F1-Weltmeister von übermorgen
Ist Oscar Piastri das neue Wunderkind?

GP Belgien 2023

McLaren kann sich freuen. Der britische Rennstall hat mit Lando Norris und Oscar Piastri die Superstars von morgen und übermorgen unter Vertrag. Piastri hat mittlerweile auch bei anderen Teams Begehrlichkeiten geweckt.

Oscar Piastri - GP Belgien 2023
Foto: xpb

Die Formel 1 hat ein neues Wunderkind. Vorgestern Max Verstappen, gestern Lando Norris, heute Oscar Piastri. Norris und Piastri treffen sich gerade bei McLaren wieder, und der Druck des Neuen auf den Alten wird immer größer. Piastri, wir erinnern uns, ist dieser Rookie, der sich bei Alpine aus seinem Vertrag paukte, obwohl er dort seine ganze Ausbildung genoss.

Schon damals weckte der Verrat, wie ihn Alpine nannte, auch Bewunderung. Wie viel Selbstvertrauen muss einer haben, der zwar alle Nachwuchsklassen im ersten Anlauf gewann, bis dahin aber noch kein Formel-1-Rennen gefahren war? Piastri sah nicht ein, warum Alpine lieber dem Altstar Alonso den Vertrag verlängern und ihn, den neuen Hoffnungsträger, zu Williams abschieben wollte.

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Piastri ein Typ wie Prost

Anfangs sah es so aus, als hätte sich der 22-jährige Australier ein Eigentor geschossen und mit McLaren auf das falsche Pferd gesetzt. Doch seit der Traditionsrennstall die Kurve gekriegt hat und Alpine talwärts fährt, spricht alles dafür, als hätten der junge Mann aus Melbourne und sein Berater Mark Webber alles richtig gemacht.

Piastri fällt dadurch auf, dass er nicht auffällt. Er fährt, als hätte er schon jahrelange Formel-1-Erfahrung, und er redet wie einer, der darüber nachdenkt, was er tut, statt einfach nur Gas zu geben. "Komplizierte Rennen, halb trocken, halb nass, seine ersten Führungsrunden. Zweikämpfe mit Verstappen oder Hamilton: Nichts kann Oscar erschüttern. Er lässt alles so einfach aussehen", lobt Teamchef Andrea Stella.

Auch die Konkurrenz streckt schon ihre Fühler aus und prüft, wie lange der Meister der Formel 3 von 2020 und der Formel 2 von 2021 bei McLaren unter Vertrag ist. Norris-Fan Helmut Marko gibt zu: "Der Norris zählt ja schon zu den besten, aber was der Piastri gerade zeigt, hat mich beeindruckt." Dabei ist Piastri gar nicht der Typ wilder Hund, Marke Verstappen. Eher einer wie Alain Prost.

Oscar Piastri & Lando Norris - GP Ungarn 2023
xpb
Piastri ärgert immer öfter Teamkollege Norris. In Budapest bremste den Rookie aber der erhöhte Reifenverschleiß.

Defizite beim Reifenmanagement

Wenn man zum Beispiel mit Piastri über Reifenmanagement spricht, dann zeigt er einerseits Respekt, erweckt aber auch den Eindruck, als hätte er das Thema schon genau studiert. "In der Formel 1 ist das Reifenmanagement eine ganz andere Nummer als in den Nachwuchsklassen. In der Formel 2 fährst du 37 Runden, in der Formel 1 sind es 70. Du hast drei zusätzliche Mischungen und viel mehr Optionen bei der Strategie. In der Formel 2 beschränkt es sich darauf, dass du im Hauptrennen den Soft-Reifen so früh wie möglich loswerden willst."

In seinen erst zwölf Grands Prix musste Piastri feststellen, wie kompliziert das Thema ist: "Es kommt darauf, was du managen willst. Abnutzung oder Körnen. Das Auto bestimmt, welche Maßnahmen es dir erlaubt. Das ist ein komplizierter Prozess, denn die Reifen sind thermisch limitiert. Es ist ganz einfach da in einen Teufelskreis zu geraten." Heißt: Wenn der Reifen ein Mal überhitzt, kommt er nie wieder zurück.

Genau das ist ihm in Budapest passiert. Die Theorie sei eine Sache, erzählt Piastri, die Umsetzung auf der Strecke eine andere. Der GP Ungarn ärgert ihn immer noch, auch wenn ein Schaden am Unterboden ihm eine gute Ausrede für die hohe Reifenabnutzung gegeben hätte: "Es ist schwer zu trennen, wie viel an mir lag und wie viel am Auto."

Oscar Piastri - GP Belgien 2023
Motorsport Images
Sternstunde in Spa. Mit Rang zwei im Sprint - nur knapp hinter Verstappen - verschaffte sich Oscar Piastri viel Respekt im Fahrerlager.

Der beste Rookie der letzten Jahre

Es ist die nüchterne Betrachtungsweise, die das nächste Supertalent der Formel 1 auszeichnet. Als die Saison zäh anlief, behielt der Australier die Nerven, obwohl es zugegebenermaßen schwer fiel. Webber beruhigte seinen Schützling immer wieder mit den Worten: "Die kriegen das hin. Bei McLaren arbeiten echte Racer, die gelernt haben Probleme zu lösen."

Selbst als der McLaren noch in der zweiten Hälfte des Feldes sein Zuhause hatte, sammelte Piastri schon fünf WM-Punkte ein. Und seit das Auto den Sprung in das Verfolgerfeld geschafft hat, ist der beste Rookie der letzten Jahre ein Dauer-Kandidat für das Podium.

"Natürlich träumst du davon, aber mir war vor der Saison klar, dass wir Ausfälle brauchen würden, um dort hinzukommen. Als es dann mit so vielen Problemen losging schien es wie ein entfernter Traum. Und dann hat sich innerhalb von nur drei Wochenenden alles auf den Kopf gedreht. Es ist ein ganz anderes Gefühl ein Auto zu haben, von dem du weißt, dass du deinen Job gut erledigen kannst."

Tom Stallard & Mark Webber - GP Österreich 2023
xpb
Manager Mark Webber, hier mit Renningenieur Tom Stallard, begleitet die Karriere von Oscar Piastri schon seit ein paar Jahren.

Webber muss Piastri bremsen

McLaren sieht sich in der Fahrerwahl bestätigt, die Daniel Ricciardo vorzeitig den Job bei McLaren gekostet hat. "Oscar bewegt sich auf einem positiven Trend. Der ist im Einklang mit dem Auto, das wir ihm hinstellen. Er nimmt das Geschenk an, das er mit dem verbesserten Auto bekommen hat, und holt das Potenzial raus, das in dem Paket jetzt steckt", urteilt Stella.

Mark Webber versucht seinen Senkrechtstarter zu bremsen. "Oscar ist manchmal zu selbstkritisch. Das ist prinzipiell eine gute Eigenschaft. Man kann es aber auch übertreiben. Zu viel Nachdenken kann manchmal kontraproduktiv sein. Ich sage ihm, dass er nach zwölf Rennen schon mittendrin in der Weltspitze fährt und nichts überstürzen soll."

Lando Norris hat längst gemerkt, dass ihm da ein Konkurrent im Team heranwächst, der ihm die Show stehen kann. Noch sagt er: "Oscar ist verdammt schnell. Das hilft auch mir, weil wir uns gegenseitig hochschaukeln." Beobachter im Team berichten, dass der Platzhirsch schon das ein oder andere Mal nachdenklich geworden ist. Vor allem, als ihn Piastri in den beiden Qualifikationssitzungen in Spa unter schwierigsten Bedingungen zwei Mal geschlagen hat.

Oscar Piastri - McLaren - GP Belgien 2023
Motorsport Images
Der Startcrash in Spa fällt unter die Kategorie Rookie-Fehler. Piastri war zwar nicht schuld, brachte sich aber selbst in Gefahr.

Steile Lernkurve

Noch kann Norris mit seinem Erfahrungsvorsprung punkten. Sein junger Kollege ist aber auf einer steilen Lernkurve unterwegs, bei der auch mal kleine Dellen zu sehen sind. So musste der Zweite des Sprints 22 Stunden nach seiner ersten großen Sternstunde feststellen, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Die Schuld an der Start-Kollision mit Carlos Sainz lag zwar hauptsächlich bei dem Ferrari-Piloten, doch eine Rückschau auf die letzten 20 Starts in Spa hätte ihm gezeigt, dass die Innenseite in La Source ein gefährlicher Platz ist. "Ich habe es 2016 selbst erfahren", erinnerte sich Max Verstappen.

Piastri weiß um seine Defizite und werkelt akribisch am persönlichen Fortschritt: "Ich hatte mir vorgenommen, Fehler nur einmal zu machen, muss aber feststellen, dass ich zuletzt ein paar zu viele davon gemacht habe. Ich arbeite daran, das abzustellen."

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