Opel Rallye Kadett 1100 SR und Ford Escort I
Junge Wilde

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In den 70ern machten Opel Kadett und Ford Escort die Jugend mobil. Sie luden mit ihrer simplen Technik zum Selberschrauben ein und waren dankbare Objekte für mildes Alltagstuning. Heute erinnern sie eine ganze Generation an die glücklichen Jahre mit dem ersten Auto.

Opel Rallye Kadett 1100 SR, Ford Escort I, Frontansicht
Foto: Ingolf Pompe

Vielleicht hätte sich der Opel Rallye Kadett lieber den Ford 15 M RS als Sparringspartner für diese freudvolle Schwarzwald-Ausfahrt gewünscht. Doch das Ford P6-Topmodell mit Frontantrieb und 75-PSV4-Motor schlägt konzeptionell zu sehr aus der Art und ist heutzutage selten wie ein Aston Martin DB6 Shooting Brake.

Also lautete die Paarung schlicht Opel Kadett und Ford Escort, zwei simpel konstruierte Volumenmodelle der unteren Mittelklasse, starrachsig, hinterradgetrieben, die Nockenwelle seitlich im Block rotierend und das Ganze sportlich verpackt. Ihr einziger technischer Ehrgeiz besteht darin, lange zu halten und robust genug zu sein für Fahranfänger, Feierabend-Tuner und – wenn es sein muss – auch für den professionellen Motorsport.

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Original oder optimiert?

Der Rallye Kadett von Opel-Enthusiast Stefan Botzenhart zeigt sich schnell tonangebend. Sein Doppelrohrauspuff, übrigens eine Original-Insignie auch des kleinen 1100er SR, sorgt für ein sonores Klangbild, die monzablau lackierte Coupé-Karosserie im Stil des Chevrolet Nova ist ein Blickfang auf der kurvigen Landstraße inmitten sonnigen Maiengrüns. Den Opel Rallye Kadett gab es nur als rassiges Fastback, anfangs als besonders begehrtes Kiemen-Coupé mit markant modellierter C-Säule, ab 1970 dann als gemeingefälligeres F-Coupé mit parabelförmiger hinterer Seitenscheibe.

Ronal-Räder, Talbot-Spiegel und gleich vier Halos vor dem Grill statt der serienmäßigen zwei sorgen für einen brachialen Auftritt, der den weißen, reduziert zweitürigen Ford Escort XL 1100 S nachhaltig einschüchtert, wie sein zaghafter Blick aus den Rechteckscheinwerfern beweist.

Der bekennende Purist und Perfektionist Francesco Torzelli, sonst eher auf der Alfa-105er-Schiene unterwegs, erwarb das unscheinbare Wägelchen aus dem dinolbehüteten Besitz einer älteren Dame.

48 PS bringen den Ford Escort auf Trab

Als späte XL-Variante hat der Ford Escort XL 1100 S immerhin die appetitlichen Zusatzinstrumente aus dem Capri, der ja bekanntlich nichts anderes ist als die verlängerte Coupé-Version des Ford Escort. Die XL-typische schwarze Heckblende und sportliche Rostyle-Räder machen aus dem XL optisch einen Escort GT.

Wenn da nicht der Motor wäre, ein schlichter 1100er-Kent mit Einfach-Vergaser und gerade einmal 48 PS. Das genügt zwar bei nur 835 Kilo Wagengewicht für zügiges Mitschwimmen im Verkehr, vereitelt aber sportliche Ambitionen. Einzig der GT mit 72 PS würde Botzenharts Opel Rallye Kadett, dem ein Steinmetz-Vergaser-Kit mit doppeltem horizontalem Weber zu 68 PS verhilft, ernsthaft Paroli bieten.

Dabei ist der fünffach gelagerte und mit einem Querstromkopf gesegnete Kent-Motor des Ford Escort für Tuningmaßnahmen sehr viel geeigneter als der fossile Opel-OHV, bei dem sich je zwei Zylinder einen Einlass- und einen Auslasskanal teilen müssen. Die Kanäle verzweigen sich erst im Kopf, das vereitelt den Einsatz von leistungssteigerndem Geschütz wie Fächerkrümmer und Vierer-Ansaugbrücke.

Ford Escort ist für den Rallyesport prädestiniert

Doch der weiße Ford Escort in Concours-Zustand hat anderes im Sinn als pseudosportliches Imponiergehabe. Das knallrote Stoffinterieur zeigt sich leuchtend-makellos, die in Chrom gefassten Holzimitatzierleisten an Türen und Seitenleisten geben dem britischen Spartaner einen Hauch von luxuriösem Ambiente. Torzellis Escort lief zwar in Saarlouis vom Band, doch charakterlich ist der Wagen ein knorriger, in der Tweed-Wolle gefärbter Engländer, hart gefedert, brummig motorisiert und von jener unkaputtbaren mechanischen Zähigkeit, die ihn für den Rallyesport prädestiniert.

Hinzu kommen verschrobene Eigensinnigkeiten wie ein links platziertes Zündschloss, wild verstreute Kippschalter und ein leises, typisches Getriebeheulen im ersten Gang. Dafür wird man mit einer vorbildlich exakten Schaltung belohnt und mit einer spielerischen Handlichkeit. Wirklich modern am in England konstruierten Anglia-Nachfolger Ford Escort sind nur die McPherson-Federbeine vorn, da hat der Opel Rallye Kadett lediglich eine antiquierte Querblattfeder-Konstruktion zu bieten, die selbst dem ambitionierten Opel GT nicht zu schade war.

Simpel gebaute Motoren haben beide

Trotzdem macht der Opel Kadett B aus weniger mehr, dank feiner Abstimmung und sorgfältiger Modellpflege. Selbst mit den zwei Solex-Einfachvergasern des Serienmodells steht genügend Leistung zur Verfügung, 60 PS aus 1100 Kubik sind es bei unangestrengten 5.200/min. Die beiden kleinen Bratpfannen-Luftfilter sehen dabei im Motorraum witzig aus. Der simpel gebaute Motor klingt gut, ist elastisch, sparsam und drehfreudig, wie beim Kent-Motor im Escort sorgen Blechkipphebel für geringe Fertigungskosten und einen leichten Ventiltrieb.

Zum Modelljahr 1968 wurde das Fahrwerk des Opel Kadett B modernisiert, statt der starren Blattfeder-Hinterachse kam eine schraubengefederte Konstruktion zum Einsatz, die auf schlechten Straßen weniger zum Versetzen neigt. Immerhin spendierten die Kölner Ford-Ingenieure dem blattgefederten Ford Escort an der Hinterhand noch zwei stabilisierende Längslenker, welche die Übersteuerneigung des kompakten Hecktrieblers im Zaum halten.

Die beiden Youngster sind selten – und teuer – geworden

Die schlichten Fahrwerkskonstruktionen von Opel Kadett und Ford Escort bleiben ein Kompromiss. Ein sicheres, problemlos zu beherrschendes Fahrverhalten geht dabei eindeutig vor Fahrkomfort. Scheibenbremsen vorn plus Bremskraftverstärker sind beim Opel Rallye Kadett obligatorisch, der deutlich billigere Ford Escort XL kam erst später in den Genuss dieser Errungenschaften.

Hundeknochen-Escort und Rallye Kadett sind rund vierzig Jahre nach Produktionsende selten geworden. Zu viele wurden als Gebrauchtwagen verheizt. Mangelnde Rostvorsorge tat ein Übriges, um den Bestand zu dezimieren. Das macht sich in den Notierungen bemerkbar, gut 10.000 Euro werden für gute Exemplare aufgerufen. Originale 1900er-Rallye Kadett bringen es sogar auf 15.000 Euro, ebenso wie der ultrarare Ford Escort RS mit dem Zweiliter-OHC-Motor. Dafür entschädigen Escort I und Kadett B mit ursprünglicher Fahrfreude à la MG B.

Die billigen Anfänger-Autos von damals verzeihten viel. Heute vermögen sie viel zu geben. Auch etwas so Wertvolles wie die lebendige Erinnerung an die glücklichen Jugend-Jahre mit dem ersten eigenen Auto.

Fazit von Motor Klassik-Redakteur Alf Cremers

Ich mag es gerne original, deshalb ist der Ford Escort XL mein Favorit. Es ist einfach ein entzückendes Auto, diamantweiß mit roten Polstern, dazu die schüchterne Sportlichkeit mit der niedlichen Uhrensammlung, den dezenten Rostyle-Rädern und der neckischen schwarzen Heckblende. Der Ford Escort gibt den kleinen Verführer, sein 1100er-Motor beißt sich tapfer durchs erstaunlich breite Drehzahlband. Seine Handlichkeit ist unübertroffen und die Exaktheit der Schaltung legendär.

Doch der Opel Rallye Kadett bleibt das objektiv bessere Auto. Das Fastback Coupé im Mini-Muscle-Car-Look gefällt, der stocksimple Motor klingt besser und ist auch leistungsfähiger als das Kent-Triebwerkt. Fahrkultur und Reifegrad des Kadett sind einfach auf einem höheren Niveau, er fährt sich weniger kleinwagenmäßig als der very basic Escort. Keine Frage, ein Opel Rallye-Kadett mit dünnem Original-Lenkrad auf schmalen Stahlrädern und den serienmäßigen zwei statt vier Halos würde dem unschuldigen weißen Ford Escort XL ziemlich gefährlich.

Technische Daten
Opel Kadett 1.1 Rallye
Höchstgeschwindigkeit148 km/h