Der alte Test: Renault 16
Der lässige Franzose

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Der Renault 16 von 1965 stand – anders als der radikale Citroën DS zehn Jahre zuvor – für die sanfte Revolution in der Mittelklasse. Reinhard Seiffert war von dem komfortablen und fahrsicheren Franzosen tief beeindruckt. Er sei ein Vorbild, auch für deutsche Autos.

Renault 16, Front, Kurvenfahrt
Foto: Archiv
      Nicht immer denken große Automobilfabriken, wenn sie ein neues Modell konzipieren, in erster Linie an das Fahrzeug selbst und seinen Zweck. Oft denken sie hauptsächlich an die Verwendung schon vorhandener Werkzeuge oder an das Beibehalten bestimmter Konzeptionen. Sie passen das Fahrzeug den vorhandenen Gegebenheiten an. Und das ist es im Grunde, was den Fortschritt im Autobau immer wieder hemmt.

Renault 16 nach einfachem Prinzip konstruiert

Renault machte es in den letzten Jahren anders. Renault warf nicht nur die frühere Konzeption über Bord, den Heckmotor, sondern zugleich viele der althergebrachten Vorstellungen über das Aussehen und die Beschaffenheit von Autos.

Der R 4 war das erste Resultat dieser mutigen Einstellung, er verkauft sich hervorragend. Der Renault 16 ist das zweite. Der R 16 steht erst am Anfang seiner Karriere. Ist er ein Experiment? Wenn der Verzicht auf alte Zöpfe ein Experiment ist, ja. Im Übrigen hat er nichts Experimentelles an sich. Er dokumentiert nur die konsequente Ausnutzung vieler Möglichkeiten, die in der heutigen Automobiltechnik vorhanden und bekannt sind. Bei uns denkt man vorläufig noch mehr an Farb-Dessins und Chromleisten –- nicht einmal die vier Türen, in Frankreich selbstverständlich, konnten sich durchsetzen.

Unsere Highlights

Der Renault 16 hat vier Türen (hinten mit Kindersicherung) und noch eine fünfte dazu. Trotzdem ist er kein Kombiwagen, denn Innenraum und Gepäckraum sind völlig voneinander getrennt. Das Prinzip ist einfach: Rücksitz und Rücklehne können ohne große Umstände sowohl umgeklappt (der Sitz nach vorn, die Lehne nach oben) als auch ganz herausgenommen werden. Auch die aus zwei Teilen bestehende Trennfläche hinter der Rücksitzbank kann herausgenommen werden.

Dann entsprechen die Lademöglichkeiten denen eines Kombiwagens – lediglich die niedrige Abschlusskante erinnert noch an einen normalen Kofferraum. Die Tür samt Heckfenster öffnet sich in voller Höhe. Neben diesen vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten verdient auch die Polsterung der Sitze besondere Aufmerksamkeit.

Steife Karosserie und niedriges Windgeräusch

Die Polster bestehen hauptsächlich aus einer Schaumgummischicht und sind sehr weich. Trotzdem sind sie überaus bequem und stützen den Körper ausgezeichnet. Die Karosse des Renault 16 ist ihrer Konstruktion nach ein normaler selbsttragender Wagenkörper: Mit einer stabilen Bodengruppe aus Pressteilen wird ein mittragender Aufbau verschweißt. Besonderes Charakteristikum sind die durchlaufenden dicken Holme an den Dachkanten, die dem Wagen eine erhöhte Steifigkeit und Überschlagsicherheit verleihen sollen. Sie sind also kein Stilmerkmal, sondern ein Bestandteil der Konstruktion.

Allen Karosserieteilen sagt Renault ungewöhnliche Stabilität nach, weil die sichtbare Außenhaut auf der Innenseite stets durch eine Zwischenwand zu einem Kastenprofil ergänzt wird.

Es gibt eine Menge interessante Details an der Karosserie des Renault 16. Das beginnt mit der originellen Motorhauben-Verriegelung (mit Zylinderschloss) und endet mit den zahlreichen Entlüftungsschlitzen am Wagenheck. Diese Schlitze sind mitverantwortlich dafür, dass man mit geschlossenen Fenstern geräuschfrei fahren und trotzdem den Renault 16 gut belüften kann. Auf niedriges Windgeräusch wurde bei der Karosserieentwicklung besonders – und mit Erfolg – geachtet.

Reichlich verwendete Antidröhnmasse trägt ebenfalls dazu bei, dass der Renault 16 bei schnellem Fahren erstaunlich leise bleibt.

Unter der Haube

Der Betrachter sieht nach dem Öffnen der schweren Motorhaube die kompakt gebaute Drehstromlichtmaschine über dem im Renault 16 weit hinten eingebauten Motor und – den Motorraum beherrschend – das Reserverad.

Er merkt auch erst bei näherem Hinsehen, dass Motorblock und Zylinderkopf des Renault 16 aus Aluminium bestehen. Als Gründe für diese bei Großserienwagen ungewöhnliche Maßnahme führt Renault an: hohe Gewichtseinsparung gegenüber dem Stahlguss, Unempfindlichkeit gegen äußere Korrosion (keine Schutzlackierung notwendig), genauer Guss und einfache Feinbearbeitung, hohe Wärmeleitfähigkeit.

Wie bei allen Renault-Motoren sind die Zylinderlaufbuchsen auswechselbar und die Kurbelwelle fünffach gelagert. Die Nockenwelle liegt – wie beim R 8 – hoch im Motorblock, dadurch sind die Stoßstangen sehr kurz. Sie wird durch eine Kette angetrieben.

Bemerkenswert ist der Verzicht auf die im R 8 eingebaute Startautomatik: Der Renault 16 hat einen Choke, den wir auch nach kühlen Spätsommernächten nicht brauchten. 55 PS sind für einen 1,5-Liter nicht viel. Ein ausgesprochen schnelles Fahrzeug ist der Renault 16 nicht. Jedoch ist er schneller, als man nach der nominellen Leistung erwarten würde, und kommt auch in der Beschleunigung leistungsstärkeren Wagen gleich.

Niedriges Gewicht sorgt für gute Fahrleistungen

Das liegt an der strömungsgünstigen Karosserieform einerseits und dem relativ geringen Gewicht (der Wagen wiegt weniger als 1.000 kg) andererseits. Man empfindet den Renault 16 im Verkehr als lebendig und hat weit reichende Gänge zur Verfügung, um schnell und sicher überholen zu können. Erstaunlich ist die Elastizität: Selbst in den oberen Gängen kann man fast bis zur Leerlaufdrehzahl heruntergehen, ohne schalten oder das Gefühl haben zu müssen, dass der Wagen „verhungert“. In der Spitze erreichte der Testwagen nicht weniger als 147 km/h.

Der höheren Leistung und dem höheren Gewicht entsprechend, ist er nicht ganz so genügsam wie der R 8. Der Renault 16 brauchte, zumeist sehr schnell gefahren, bei uns im Gesamtschnitt 11,8 Liter/100 km, das passt.

Federungskomfort des Renault 16 sucht seinesgleichen

Man kann jedes beliebige französische Auto von unten betrachten: Nirgends findet man die an Blattfedern aufgehängte starre hintere Antriebsachse, die im Autobau der übrigen Welt immer noch eine so große Rolle spielt. Man baut sie hauptsächlich deswegen, weil man für das Fahrwerk keine Entwicklungskosten investieren will. Beim Renault 16 gibt es diese Achse schon deswegen nicht, weil er ein Frontantriebswagen ist.

Der Frontantrieb erleichtert das Problem der Hinterradfederung (das für den Komfort eminent wichtig ist), weil er die Hinterachse vom Gewicht des Differenzials und der Antriebswellen befreit. Unter den verschiedenen Möglichkeiten leichter Hinterradaufhängungen entschloss sich Renault beim R 16 für Kurbelarme. Zur Federung werden quer liegende Drehstäbe verwendet, die von der Federung nicht geschluckt werden. So entstand ein Federungskomfort, der in dieser Klasse seinesgleichen sucht.

Besonders bemerkenswert ist, dass man im Renault 16 schon beim langsamen Fahren in den Genuss dieses Komforts kommt – zum Beispiel im Stadtverkehr. Bei schneller Fahrt fühlt sich dagegen der Wagen angenehm straff an, neigt also nicht zum Schaukeln und Schwingen.

Sicher und fahraktiv

Die Volksmeinung traut weich gefederten Autos noch immer keine guten Fahreigenschaften zu, obwohl es schon genügend Wagen gibt, die das Gegenteil beweisen.
Zu diesen Wagen gehört der Renault 16, und zwar ist er nicht nur komfortabel und „trotzdem“ fahrsicher, sondern seine Fahrsicherheit ist ebenso ungewöhnlich und überdurchschnittlich wie sein Komfort. Zu schnell in eine Kurve gefahren neigt sich der Wagen stark zur Seite und bremst sich unter hörbarem Arbeiten der Reifen seitlich ab – das ist alles.

Der Renault 16 bleibt dabei völlig normal kontrollierbar. Besonders notiert werden muss, dass er nicht einmal beim abrupten Gaswegnehmen in Kurven sein Verhalten spürbar ändert, wie Frontantriebswagen es sonst zu tun pflegen. Er verhält sich jederzeit neutral, verlangt also weder ein übermäßig starkes Einschlagen des Lenkrads noch ein Gegenlenken.

Diese erfreulichen Eigenschaften werden durch eine gute Richtungsstabilität bei schneller Fahrt und eine geringe Windempfindlichkeit ergänzt, über die Fahrsicherheit des Renault 16 ist tatsächlich nur Lobendes zu sagen. Selbst die X-Reifen, sonst nicht immer unproblematisch, verhalten sich hier harmlos und neigen nicht zu unerwartetem Ausbrechen.

Bremsen gegen hohe Belastung empfindlich

Bei Vollbremsung nach starker Beanspruchung auf einem Gefälle trat ein Bremsfading auf, das auf unserem Diagramm in einem Nachlassen der Verzögerung mit gleichzeitigem Ansteigen der notwendigen Fußkraft zum Ausdruck kommt. Die Bremsen erholten sich zwar verhältnismäßig schnell, sind aber offensichtlich gegen hohe Belastung empfindlich. Im Normalbetrieb arbeitet die Bremse sehr leicht und sauber, besonders das stets gleichmäßige Ansprechen muss hervorgehoben werden.

Die Lenkung ist wie bei allen Renault-Wagen zwar leichtgängig, aber ziemlich indirekt und nachgiebig. Das erfordert in engen Kurven und im Stadtverkehr ziemlichstarke Lenkradeinschläge, weshalb man den Renault 16 nicht zu den ausgesprochen handlichen Wagen zählen kann.

Schwergängiger Rückwärtsgang

Störend ist dagegen ein anderes, für den Renault 16 leider typisches Merkmal: der schwergängige Rückwärtsgang. Man muss den Hebel nach hinten ziehen, um die Sperre zu überwinden. Das ist schon von der Bewegung her ungeschickt und wird noch durch den starken Widerstand, der überwunden werden muss, verstärkt. Die übrigen Gänge lassen sich ausreichend leicht schalten.

Die Konus-Synchronisierung des 1. Ganges arbeitet nur unvollkommen, besonders wenn der Leerlauf schnell eingestellt ist, was beim Testwagen wegen der Neigung des Motors zum Stehenbleiben nötig war. Der 1. Gang lässt sich dann nicht immer ohne Krachen einlegen. Der Renault 16 ist also kein Wagen ohne Nachteile, aber einer mit ungewöhnlich wenig Nachteilen. Zugleich ist er ein Wagen, der den praktischen Bedürfnissen des Autofahrens von heute (und morgen) besser angepasst ist als die meisten übrigen Autos.

Der Renault 16 ist weitgehend frei von modischen Mätzchen, ohne deswegen einen reizlosen Nutzfahrzeug-Charakter zu besitzen. Er wird in dieser Form lange gebaut werden können und ist damit für seine Herstellerfirma ein guter Wechsel auf die Zukunft.

Der Käufer von morgen ist vermutlich zu nüchtern, als dass futuristische Zukunftsautos ihn zum Kauf reizen könnten. Er wird sich für praktische, trotzdem aber gut aussehende und fahrerisch erfreuliche Fahrzeuge wie den Renault 16 entscheiden.

Der Renault 16 heute

Eine kleine, aber treue Fangemeinde verehrt den Mittelklasse-Meilenstein aus Frankreich. Für den Kauf eines Renault 16 spielen zwei Motive die Hauptrolle. Zum einen die individuelle Form und die progressive Technik, zum anderen ein persönlicher Bezug. Die Ersatzteillage ist nur auf dem Technik-Sektor entspannt, das Angebot an guten Autos
leider sehr gering.

Gesucht sind vor allem die Spitzenmodelle Renault 16 TS und TX, aber auch Exemplare der frühen Baujahre. Restaurieren lohnt nicht, gute Blechsubstanz ist selten, aber entscheidend. Der günstige Unterhalt und die schrauberfreundliche Technik sprechen für den R 16.

Ein gut gepflegter Renault 16 TL im Zustand 2 kostet laut Classic Analytics 6.000 bis 8.000 Euro. Der 83 PS starke TS kann bis zu 9.800 Euro kosten.

Renault 16-Club

Technische Daten
Renault 16 1.5
Außenmaße4230 x 1650 x 1450 mm
Höchstgeschwindigkeit147 km/h