Die Schwächen der Red-Bull-Gegner
Warum bekommen es die anderen nicht auf die Kette?

GP Abu Dhabi 2023

Red Bull war angeschlagen. Trotzdem steht Max Verstappen auf der Pole Position. Weil die Gegner Fehler machen oder eine Schwachstelle haben. Bei Mercedes ist es der Topspeed, bei McLaren die langsamen Kurven, bei Ferrari der erste Sektor.

Russell - Leclerc - GP Abu Dhabi 2023
Foto: Motorsport Images

Red Bull rechnete mit den Plätzen 5 bis 10. Drei Trainingssitzungen lang wollte das beste Auto im Feld nicht so wie seine Fahrer und Ingenieure. Erst untersteuerte es, dann fiel es ins Übersteuern. Und es sprang wie ein Känguru über Bodenwellen und Randsteine. Doch der letzte Eingriff am Setup war ein Volltreffer. Wie so oft bei Red Bull. McLaren-Teamchef Andrea Stella lobte: "Das Beeindruckende an Red Bull ist nicht der Speed, sondern ihre Konstanz. Sie liefern auch an schwierigen Tagen ab."

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Immer wenn es darauf ankommt, macht das Weltmeister-Team alles richtig. Und die Gegner zu viel falsch. Irgendwo hängt es immer bei Ferrari, McLaren, Mercedes und Aston Martin. Bei Mercedes und Aston Martin am Topspeed und damit in Sektor 2. Bei McLaren ein bisschen auf den Geraden und immer noch in den langsamen Kurven. Also auch in Sektor 2. Bei Ferrari diesmal am Aufwärmen der Reifen. Den Preis zahlte Charles Leclerc im ersten Sektor.

Ein Teil der Red-Bull-Auferstehung geht auf die Asphalttemperaturen. Sie fielen vom dritten Training am Nachmittag zur Qualifikation am Abend um zwölf Grad. So rutschten Red Bull und Ferrari in das Fenster, in dem ihre Autos funktionieren. Mercedes und McLaren hätten es lieber etwas wärmer gehabt. Beide machten im Vergleich zum dritten Training nur sechs Zehntel gut. Bei Ferrari waren es 1,5 und bei Red Bull 1,7 Sekunden.

George Russell - Mercedes - GP Abu Dhabi 2023 - Qualifikation
Motorsport Images

Mercedes bezahlt am Abend bei tieferen Temperaturen für aggressivere Outlaps.

Problem mit der obersten Gummischicht

George Russell erklärt, wie ohne große Setup-Änderungen aus einem 1. Platz bei Hitze ein 4. Rang bei moderaten Temperaturen werden kann. "Wenn es heiß ist, müssen wir in der Aufwärmrunde nicht attackieren. Die Reifen sind von der ersten Kurve an im Fenster. Wird es kühler, sind wir gezwungen die Reifen härter anzufahren. Dann schrubbt sich die oberste Gummischicht ab, bevor die Runde losgegangen ist, und das kostet Grip. Einige unserer Gegner haben das Aufwärmproblem auch bei kühleren Bedingungen nicht. Sie profitieren dann von perfekten Reifen."

Ferrari braucht frische Reifen, damit das Auto zum Leben erwacht. "Auf gebrauchten Reifen ging gar nichts", fluchte Charles Leclerc. Und man braucht die magische Runde von Zauberer Leclerc im Cockpit. "Wir hätten nicht mit der zweitbesten Zeit gerechnet. Da müssen wir uns bei Charles bedanken", gab Teamchef Frédéric Vasseur zu.

Im dritten Training war Leclerc mit sechs Zehntel Rückstand auf Russell noch Fünfter. Speziell im dritten Sektor blieb Zeit liegen. Ganz anders in der Qualifikation, in der Leclerc die Bestzeit von Russell im letzten Streckenabschnitt fast egalisierte. "Hier dreht sich alles um Reifentemperatur und nicht so sehr um die Qualität des Autos", bilanzierte Vasseur.

Lando Norris - McLaren - GP Abu Dhabi 2023 - Qualifikation
Wilhelm

McLaren, Ferrari, Mercedes und Aston Martin haben zu viele Schwachstellen, um Red Bull ernsthaft zu fordern.

Ein Auto, zwei Gesichter

Den Beweis für diese These lieferte Mercedes. George Russell und Lewis Hamilton waren mit der identischen Abstimmung unterwegs. Trotzdem qualifizierte sich Russell als Vierter und Hamilton nur als Elfter. Der eine brachte die Reifen halbwegs in ihr Fenster, der andere nicht. Chefingenieur Andrew Shovlin begründete es damit, dass Hamilton das erste Training auslassen musste, im zweiten nur drei Runden drehte und deshalb sich in der dritten Sitzung nicht optimal auf die Qualifikation vorbereiten konnte. "Es ist frustrierend, dass wir so häufig so abhängig von den Reifentemperaturen sind", gab Russell zu.

Eine ähnliche Diskrepanz gab es bei Ferrari. Carlos Sainz musste nach seinem Unfall am Freitag erst wieder Vertrauen in sein Auto gewinnen. Nachdem der erste Q1-Versuch wegen eines Problems mit dem Frontflügel ins Wasser fiel, blieb nur noch ein Schuss. Da geriet der Spanier in Verkehr. "Das hat die Reifentemperaturen gesenkt, und damit war die Runde im Eimer", bedauerte Vasseur.

Umgekehrt war Fernando Alonso positiv überrascht. "Nach dem 14. Platz im dritten Training habe ich mir für die Qualifikation nicht so viel ausgerechnet. Dann waren wir schon im Q1 schneller als erwartet. Damit stieg das Vertrauen." Aston Martin war bei Dunkelheit um 1,2 Sekunden schneller als am Tag. Die grünen Autos lagen auf den Geraden allerdings auch am Ende der Tabelle. Aston Martin setzte lieber auf Reifenschonen und damit Abtrieb.

Selbst der alte Fuchs Alonso hatte Mühe, die unterschiedlichen Bedingungen präzise zu lesen. "Die Strecke hat wahnsinnig schnell Grip zugelegt. Jede Runde war anders. Und das Auto hat auf gebrauchten und neuen Reifen ein völlig anderes Feedback gegeben. Es war nicht einfach, immer richtig darauf zu reagieren."

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