Trainingsanalyse GP Spanien 2023
Verstappen auf eigenem Planeten

GP Spanien 2023

Über den Sieger gab es schon nach den ersten 60 Minuten keine Frage. Der kann nur Max Verstappen heißen. Dahinter drängeln sich Aston Martin, Ferrari und Mercedes innerhalb weniger Zehntel.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
Foto: Wilhelm

Der Circuit de Catalunya ist das Schaufenster für die Qualität des Autos. Am ersten Trainingstag trennten Spitzenreiter Max Verstappen von Logan Sargeant auf dem letzten Platz nur 1,508 Sekunden. Doch der positive Eindruck täuscht. Auf eine Runde presst sich das Feld in eine Zeitspanne, die in der Entfernung nur 96 Meter entspricht. Der Grip frischer weicher Reifen überdeckt so manches Defizit der Autos.

Am Sonntag wird sich das Feld auseinanderziehen. Das deuten bereits die Longruns an. Da liegen zwischen Verstappen und Sargeant 2,3 Sekunden pro Runde. Red Bulls Nummer eins war auf den weichen Reifen im Schnitt sechs Zehntel schneller als Carlos Sainz im umgebauten Ferrari und sieben Zehntel als Fernando Alonso.

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Auch auf dem Medium-Gummi gab der Niederländer den Ton an. Sein Vorsprung auf Nico Hülkenberg fiel zwar mit einem Zehntel pro Runde relativ knapp aus, doch der Red Bull-Pilot legte dabei die dreifache Distanz zurück.

Lokalheld Alonso zeigte ausnahmsweise mal auf eine Runde eine bessere Vorstellung als im Dauerlauf. Der Spanier kam Verstappen mit einem Rückstand von 0,170 Sekunden am nächsten. In der Rennsimulation aber landete er hinter Sainz im Ferrari. Teamkollege Lance Stroll stürzte auf Platz 18 total ab.

Und wie schlugen sich die Upgrades von Ferrari und Mercedes? Ferrari konzentrierte sich angesichts der schweren Aufgabe für die Reifen voll auf die Longruns und war für den ersten Auftritt des neuen Aero-Pakets zufrieden. Mercedes rangierte auf eine Runde hinter den Ferrari. Die Rennsimulationen sind schwer vergleichbar. Mercedes spulte sie im ersten Stint, Ferrari im zweiten. Da war bereits weniger Benzin im Tank.

Die Überraschung des ersten Tages war der dritte Platz von Nico Hülkenberg. Auf eine Runde sind die Haas ein heißer Kandidat für das Q3. Am Sonntag wird es härter. Da war Hülkenberg auf den Soft-Reifen im Schnitt drei Zehntel langsamer als die Mercedes. Immerhin besser als erwartet. Fazit von Teamchef Guenther Steiner: "Für Punkte könnte es reichen."

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
Wilhelm
Mercedes testet in Barcelona erstmals die Upgrades auf einer repräsentativen Strecke.

Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:

1) Wird Red Bull alle überrunden ?

Der Circuit de Catalunya ist die Paradestrecke von Red Bull. Hier zeigt sich mehr als an jedem anderen Ort die aerodynamische Effizienz des Autos. Und auf die Distanz der Reifenverschleiß. Im ersten Training fuhr Max Verstappen allen um mehr als sieben Zehntel davon. Der Red Bull-Pilot bewegte sich auf einem anderen Planeten.

Am Nachmittag schrumpfte der Vorsprung auf 0,170 Sekunden. Der Weltmeister baute einen kleinen Fehler in seine beste Runde ein. Und im letzten Sektor ging ihm die Batterie-Power aus. "Sonst wäre Max drei Zehntel vorne", rechnet Sportchef Helmut Marko vor.

Doch eine Runde zählt nicht auf einer Strecke, die für die Reifen maximalen Stress bedeutet. Schon im letzten Jahr brauchte Verstappen drei Boxenstopps für seinen Sieg. Es könnten diesmal zwei werden. "Wir haben den Spielraum unsere Strategie den anderen anzupassen."

Die Reifen werden auch in diesem Jahr wieder der limitierende Faktor im Rennen sein. Für Verstappen eine Steilverlage. "Ja, wir haben ein sehr gutes Auto. Aber wir haben auch das Jahrhunderttalent Verstappen. Sein Reifenmanagement ist überragend. Der fährt die schnellsten Runden und schont trotzdem am besten seine Reifen", applaudiert Marko.

Bei der Überlegenheit könnte Verstappen am Sonntag alle überrunden. Inklusive seinem Teamkollegen. Sergio Perez ist mit seinen Dauerläufen noch nicht zufrieden. Auf den Soft-Reifen stürzten die Rundenzeiten des Mexikaners am Ende des Stints stark ab. Perez war im Longrun kaum schneller als die Mercedes.

Sergio Perez - Red Bull - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
Motorsport Images
Der Longrun von Sergio Perez war noch ausbaufähig.

2) Wie gut ist der neue Ferrari ?

Ferraris Upgrade war das Thema des Tages. Die Seitenkästen sind jetzt eine Kombination aus der alten Ferrari-Lösung mit der Badewanne und der Red Bull-typischen Rampe. Auch der Unterboden des Ferrari SF-23 folgt völlig neuen Formen. Teamchef Frédéric Vasseur weigert sich jedoch von einem neuen Konzept zu sprechen: "Es ist eine Plattform, die uns neue Türen für die Entwicklung öffnet."

Noch sind die Türen nur halb offen. Mehr durfte man aber auch am ersten Tag nicht erwarten. Zumal Ferrari aus Angst vor zu starker Reifenabnutzung wieder sein komplettes Programm der Rennvorbereitung gewidmet hat. Die Fahrer stellten dem Upgrade ein gutes Zeugnis aus. Die Balance passt.

Carlos Sainz - Ferrari - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
Wilhelm
Die Ferrari-Piloten waren mit den Upgrades happy.

Ein limitierender Faktor war das Bouncing, das wieder zurückgekehrt ist. Das aber hatten Red Bull, Mercedes und McLaren auch. Es ist möglicherweise streckenspezifisch. Es wird durch eine Bodenwelle in der Zielkurve ausgelöst und lässt sich auf der ganzen langen Gerade nicht mehr abschütteln. Dadurch wird das Anbremsen der ersten Kurve manchmal zum Eiertanz, weil das Auto untersteuert.

Der Vergleich der Longrun-Zeiten wird dadurch erschwert, dass Red Bull, Ferrari und Aston Martin die Dauerläufe mit dem Soft-Reifen im zweiten Stint und damit auch mit weniger Sprit im Tank absolviert haben. Mercedes und Alpine spulten ihre Longruns im ersten Stint ab. "Spritbereinigt liegen Ferrari, Aston Martin und wir in der Rennsimulation ganz eng zusammen. Alpine hinkt ein wenig zurück. Und Max fährt auf einem eigenen Planeten", hieß es bei Mercedes.

3) Wo verliert Mercedes seine Zeit ?

Das hängt davon ab, ob wir von Lewis Hamilton oder George Russell reden. Hamiltons Mercedes war auf weniger Anpressdruck getrimmt. Er verlor seine Zeit vor allem in den Kurven des dritten Sektors. George Russell hatte den größeren Flügel am Auto, schenkte konstant Zeit auf den Geraden her, überholte seinen Teamkollegen aber in einem virtuellen Rennen vor den letzten Kurven des dritten Sektors. Die kritischen Bereiche waren T12 und T14.

Da Reifenschonen am Sonntag die entscheidende Disziplin sein wird, dürfte Mercedes beim Setup eher zum größeren Flügel tendieren. Das Auto ist jedenfalls besser als die Platzierungen 8 und 11 im zweiten Training. In den Longruns lag Mercedes bei Einrechnung aller Faktoren wie Tankinhalt und DRS-Nutzung einen Hauch vor Aston Martin und Ferrari. Dabei waren Hamilton und Russell noch nicht einmal mit der Balance ihrer Autos zufrieden. Mercedes hat auch Alpine auf der Rechnung. Auf eine Runde machten die französischen Autos eine starke Figur. Im Longrun nicht ganz. "Wir sind die Dauerläufe zu schnell angegangen", übte Einsatzleiter Alan Permane Selbstkritik.

4) Kann Alonso seinen Fans ein Podium bieten?

Der zweite Platz des Publikumslieblings scheint das anzudeuten. Die Longruns allerdings sind nicht so eindeutig. Da liegt Alonso mittendrin in einem engen Paket mit Mercedes und Ferrari. Starke Reifenabnutzung bei den Soft-Reifen am Auto von Lance Stroll bereiten den Technikern noch etwas Kopfzerbrechen. Weil es ungewöhnlich ist. Normalerweise ist der Aston Martin nach dem Red Bull das reifenschonendste Auto.

Fernando Alonso - Aston Martin - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
xpb
Schafft Fernando Alonso wieder ein Podium?

Fernando Alonso will in die Rundenzeiten noch nicht zu viel hinein interpretieren. "Ein paar Zehntel können in der Platzierung einen riesigen Unterschied ausmachen." Die neuen Flügel vorne und hinten bringen das, was sich die Ingenieure versprochen haben. "Die Upgrades machen das Auto schneller. Bis jetzt sind wir happy damit", lobte Alonso.

5) Was bedeutet Hülkenbergs dritter Platz ?

Die größte Überraschung der Rangliste ist Nico Hülkenberg. Nach einem mühsamen ersten Training mit vielen Setup-Anpassungen fühlte sich der Deutsche in der zweiten Sitzung von der ersten Runde an wohl mit der Balance und bat die Ingenieure sein Auto nicht mehr anzufassen. Das Resultat war die drittschnellste Runde des Tages. "Ich bin in einen guten Rhythmus gekommen und fühlte mich wohl im Auto", berichtete Hülkenberg. Kollege Kevin Magnussen staunte: "Ich lag nur acht Zehntel hinter der Bestzeit und war trotzdem nur Fünfzehnter. Das ist verrückt."

Sein Vorteil ist, dass die Haas-Piloten im Gegensatz zu vielen Kollegen nicht über Probleme mit Bouncing geklagt haben. Teamchef Guenther Steiner führt das auf die Fahrzeughöhe zurück, bei der Haas einen eher konservativen Weg gegangen ist. Nachdem es in Bahrain und Miami zu verstärkter Reifenabnutzung gekommen war, konzentrierten sich Fahrer und Ingenieure darauf, die Reifen am Leben zu halten. "Die Soft-Reifen haben länger gehalten als wir dachten. Der Medium ist da ein bisschen kritischer", berichtete Steiner.

6) Was bedeutet die neue Strecke für das Setup?

Pirelli lag mit seiner Simulation für Barcelona ohne Schikane nicht so schlecht. Der italienische Reifenhersteller sagte eine Verbesserung der Rundenzeit von 5,3 Sekunden voraus. Am ersten Trainingstag verbesserte Max Verstappen die letztjährige Pole Position von 1.18,750 auf 1.13,907 Minuten. Statt einer Schikane im zweiten Gang warten jetzt am Ende der Runde zwei Vollgaskurven auf die Piloten.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Spanien - 2. Juni 2023
xpb
Der Circut de Catalunya hat nun statt einer Schikane am Ende der Runde zwei Vollgaskurven.

"In Kurve 12 sind die Reifen auf der linken Seite schon ziemlich platt", berichtete Hülkenberg. Danach geht es aber noch zwei Mal im siebten Gang rechts herum. Für die Reifen die Maximalbelastung. Die um 17 Meter verkürzte Strecke hat auch Einfluss auf das Setup. "Sie zwingt uns Richtung mehr Effizienz. Von maximalem Abtrieb auf eine halbe Stufe darunter", verrät Aston Martin-Chefingenieur Tom McCullough. Aston Martin und Mercedes mit Russell wählten mehr Abtrieb als Red Bull und die Ferrari.

GP Spanien 2023 - Longrun-Analyse

Fahrer

Schnitt Rundenzeit

Runden

Reifentyp

Stint

Verstappn

1.19,296 min

12

soft

2

De Vries

1.19,512 min

4

soft

2

Sainz

1.19,835 min

10

soft

2

Alonso

1.20,968 min

9

soft

2

Leclerc

1.20,231 min

15

soft

2

Perez

1.20,330 min

13

soft

1

Hamilton

1.20,402 min

7

soft

1

Russell

1.20,534 min

18

soft

1

Stroll

1.20,540 min

12

soft

1

Bottas

1.20,586 min

11

soft

2

Gasly

1.20,658 min

16

soft

1

Hülkenberg

1.20,747 min

17

soft

1

Ocon

1.20,821 min

17

soft

1

Piastri

1.20,892min

12

soft

1

Tsunoda

1.21,164 min

15

soft

1

Sargeant

1.21,518 min

9

oft

1

Piatri

1.19,355 min

4

medium

2

Verstappen

1.19,947 min

11

medium

1

Hülkenberg

1.20,058 min

4

medium

1

Sargeant

1.20,601 min

11

medium

2

Norris

1.20,769 min

4

medium

1

De Vries

1.20,769 min

10

medium

1

Magnussen

1.20,916 min

12

medium

1

Albon

1.21,714 min

5

medium

1

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