektroautos locker Stoff für ein paar Ingenieurs-Promotionen hergäbe. Daher hier nur ein paar Details am Rande: Die Heizung für die Insassen ist in den Kühlkreislauf des Antriebs eingebunden. Der kühlt nicht nur die E-Motoren, ebenso wird die Abwärme von Ladungsmanagement und DC-Wandler abgeführt. Unter anderem werden zudem die Rotorwellen von innen per Wasserlanze gekühlt. All das arbeitet so wirkungsvoll, dass meist erst bei Außentemperaturen unter fünf Grad per Hochvolt-PTC-Luftwärmer zugeheizt werden muss. Mit alldem müssen sich die Insassen nicht auseinandersetzen, es reicht, auf den Displays die Wunschtemperatur auszuwählen und in die Sessel zu sinken.

Gelassen und sparsam

Mercedes EQS SUV
Rossen Gargolov
Ein Batteriepack mit 108,4 kWh, zwei E-Motoren mit 400 kW, so einfach kann E-Mobilität aussehen.

Außer fürs Klimatisieren ist der Antrieb zum, na, Antreiben zuständig, auch das macht er hervorragend. Seine Laufruhe und Drehmomentstärke kamen ja bereits zur Sprache. Ein Blick auf die gemessenen Fahrleistungen beantwortet zudem alle weiteren Fragen: Die beiden E-Motoren können den 2,8-Tonnen-Koloss in 4,5 Sekunden auf 100 km/h schleudern, fast so, als sei er eine Seifenkiste mit Raketentriebwerk. 210 km/h sind maximal möglich, und auch das erledigt der EQS mit maximaler Gelassenheit.

So ist auch der Testverbrauch von 33,1 kWh/100 km zu verstehen: Er erreicht unter anderem deswegen dieses Niveau, weil eben Masse und Leistung einen gewissen Energiebedarf bedeuten. Wer die Kraft des Antriebs ausschließlich als ideelle Reserve betrachtet, fährt natürlich sparsamer, kommt so im bleifußarmen Alltag durchaus mit 26 kWh/100 km aus. Das ist bei einem Auto dieser Ausmaße schon eine Ansage, entspricht es doch einem CO2-Ausstoß von gerade mal 104 g/km, ein Kleinwagenwert.

Ähnlich talentiert zeigt sich die EVA-II-Plattform des SUV zudem beim Laden. So benötigt der EQS SUV lediglich 38 Minuten, bis Energie für die nächsten 300 km in die Batterie geströmt ist. Da muss man sich beim Burger-Verzehr schon etwas beeilen, um rechtzeitig wieder an der Ladesäule zu stehen.

Um weitere Verrichtungen braucht sich der Fahrer auch auf weiteren Fahrten nicht zu kümmern – auch das ein Aspekt des automobilen Luxus. Er kann die Rekuperationsstufen nach eigenem Gusto variieren, und zwar mit hübsch galvanisierten Wippen hinterm Lenkrad. Drei Rekuperationsstufen stehen so zur Verfügung. Zudem gibt es eine "D Auto"-Einstellung, bei der der Mercedes situationsabhängig entscheidet, wie viel Rekuperation passend wäre. Das beliebte One-Pedal-Fahren bis zum Stillstand ist dann möglich.

Mäßiges Brems-Feedback

Mercedes EQS SUV
Rossen Gargolov
33,7 Meter benötigt der EQS, um mit warmer Bremse aus 100 km/h zu stoppen, das ist ein Top-Wert. Das Bremspedal nervt dennoch im Alltag mit diffuser Rückmeldung.

Die vielfältigen Rekuperationsmöglichkeiten sind umso erfreulicher, als das Bedienen des Bremspedals in unserem EQS SUV 580 4Matic schlicht ein Ärgernis ist. Bereits beim Starten des Fahrzeugs irritiert der wandernde Druckpunkt des Pedals. Störender wirkt sich das im Fahrbetrieb aus. Vor allem wenn nach einem ersten Anbremsen mehr Druck erforderlich wird, scheint das Pedal ins Bodenlose zu fallen, bevor wieder spürbare Bremswirkung einsetzt.

Dabei bremst der EQS an und für sich exzellent, steht mit warmer Bremse nach 33,7 Metern – ein echter Top-Wert, erst recht für ein Elektroauto, das mit Testfahrer rund 2,9 Tonnen wiegt. Das erratische Bremsverhalten verdirbt darüber hinaus recht nachhaltig den Spaß an zügigen Landstraßenfahrten. Exaktes Anbremsen einer Kurve mit entschlossenem Pedaleinsatz ist so kaum möglich. Schade, denn der mächtige EQS SUV geht sehr gut ums Eck.

Bei den Fahrten auf dem Testgelände und auf der Landstraße agiert er behände und kurvenwillig, dabei jederzeit fahrsicher und untückisch. Kurz: großes Kino bei so einem großen Auto. Unterstützt wird er dabei von den mitlenkenden Hinterrädern, die in engen Kehren bis zu zehn Grad mitschwenken können. So stört es kaum, dass dieser Mercedes ohne automatische Wankstabilisierung auskommen muss, weil er sonst zum 12-Volt- und dem Hochvolt-Bordnetz noch ein drittes für 48 Volt benötigt hätte. Möglich ist das, denn in der AMG-Version des kleineren EQE SUV gibt’s dieses Technikpaket. Im EQS hingegen hätte es wohl selbst für Mercedes zu viel Schotter bedeutet.

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Kosten
Gute Serienausstattung
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Hoher Kaufpreis
Hohe Fixkosten

Fazit

Wer einen Elektro-SUV mit viel Platz, hoher Reichweite und gutem Reisekomfort sucht, dabei nicht auf den Cent achten muss, findet derzeit kaum ein überzeugenderes Angebot. Das mäßige Brems-Feedback und der Ressourcenverbrauch bei Produktion und Transport aber trüben die EQS-Euphorie.

Technische Daten
Mercedes EQS SUV 580 4Matic
Grundpreis147.923 €
Außenmaße5125 x 1959 x 1718 mm
Kofferraumvolumen645 bis 2100 l
Höchstgeschwindigkeit210 km/h
0-100 km/h4,5 s
Verbrauch20,0 kWh/100 km
Testverbrauch33,1 kWh/100 km