Das Geheimnis des Williams-Wunders
Zwei Mal Q3 auf Anti-Williams-Strecke

GP Niederlande 2023

Zwei Williams im Q3. Alexander Albon in der zweiten Startreihe. Und das auf einer Anti-Williams-Strecke. Wie geht das? Wir erklären das Wunder.

Alexander Albon - Williams - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
Foto: Motorsport Images

Das gab es bei Williams seit 2017 nicht mehr. Der Rennstall, der in drei der letzten vier Jahre Schlusslicht in der WM war, schaffte es mit beiden Fahrern ins Q3. Und Alexander Albon stellte den Williams FW45 sogar auf den vierten Startplatz neben George Russell im Werks-Mercedes.

Fernando Alonso, Carlos Sainz und Sergio Perez müssen sich im Rennen hinter dem Williams mit der Startnummer 23 anstellen. Kleiner Wermutstropfen: Logan Sargeant feuerte sein Auto gleich zu Beginn der letzten K.-o.-Runde in Kurve 2 mit 180 km/h in die Tecpro-Barrieren. Der Amerikaner hatte es zum ersten Mal ins Q3 geschafft.

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Steigerung ohne Upgrade

Das gute Abschneiden des britischen Traditionsrennstalls überrascht umso mehr, da Zandvoort eher eine Anti-Williams-Strecke ist. Es gibt zu viele langsame Kurven und zu viel Wind. Die blauen Autos fühlen sich in der Regel wohler auf schnellen Strecken mit langen Geraden. Dort, wo Topspeed eine Rolle spielt, ist ihr Revier. Strecken wie Spa oder Monza.

Der Williams FW45 ist auf den Highspeed-Strecken ein extrem effizientes Auto. Auf den engeren Kursen fehlt ihm der Abtrieb. Und es kam seit der Sommerpause auch kein Anpressdruck dazu. Williams schlug ohne Upgrades in Zandvoort auf. Man gab sich trotzdem nicht auf. Der augenblicklich WM-Siebte wollte sich so teuer wie möglich verkaufen.

Dafür tüftelten die Williams-Ingenieure eine besondere Taktik aus. Und das Wetter half mit. "Wenn es durchgehend trocken gewesen wäre, hätten wir höchstens ein Auto gerade so ins Q3 gebracht", gibt Teamchef James Vowles zu. Doch es war wechselhaftes Wetter vorhergesagt.

Logan Sargeant - Williams - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
Motorsport Images

Logan Sargeant versenkte seinen FW45 zu Beginn des dritten Quali-Segments.

Reifen im richtigen Fenster

Williams konzentrierte sich in der Vorbereitung am Freitag hauptsächlich auf die Qualifikation. Der Startplatz spielt in Zandvoort eine größere Rolle als in Budapest. Überholen ist ein Kunststück. Im letzten Jahr gab es nur 19 Positionswechsel auf der Strecke. Die Williams-Strategen wissen, dass sie guter Topspeed schützt, auch wenn andere Autos schnellere Rundenzeiten drehen. Nur Red Bull und Ferrari waren auf der Zielgerade schneller. Trotzdem bremst der Teamchef: "Im Rennen werden wir nicht so stark sein. Das haben die Longruns am Freitag gezeigt."

Der schleichende Übergang von einer nassen auf eine trockene Fahrbahn bei Asphalttemperaturen zwischen 22 und 25 Grad kam Williams gelegen. Bei diesen Bedingungen kommt es nicht nur auf Abtrieb an. Da spielt die Reifentemperatur eine wichtigere Rolle. Und die traf Williams in allen Qualifikationssegmenten auf den Punkt.

Vowles gab zu: "Das Ergebnis hat hauptsächlich damit zu tun, dass wir die Reifen immer im richtigen Fenster hatten. Wir haben nicht plötzlich Abtrieb gefunden. Aber wir haben das Timing und die Vorbereitung der Reifen perfekt erwischt." Genau das hat Williams am Freitag bereits geübt. Die Sektorzeiten lieferten den Beweis, dass die Reifen von Beginn bis zum Ende der Runde ausreichend Grip lieferten. Albon war Drittschnellster im ersten und Viertschnellster im letzten Sektor.

Die niedrigen Temperaturen kamen den Williams entgegen. Das Auto bringt die Reifen generell schnell in ihr Arbeitsfenster. Auch der Wind spielte mit. "Er hat im Vergleich zu Freitag um 180 Grad gedreht und blies uns in unseren Problemkurven ins Gesicht. Auch das hat uns in die Karten gespielt."

Alexander Albon - Williams - GP Niederlande 2023 - Zandvoort
xpb

Alexander Albon nutzte die Gelegenheit und lenkte seinen Williams auf den vierten Startplatz.

Zwischen Brillanz und Anfängerfehlern

Mit Alexander Albon hat Williams einen Fahrer, der seine Chancen nutzt. "Wenn das Auto passt, holt Alex das Maximum aus ihm heraus." Rookie Logan Sargeant ist noch nicht so weit. So positiv der Aufstieg des Amerikaners ins Top Ten-Finale war, so sehr schlägt der Unfall in Kurve 2 auf den Magen. Sargeant verlor den Williams, weil er mit Slicks auf den nassen Teil der Strecke geriet. Das Auto wurde an drei der vier Ecken schwer beschädigt.

Es war nicht der erste Unfall des US-Boys. Er hatte schon in Jeddah, Baku und Barcelona für Schrott gesorgt. Die Teamleitung hält trotzdem vorläufig an ihm fest: "Logan hat Momente von Brillanz. Er macht aber immer noch zu viele Fehler. Wir müssen ihm eine Umgebung bereitstellen, wo er komfortabel am Limit fahren kann, statt ihn in eine Situation zu bringen, wo er unter Druck über das Limit hinausgeht", fordert Vowles.

Dass Williams auf einem guten Weg ist, hat auch die Konkurrenz gemerkt. Mercedes-Teamchef Toto Wolff freut sich mit seinem ehemaligen Angestellten, sagt aber mit einem Augenzwinkern auch: "Es tut gut zu sehen, dass Williams wieder nach oben kommt. Aber jetzt muss James bald damit aufhören. Sonst kommt er uns zu nahe."

In seinem Kampf um die Erhöhung der Kapitalinvestitionen für bessere Werkzeuge hat Vowles vor allem Mercedes und Ferrari gegen sich. Und er weiß: Je besser der drittälteste Rennstall der Formel 1 wird, umso kleiner wird der Kreis derer werden, die Williams in ihrem Anliegen unterstützen.

Für Vowles ist 2025 das entscheidende Jahr. "2024 wird eine Übergangssaison." Deshalb wird Williams im nächsten Jahr auf dem aktuellen Auto aufbauen, um 2025 mit besseren Werkzeugen den großen Sprung zu machen. "Der FW45 hat noch Potenzial. Wir haben einen Plan, wie wir ihn nächstes Jahr aufrüsten", droht Vowles den Gegnern.

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