Kein iCar - Apple gibt Autoprojekt auf
Apples größter Flop

Apple hat im vergangenen Jahr seine geheimen Testfahrten verdreifacht – und jetzt sein Autoprojekt abrupt beendet. Warum ein Auto kein rollendes Smartphone ist.

Apple iCar Ende
Foto: Vanarama/Patrick Lang

Nach einer massiven Ausweitung seiner Testfahrten 2023 hat Apple jetzt sein Autoprojekt beendet. Angeblich haben sich Manager aus der Automobil-Industrie vor einem von den Medien iCar getauften Appleauto gefürchtet – ohne Grund, wie sich jetzt herausstellt.

Das Handelsblatt hatte in einer Auswertung von Daten der kalifornischen Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle California Department of Motor Vehicles (DMV) festgestellt, dass Apple seine Testfahrt-Laufleistungen 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 453.000 Meilen (fast 730.000 Kilometer) circa verdreifacht hatte. Sämtliche Betreiber von voll- oder teilautonomen Testfahrzeugen in Kalifornien sind dem DMV dieses Bundesstaates gegenüber berichtspflichtig. Unter anderem müssen sie jährlich die Zahl ihrer Versuchsfahrzeuge und deren Laufleistung melden. Apple selbst war in Sachen Fahrzeugentwicklung stets geheimniskrämerisch und hat nie etwas zu seinen Fahrzeugprojekten vermeldet. Erst soll es den Kaliforniern mit Blick auf Tesla um die Entwicklung eines Elektroautos gegangen sein, dann sollen sie ihren Fokus auf teil- und vollautonomes Fahren gelegt haben.

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Als Testfahrzeuge hat Apple in jüngster Zeit vor allen Dingen speziell umgerüstete Lexus RX450h+ genutzt. 2023 ist das Jahr, in dem bei vielen Autoherstellern die Erkenntnis gereift ist, dass vollautonomes Fahren auch mittelfristig nicht erreichbar ist. So hat die für autonomes Fahren zuständige GM-Tochter Cruise nach Unfällen mit vollautonomen Fahrzeugen in San Francisco nicht nur ihre für die Stadt geltende Testlizenz verloren, sondern ihre kompletten Entwicklungs-Aktivitäten auf diesem Gebiet drastisch reduziert. Cruise-Insider hatten längst durchsickern lassen, dass sie einige Probleme beim vollautonomen Fahren aktuell für technisch nicht lösbar halten.

Software-Konzerne scheuen tiefe Fertigungstiefe

In Sachen US-Testkilometer kam Apple allerdings nur auf Platz drei. Cruise erreichte bis zu seinem plötzlichen Ausscheiden den zweiten Platz, während die höchsten Laufleistungen auf das Konto von Waymo gehen. Waymo ist eine Tochter des kalifornischen Tech-Konzerns Alphabet, zu dem auch Google gehört. 2014 stellte der Suchmaschinen-Konzern einen eigenen Prototyp vor: Das kleine eiförmige Google-Auto hatte seine Form vor allen Dingen, damit das auf seinem Dach montierte Lidar-System eine möglichst freie Rundumsicht hatte. Bereits damals sollen sich Manager aus der Automobil-Industrie Sorgen vor einem von einem kalifornischen Tech-Konzern entwickelten Auto gemacht haben. Das Lidar des Google-Autos kostete damals pro Fahrzeug 70.000 Dollar – der Konzern ließ schnell durchsickern, dass man zwar an der Lieferung von Softwaresteuerungen, nicht aber an der Produktion von Hardware interessiert sei. Software-Konzerne scheinen größere Fertigungstiefen zu scheuen.

Waymo fährt inzwischen mit Jaguar i-Pace fahrerlos durch San Francisco – unter wachsender Kritik von Rettungskräften und der Bevölkerung. Fahrerlose Fahrzeuge blockieren in der kalifornischen Metropole regelmäßig Rettungswege und verursachen Unfälle. So hat Anfang Februar 2024 ein Waymo-Fahrzeug einen hinter einem Lkw hervorfahrenden Fahrradfahrer gerammt, der sich dabei zum Glück nur leicht verletzt hat.

Die Probleme haben in der Autoindustrie zu einem Umdenken geführt – der Hype ums vollautonome Fahren ist vorbei. Als eine der Folgen hat beispielsweise Bosch als weltgrößter Autozulieferer im Januar 2024 Stellenstreichungen angekündigt – insbesondere in den Entwicklungsabteilungen fürs autonome Fahren. Solche Entwicklungen dürfen auch Apple nicht verborgen geblieben sein. Vollautonomes Fahren nach Level 5 hätte zwar neue Geschäftsfelder von einem gewaltigen Ausmaß eröffnet, aber auch die Apple-Entscheider haben jetzt anscheinend eingeschätzt, dass diese Art der Fortbewegung in den nächsten zehn Jahren technisch nicht umsetzbar ist.

2.000 Mitarbeiter für geheimes Projekt

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf Insider berichtet, gilt das Project Titan, unter dem bis zu 2.000 Apple-Mitarbeiter an der Entwicklung eines autonomen Elektroautos gearbeitet haben, als gescheitert. Die Entwicklungen kamen seit Jahren nicht voran – ähnlich war es anscheinend auch bei der GM-Tochter Cruise. Zwei hochrangige Apple-Manager haben nun die komplette Abwicklung des Entwickler-Teams angekündigt. Die verbleibenden Mitarbeiter sollen zum Team von Apples KI-Chef John Giannandrea wechseln und sich auf den Bereich generative KI konzentrieren. Apple geht davon aus, dass sich einige Mitarbeiter auf andere Stellen im Konzern bewerben, allerdings soll es auch Entlassungen in bisher unbekannter Höhe geben.

Das Ende des Fahrzeugprojekts ist für Apple eine der größten Niederlagen in seiner Konzerngeschichte. Die seit 2010 betriebenen Forschungen haben mehrere Milliarden Dollar verschlungen. Als Ergebnis hat sich der iPhone-Hersteller 248 Entwicklungen patentieren lassen. Die Patente umfassen klassische Fahrzeugthemen wie Aufhängungen und Sitze, aber genauso auch klassische IT-Themen. Die Nachricht vom Aus für Apples Fahrzeugprojekte hat die Börse mit einem kleinen Plus quittiert – anscheinend haben Aktienhändler die finanziellen Belastungen durch die Entwicklungsarbeiten schon seit längerem skeptisch betrachtet.

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Fazit

Apple hat seit über zehn Jahren mit zeitweise 2.000 Mitarbeitern an einem vollautonomen Elektroauto entwickelt. Laut Apple-Insidern sind diese Arbeiten jetzt ergebnislos beendet – ein sogenanntes iCar wird es nicht geben.

Für den Vorzeige-Tech-Konzern bedeutet dies den Verlust von Investitionen in Milliardenhöhe. Aber die Apple-Entscheider haben anscheinend erkannt, dass der Traum von der mittelfristigen Entwicklung eines vollautonomen Elektroautos ausgeträumt ist – laut Insidern kamen die konzerneigenen Entwicklungen in den vergangenen Jahren nicht mehr voran. Und Apple bringt seine Produkte nur fertig entwickelt auf den Markt – im Gegensatz zu zum Beispiel Tesla, wo Kunden in Sachen teilautonomes Fahren nach Einschätzung von einigen US-Sicherheitsfachleuten als Versuchskaninchen herhalten.

Weitere Gründe für das Ende der Entwicklungsarbeiten könnte die Scheu von Software-Giganten vor einer enormen Fertigungstiefe sein – die Fertigungstiefe eines Fahrzeugs ist erheblich tiefer als die eines Smartphones. Ein iCar hätte Apple mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Auftragsfertiger bauen lassen, was immer mit der Gefahr eines Wissens-Abflusses verbunden ist. Außerdem ist die etablierte Autohersteller-Konkurrenz anscheinend besser aufgestellt als 2007 die großen Handy-Hersteller, die Apple damals mit der Vorstellung des iPhones überrumpelt hatte.

Hinzu kommt, dass sich die Idee vom Auto als rollendem Smartphone immer mehr als Quatsch entpuppt. Sicher wollen viele Kunden viele Smartphone-Funktionen auf einfache Art auch im Auto nutzen. Inzwischen hat sich aber anscheinend die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Auto viel mehr sein muss, als nur ein Smartphone. Passagiere und Gepäck zuverlässig und sicher von A nach B transportieren, dürfte auch künftig nicht zu den Aufgaben eines schlauen Handys gehören.