Mercedes-AMG C 63 im Gebrauchtwagen-Check
V8-Genuss oder Geldverbrennung?

Der beliebte Mercedes-AMG C 63 geht bald in Rente. Höchste Zeit also, das aktuelle, seit 2015 gebaute Modell als Gebrauchtwagen zu beleuchten. Die Mutter aller Fragen: Begehrenswerte Ikone oder anfälliges Renntaxi mit Hang zur Geldverbrennung?

Mercedes-AMG C 63 S, Exterieur
Foto: Rossen Gargolov

Mit Ikonen ist das ja so eine Sache. Hochgejubelt werden sie schnell, manchmal aber stürzen sie noch schneller ab. Ob Fußball-Millionär, Chart-Sternchen oder Instagram-Wunder – jeder kennt die Geschichten. Beim Auto darf das schon differenzierter betrachtet werden. Mercedes-Flügeltürer, Porsche Carrera GT, Lamborghini Countach, Ferrari F40 und Bugatti Veyron – alles Ikonen, hier sind wir uns einig. Doch ist ein AMG C 63 eine Ikone? Oder ein M3, ein RS 4? Unterschiedliche Autos, unterschiedliche Antworten, je nachdem, wen man fragt. Das hohe C hat sich über die Jahre jedenfalls einen guten Ruf erarbeitet.

Unsere Highlights

Aber es hat gedauert. Mit den DTM-Ablegern 190 E 2.5-16 Evo und Evo II schufen die Schwaben eine gute Basis. Die beiden dürfen als Ikonen ihrer Epoche gelten. Doch AMG hat über die Jahre das tolle Image nicht konsequent weitergepflegt. Beispiele: C 36, C 43, C 32 und C 55. Erst der C 63 von 2007 mit seinem dicken Big Block unter der Haube zeigte, dass ein AMG nicht nur längs schnell sein kann, sondern auch in Kurven.

Ja, das Handling hat man lange stiefmütterlich behandelt, erst die Baureihe 204 schüttelte den Wackelpudding aus den Gelenken. So wurde der Nachfolger 205 mit Spannung erwartet, der 2015 das Erbe antrat. Motor-Fetischisten waren gleich mal skeptisch: Der famose und frei saugende V8-Brüller M 156 musste einem doppelt aufgeladenen Achter mit schüchternen vier Litern Hubraum weichen. Also gut zwei Liter (!) weniger als bisher. Doch das Rumheulen war unnötig. Denn der neue M 177 verrichtet auch im Sportwagen GT seinen Dienst, dort allerdings als M 178 mit Trockensumpfschmierung.

Mit 476 PS und 650 Newtonmetern respektive 510 PS sowie 700 Nm (als S-Version) legte AMG gegenüber der Vorgänger-C-Klasse eine Schippe nach. Die Unterschiede zwischen den beiden PS-Stufen aufzuzählen würde beinah ein ganzes Buch füllen. Denn sie beziehen sich auf das ganze Auto, und beim Facelift 2018 gab es weitere Änderungen.

Teuflische rote Limo

Mercedes-AMG C 63 S, Exterieur
Rossen Gargolov
Gute Ausstattung, nur 28.000 Kilometer und die Werksgarantie bis Juli sind top Argumente des schwäbischen Muscle-Cars.

Der hyazinthrote C 63 von Tobias Rossberger ist ein S-Modell. Der junge Nördlinger, der mit seinem Vater ein Taxi-Unternehmen betreibt, hat seinen AMG seit Mitte 2019 und will ihn verkaufen, "weil ich kaum zum Fahren komme, und dass er nur rumsteht, ist einfach schade". Tobias ist ein echter PS-Fan, er kam über BMW M3 E36, M5 E39, 335i und einen RS6 V10 Biturbo zu AMG. Seine Preisvorstellung von 50.000 Euro für ein 12/2015 zugelassenes Vor-Facelift-Modell ist zwar selbstbewusst, doch die gute Ausstattung, nur 28.000 Kilometer und die Werksgarantie bis Juli sind top Argumente. Die Nachfrage? "Bisher fast nur Dummschwätzer", so Tobias. "Einer rief an und meinte, das Rot ginge gar nicht, und er müsse das Auto erst mal folieren. Klar, er wollte den Preis kräftig drücken. Ein anderer Interessent hätte ihn gern genommen, aber seine Frau wollte lieber einen schwarzen Kombi."

Wir freuen uns über das strahlende Metallic-Rot bei diesem tristen Wintertag und laufen ums Auto. Kratzer, Beulen, sonst was? Fehlanzeige. Vor Kurzem gab es auf Garantie vier neue LED an den Türgriffen. Die Schmiederäder sind frei von Macken, dafür werden die Michelin Pilot Super Sport bald fällig sein – die 19-Zöller sind von 2015. Winterräder hat Tobias übrigens keine. "Sommerauto", grinst er. Startknopf gedrückt: Dunkel bollernd erwacht der V8. Raus aus der Stadt, Richtung Osten. Hier locken fast menschenleere bayerische Staatsstraßen. Von der weiß-blauen Rennleitung keine Spur, gut so.

Mercedes-AMG C 63 S, Exterieur
Rossen Gargolov
Tobis Auto hat die Performance-Abgasanlage verbaut, sie hat drei schaltbare Klappen. Der Sound? Satt und kraftvoll, insbesondere im Sport-plus- und Race-Modus.

Und sonst so? Nun, der C 63 fährt, lenkt und bremst. Untertrieben? Und wie! Die rote Limo geht wie der Teufel. Nicht zu vergessen: 510 PS Leistung hatten vor 20 Jahren noch echte Supersportwagen. Der doppelt aufgeladene V8-Turbomotor drückt schon bei 1.700 Touren kräftig. Bei 2.000/min liegen volle 700 Newton­meter an, und dann legt der Vierliter erst richtig zu! Aus den Augenwinkeln siehst du, wie es die Nadel des Drehzahlmessers Richtung roten Bereich peitscht. Der V8 presst deinen Leib gnadenlos auf die zweifarbig tapezierten Ledersitze. Das Klangspek­trum reicht von relativ dezent bis frech und rotzig. Tobis Auto hat die Performance-Abgasanlage verbaut, sie hat drei schaltbare Klappen. Der Sound? Satt und kraftvoll, insbesondere im Sport-plus- und Race-Modus. Die Old-School-Fans werden sagen: Doch, klingt gut, aber nicht so pur wie der alte 6,2-Liter-Saugmotor.

Beste Unterhaltung

Die Ohren werden also verwöhnt, was ist mit dem Popometer? Lenkung und Bremsen sind eins a. Über die beiden Powerdomes auf der Haube visierst du den Scheitelpunkt an, und das dicke C folgt millimetergenau der Linie. Doch selbst auf normalen Landstraßen rund um das schöne Nördlingen ist spürbar, was wir anlässlich un­serer Performance-Analyse in Heft 7/2019 notiert hatten: Bei den Modellen vor dem Facelift, das im Herbst 2018 kam, war die Regelung der elektromechanischen Differenzialsperre noch nicht so ausgefeilt. Plötzliche Haftungsabrisse der Hinterreifen sorgen schon mal für spontane Adrena­linschübe. Auch an Bord von Tobis rotem Renner. Klar, bei drei Grad Außentemperatur und mit gut fünf Jahre alten Sommerreifen lässt sich das Potenzial des schwäbischen Muscle-Cars nicht annähernd ausloten.

Außerdem wollen wir den schönen Roten keineswegs einer Kaltverformung aussetzen. Und: Die Differenzen spürt man eher auf der Rennstrecke denn im Alltag. Im Supertest war ein C 63 Coupé (Facelift) auf der Nordschleife nur zwei Sekunden langsamer als ein BMW M4 CS, der über 200 Kilogramm weniger wiegt. Und eben dieses Coupé war auf dem kleinen Kurs um 1,5 Sekunden schneller als eine Vor-Facelift-Limo mit 476 PS. Die Gründe aus unserer Sicht: vor allem die bessere Fahr­barkeit im Grenzbereich dank überarbeitetem Diff, neunstufiger Trak­tionskontrolle und der Sportreifen. Weniger wegen der 34 PS Mehrleistung, denn von null auf hundert beschleunigte das jüngere S-Coupé gerade mal um ein Zehntel flinker als die ältere Normalo-Limousine.

Mercedes-AMG C 63 S, Interieur
Rossen Gargolov
Im Innenraum schwankt die Verarbeitung. Das abgegriffene Performance-Lenkrad ver­ursacht bei der geringen Laufleistung Stirnrunzeln.

Alles gut also? Nun, auch Probleme wollen wir keineswegs ausklammern. Die AMG-Community bemängelt ein Getrieberuckeln. Nach einem Software-Update für die Kupplung verschwindet das Ruckeln zwar, dafür beklagen viele AMG-Driver, dass der Motor-Sound leiser wird. Auch Leistungsschwund mit einer pulsierenden Boost-Anzeige diskutieren die Forennutzer. Schuld sollen ein undichtes Verbindungsrohr im Ladedrucksystem sowie defekte Schub­umluftventile sein. Dinge, die jeder bei der Probefahrt checken kann und die zweitens jede Mercedes-Werkstatt beherrscht. Was noch? Quietschende Bremsen, je nachdem, welche Beläge verbaut sind. Weitere Probleme sind knarzende Sitze und die schwankende Verarbeitungsqualität. Etwa die knisternde Mittelkonsole und der kratzempfindliche Klavierlack. Auch für Tobi ein Thema. "Wenn man überlegt, wie viel Geld man ausgibt, ist das schon bedenklich."

Ikone oder Nachfolger?

Also, was jetzt? Ikone oder nicht? Nennen Sie ihn, wie Sie wollen – der AMG C 63 hinterlässt jedenfalls nachhaltig Wirkung. Wer sich von seinem mitreißenden Wesen nicht mitreißen lässt, sollte einen Arzt aufsuchen. Und: Es muss kein Auto aus zweiter Hand sein. Er ist auch neu zu bekommen, denn der Konfigurator funktioniert noch. Was man so vom Nachfolger hört, der in ungefähr einem Jahr auf der Matte stehen soll, klingt kaum ikonenverdächtig – eher emissionsverdächtig: Vierzylinder-Turbo plus E-Motor …

Fazit

Wer gerade so die Finanzierungsraten stemmen kann und schon einmal jährlich bei der Versicherungsrechnung die Oma anpumpen muss, dürfte mit dem AMG C 63 auf Dauer nicht glücklich werden. Der Unterhalt ist nicht von Pappe. Je nach Fahrweise gehen die Ausgaben für Sprit und Reifen gehörig ins Geld. Auch für Wartung und Reparaturen reicht – wen wundert’s – ein schmaler Geldbeutel keineswegs aus. Größere technische Schwächen, die beim Gebrauchtwagenkäufer für Ärger sorgen, sind hingegen keine auszumachen. Ansonsten: Der Fahrspaß ist von der umwerfenden Sorte. Ob Achtzylinder-Arie, Biturbo-Bumms oder der Chamäleon-artige Charakter – das V8-Modell aus Affalterbach präsentiert sich als absoluter Stimmungsaufheller. Auch wenn es schon etwas in die Jahre gekommen ist.