Reifenpoker im Sprint
Pirelli-Entscheidung erst vor dem Rennen

GP Katar 2023

Acht Fahrer pokerten im Sprint mit Soft-Reifen. Am Ende setzte sich im Samstags-Krimi die konservative Wahl mit Medium-Reifen durch. Pirellis Sorgen wurden nicht kleiner, weil nur zwölf Runden im Renntempo gefahren wurden.

Piastri vs. Sainz - Formel  1  - GP Katar 2023
Foto: Wilhelm

Für den Sprint war es ein Segen. Acht Fahrer starteten auf Soft-Reifen, der Rest auf Medium. Das teilte den Mini-Grand-Prix in zwei Hälften. Neun Runden lang machten die Pokerspieler auf Pirellis weichster Mischung das Tempo. Dann setzte sich die härtere Medium-Mischung durch. Der Kampf um die Spitze war ein Spiegel des Rennens. George Russell übernahm in der dritten Runde die Führung von Oscar Piastri und gab sie im zehnten Umlauf wieder ab.

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In der zweiten Rennhälfte fuhren die Soft-Starter mit dem Rücken zur Wand. Russell bettelte während der dritten Safety-Car-Phase um einen Boxenstopp, weil seine weichen Reifen keinen Grip mehr lieferten. "Die Reifen sind fertig. Wir müssen rein." Der Kommandostand gab unerbittlich zurück: "Bleib draußen. Wir holen keine Punkte, wenn wir stoppen." Die Strategen hatten längst ausgerechnet: Russell wird bestenfalls Vierter, schlimmstenfalls Fünfter. Bei einem Boxenstopp wäre der Engländer aus den Punkten geflogen.

Perez vs. Gasly - Formel  1  - GP Katar 2023
Wilhelm

Gasly hatte keine Chance zur Verteidigung, als seine Soft-Reifen einbrachen.

Ein Mal Traktor, ein Mal Formel-1-Auto

Die drei Safety-Car-Phasen spielten den Pokerspielern in die Karten. Sie konnten sie aber nicht retten. Wer mit Soft-Gummis gestartet war, kämpfte ab der fünften Runde vorne links mit Körnen. Pierre Gasly beschrieb das Gefühl aus dem Cockpit mit drastischen Worten. "In Rechtskurven bin ich einen Traktor gefahren, in Linkskurven ein Formel-1-Auto."

So sehr die unterschiedliche Reifenwahl den Sprint belebte und so sehr sie den Teams endlich Daten für die Ausdauer der einzelnen Reifen lieferte, so unglücklich war Pirelli-Sportchef Mario Isola über die vielen Unterbrechungen.

"Wir wollten uns im Sprint ein Bild machen, ob das Problem mit der Ablösung der Lauffläche von der Seitenwand weiter besteht. Bei 19 Runden hätten wir ein repräsentatives Ergebnis bekommen. Leider fanden sieben Runden hinter dem Safety-Car statt. Da fährt keiner über die Randsteine. Ich fürchte, dass die Informationen nicht ausreichen, um zu erkennen, ob das Problem mit den geänderten Streckenlimits gelöst wurde."

Pirelli wird laut Isola zwei Garnituren besondere Aufmerksamkeit schenken. "Die frischen Reifen haben zu wenig Runden im Renntempo zurückgelegt. Aber der Medium-Satz von Hamilton hatte vorher schon sieben Runden drauf, die Soft-Garnitur von Leclerc sechs Runden. Da kommen wir zusammen mit den Sprint-Runden in den kritischen Bereich von 20 Runden, bei dem wir nach dem ersten Training leichte Anzeichen von Laufflächenablösung entdeckt hatten."

Lando Norris - GP Katar 2023
xpb

Die FIA zog die Streckenlimits nach innen, damit die Fahrer nicht über die Kerbs rumpeln. Reicht das, damit die Reifen überleben?

Genug Reifen für drei Stopps?

Pirelli wird noch in der Nacht die Reifen der 20 Fahrer aufschneiden und untersuchen. Um 14 Uhr am Sonntag wollen die FIA, Pirelli und die Teams anhand der Ergebnisse darüber diskutieren, wie es weitergehen soll. Wenn ein Unsicherheitsfaktor bleibt, werden die FIA und Pirelli auf Nummer sicher gehen und eine maximale Laufzeit für die Reifensätze vorgeben.

Damit wäre ein Dreistopp-Rennen Pflicht. Gasly fürchtet, dass Pirelli und die FIA das gar nicht künstlich vorschreiben müssen. Der Franzose fürchtet, dass der Grand Prix zu einem Fünfstopp-Rennen wird. "Bei mir sind die weichen Reifen gleich nach dem zweiten Re-Start eingegangen." Das war nach sieben Runden.

Wer den Start auf Pirellis C3-Mischung wagte, musste im Rückblick zugeben, dass es ein Fehler war. "Die Datenlage nach dem ersten Training am Freitag war zu dünn. Beide Fahrer meinten, dass sie das Rennen mit einem Satz Soft durchbringen könnten", entschuldigte sich Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur. Mit Carlos Sainz auf Platz 6 gelang noch eine Schadensregulierung. Vasseur ärgerte sich: "Wir hätten noch ein Safety-Car mehr gebraucht."

Mercedes splittete die Taktik. Die Startplätze waren ausschlaggebend für die Reifenwahl. George Russell sollte vom vierten Platz mit Soft-Reifen Attacke machen, Hamilton von der zwölften Stelle mit Medium-Sohlen das Feld von hinten aufrollen. "Das hat im Großen und Ganzen funktioniert. Wir können mit dem Ergebnis zufrieden sein", resümierte Chefingenieur Andrew Shovlin nach den Plätzen 4 und 5.

Aston Martin opferte den Sprint, um für das Worst-Case-Szenario im Rennen genügend Medium-Reifen zur Verfügung zu haben. Beim neunten Startplatz im Sprint fiel die Wahl leicht. Im Hauptrennen wird Fernando Alonso als Vierter an den Start rollen. "Wir wussten, dass es mit den Soft-Reifen hart wird, aber da mussten wir durch. Es war uns wichtiger, für morgen genug Reifen zur Verfügung zu haben, die uns unter die Top 5 bringen können."

Vasseur versuchte, das Gute im Schlechten zu sehen. "Wenigstens haben wir heute gelernt, was der Soft-Reifen nicht kann. Wenn es am Sonntag ein Dreistopp-Rennen gibt, wird jeder ein Mal einen Soft-Reifen fahren müssen. Und wir haben uns mit unserer Taktik für den Sonntag eine Garnitur Medium aufgespart. Die könnte noch Gold wert sein."

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