Ford Ranger und VW Amarok im Vergleichstest
Pick-up-Zwillinge oder ungleiche Brüder?

Ach, wie nahe läge es doch, das Foto "Pritsch over troubled water" zu nennen. Ford und VW nennen den gleichen Pickup hier Ranger und da Amarok. Gibt es einen besseren unter zwei gleichen Pritschenwagen?

Ford Ranger, VW Amarok
Foto: Hans-Dieter Seufert

Um eine Ernsthaftigkeit des Bedarfs an einem Pickup zu inszenieren, bietet es sich an, folgendes abzufragen: ob bei Ranger und Amarok eine Europalette auf die Ladefläche passt, wie viel sie ziehen und sich aufladen dürfen. Natürlich spielen wir da mit und geben die Antworten gerne: Ja, sogar quer zwischen die Radkästen, 3,5 Tonnen und rund 900 Kilo. Aber eigentlich geht es doch um Fragen wie: Was kostet wohl ein Zweimaster? Wäre es so gemütlich wie einst im Baumhaus, in einem Dachzelt zu übernachten (wobei wir aus dem reichen Angebot, das Ford davon im Zubehör führt, hier beispielhaft das Hartschalenmodell Esperance mit Leiter zu 3.771 Euro erwähnen)? Und liegt hinter diesem Jotwede ein Noch-janz-weiter-Draußen, in dem der Bär steppt (vor dem wir ins Dachzelt flüchten – und dann schnell die Leiter hochziehen)? Denn der Zauber eines Pickups liegt doch darin, welche fantastischen Möglichkeiten er unserem Leben eröffnet.

Unsere Highlights

Für Zeltenbummler

Wobei es, und damit machen wir uns auf in den Test, einiger Fantasie bedarf, um in diesen beiden zwei unterschiedliche Autos zu sehen. Das sind sie vor allem in der Vorstellung von Ford und VW, die bei den Nutzis kooperieren. Nachdem Ford VWs Kastenkombi Caddy als Tourneo zugeliefert bekommt, lässt sich VW nun den Ranger in Südafrika als Amarok bauen. Entwickelt hat den Pickup Ford Australien – eine Dependance, der man gewissenhafte Expertise über ein passendes Maß an Lasterhaftigkeit nachsagen darf.

VW Amarok
Hans-Dieter Seufert

VW Amarok 3.0 TDI 4Motion DC:240 PS, 600 Nm, 892 kg Zuladung, 3,5 t Anhängelast, 80 cm Wattiefe. Preis ab 62.366 Euro.

Als Ziel für die Neuentwicklung setzen die Entwickler – nach über 5.000 Interviews mit Ranger-Besitzern – fest, dass der Ranger der widerstandsfähigste aller Trucks werden und selbstbewusst daherkommen sollte (war kaum zu erwarten, dass sich Kunden nun plötzlich einen verhuschten Softie wünschen). So ist der Rangarok ein Wagen zwischen einst und heute, der sein robustes Wesen im Leiterrahmen seiner Möglichkeiten modernisiert. So erwähnen Ford und VW stolz das auf 30 Systeme angereicherte, im Test gut funktionierende Sortiment an Assistenzsystemen, vom Abstandstempomaten über Matrix-LED-Licht bis Rundum- und Durchsichtkamera. Doch dürften andere Details für Ranger-Besitzer wichtigere Assistenz bieten: die Trittstufe an der Flanke, um nicht mehr über das Hinterrad auf die Pritsche klettern zu müssen. Oder die zwei Abschleppösen am Heck, die im – scheinbar durchaus alltäglichen – Fall einer Havarie des Pickups die Bergung erleichtern sollen.

Verteile und herrsche

Wie bisher gibt es den Ranger als Einzel-, Extra- und Doppelkabine, den Amarok bisher nur als Double Cab. Vom Ford übernimmt er die je nach Motorisierung unterschiedlichen Allradsysteme: bei den schwächeren Vierzylindern ein manuell zuschaltbares, unsere V6-Diesel mit Zehnstufenautomatik haben Permanent-Allrad mit elektronischer Regelung sowie per Drehrad aktivierbarer Untersetzung und Diffsperre hinten.

Und, och, das ist schon ein sehr selbstbewusstes Vorankommen mit den 240 PS und 600 Nm des Dreiliter-Turbodiesel – ob der Weg nun asphaltiert sein mag oder ihm die Straßendecke abhandenkam. Biegen wir zunächst mal beherzt ins Abseits, auf den Offroad-Parcours des Bosch-Prüfgeländes in Boxberg. Auch wegen des kürzeren vorderen Überhangs – mit den 5,0 cm mehr Radstand hat Ford den vorderen Überhang verkürzt – kraxeln die beiden schroffe Böschungen empor, steigen mit Bergabfahrhilfe steile Abhänge hinab oder stelzen mit langen Federwegen über die Verschränkungswellen. Da sich die Geländemodi um die passende Modulation von Kraftverteilung, Fahrdynamikregelung und Antriebsvehemenz kümmern, bleibt dem Fahrer fast nur das Lenken. Rundumkameras zeigen ihm sogar, was direkt vor dem Auto liegt – also an Richtung wie Herausforderung.

Die liegt für die beiden Pickups jedoch eher auf festen Straßen – ja, fast wären wir geneigt zu sagen, lag. Denn für 2,4 Tonnen schwere Laster fahren beide bemerkenswert sicher und komfortabel. Wobei die hohe Punktzahl, welche die zwei bei Handling/Fahrspaß bekommen, sich durch eine besondere Art des Vergnügens erklärt, das sie bereiten: diese Erhabenheit, die nicht nur durch die herausgehobene Sitzposition entsteht, sondern mehr noch durch das Gefühl, ein Auto zu haben, das jederzeit bereit ist – für jede Jahreszeit, jedes Wetter, jedes Gelände, jede Aufgabe, jedes Abenteuer, jede fixe Idee.

Ford Ranger
Hans-Dieter Seufert

Ford Ranger 3.0 Ecoblue DC: 240 PS, 600 Nm, 888 kg Zuladung, 3,5 t Anhängelast, 80 cm Wattiefe. Preis ab 64.367 Euro.

Ganz ohne Kurverei-Talent freilich sind die zwei nicht, ihre Lenkung steuert sie präzise, keineswegs alles an Rückmeldung verschwummert in den dickprofiligen All-Terrain-Reifen. Klar schubbern die zwei in zu schnell angegangenen Kurven in ein Untersteuern, das trotz frühen ESP-Einschreitens eine Raumgreiflichkeit erlangen kann, welche den Fahrer bis an den Randstreifen seiner Möglichkeiten bringt. Doch wie der – bis auf die Bolzigkeit der Hinterachse bei kurzen Stößen – umgängliche Federungskomfort erlangt die Fahrsicherheit ein für Pickups bisher kaum erreichtes Niveau. Bis auf: die Bremsen.

Denn das geht gar nicht: gut 42 Meter Bremsweg aus 100 km/h mit warmer Anlage. Bedenklich vor allem, weil es Werte sind ohne die 900 kg Zuladung, die sich beide auflasten dürfen, und die 3,5 Tonnen, die sie anhängen dürfen. Das ist noch viel unzeitgemäßer als der Verbrauch. Der lässt sich noch etwas relativieren. Durch das hohe Transportpotenzial der beiden, die fünf Erwachsene in der Kabine und viele Doppelzentner Gepäck auf den Weiten der Pritsche unterbringen. Und drängt man die beiden nicht durch Eile, genügen statt der zwölf Liter Testverbrauch auf 100 km auch neun wie auf der Eco-Runde. Da wandlert die Automatik noch früher in die hohen ihrer zehn Stufen, wobei sie darauf achtet, alle Übersetzungen zum Zuge kommen zu lassen, und ihre Fertigkeiten im Stufenwechsel mit Hang zum Übereifer vorführt.

Herz einer Mardergrube

Dass am Ende von zwei fast gleichen Autos der Ranger besser ist, liegt nicht an der reichen Auswahl von sieben Marderschutzsystemen, welche für ihn im Werks-Zubehör bestellbar sind. Sondern daran, dass VW das an sich ganz eingängige Ford-Bediensystem auf die Konzern-Systematik umprogrammiert, deren Logik sich uns wohl niemals erschließt.

Ford Ranger, VW Amarok
Hans-Dieter Seufert

Wie es hinter der Kuppe weitergeht? Überträgt die Kamera am Bug aufs Infotainment. Von drinnen sieht man nur Himmel.

Schließlich kostet der Amarok bei ähnlich umfassender Ausstattung etwas mehr als der Ranger. Allerdings liegen beide eh um die 70.000 Euro. Was eine Menge Geld ist. Allerdings sind die Pickups eben ideale Gefährte und Gefährten für all jene, deren Leben und Fantasie zu groß sind, um in gewöhnliche Autos zu passen.

Fazit

1. Ford Ranger
470 von 1000 Punkte
2. VW Amarok
461 von 1000 Punkte
Technische Daten
VW Amarok DC 3.0 TDI 4Motion AventuraFord Ranger 3.0 EcoBlue Doppelkabine e-4WD Wildtrak
Grundpreis70.164 €64.367 €
Außenmaße5350 x 1917 x 1884 mm5370 x 1918 x 1884 mm
Hubraum / Motor2993 cm³ / 6-Zylinder2993 cm³ / 6-Zylinder
Leistung177 kW / 240 PS bei 3250 U/min177 kW / 240 PS bei 3250 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h190 km/h
0-100 km/h9,6 s9,6 s
Testverbrauch12,0 l/100 km11,9 l/100 km