Mercedes mit B-Version in Monaco
Auf Papier ein paar Zehntel besser

GP Monaco 2023

Der GP Monaco soll ein Neustart für Mercedes werden. Die ehemaligen Abonnementweltmeister der Formel 1 machen mit einem großen Upgrade aus Seitenkästen, Unterboden, Motorabdeckung, Spiegel und Vorderradaufhängung Attacke. Die Idee der Mini-Seitenkästen ist gestorben. Wir zeigen die neuen Teile in unserer Galerie.

Mercedes - Upgrade - B-Version - GP Monaco 2023 - Formel 1
Foto: ams

Mit dem Schwenk auf Groundeffect-Autos 2022 hat Mercedes seine Vormachtstellung in der Formel 1 verloren. Red Bull dominiert seither, fährt Sieg um Sieg ein, während die erfolgsverwöhnte Mannschaft aus dem englischen Brackley gewissermaßen das Siegen verlernt hat. In 27 Grand Prix seit dem Reglementswechsel hat Mercedes nur ein einziges Mal gewonnen. Das war beim GP Brasilien im Vorjahr.

Der W13 war eine Diva, und auch der erste Aufguss des W14 brachte keine wirkliche Besserung, was die Resultate anbetrifft. Die Mercedes-Ingenieure blieben dem Konzept der Mini-Seitenkästen treu und richteten die Aerodynamik auf eine erhöhte Bodenfreiheit aus. Mit dem Ziel, das lästige Aufschaukeln in den schnellen Passagen (Bouncing) loszuwerden und das Fahrverhalten speziell in langsamen Kurven zu verbessern. Das klappte, kostete aber Abtrieb. Dazu wurde Mercedes vom Erzrivalen überrascht. Red Bull machte das Gegenteil, legte sein Auto tiefer und fährt damit der Konkurrenz noch weiter davon.

Unsere Highlights
Mercedes - Upgrade - B-Version - GP Monaco 2023 - Formel 1
ams
Auf der Oberseite des Seitenkastens entsteht eine Rampe mit kleiner Einkerbung.

Neue Entwicklungsrichtung für Mercedes

Die Mercedes-Ingenieure mussten schon im Winter gespürt haben, dass das eigene Konzept nicht das vielversprechendste ist, und dass es bei der Weiterentwicklung an Grenzen kommt. Bereits bei der Präsentation des W14 sprach Teamchef Toto Wolff davon, dass der schwarze Silberpfeil recht schnell im neuen Jahr sein Aussehen verändern werde. Die Pleite zum Saisonauftakt öffnete die Augen, dass man generell eine neue Entwicklungsrichtung einschlagen muss. Der Mercedes mit den kleinen Seitenkästen ist gestorben. Stattdessen nähert sich das Team von Lewis Hamilton und George Russell dem allgemeinen Trend an.

Die Seitenkästen wachsen in die Breite. Die Carbonhaut ist auf der Oberseite zu einer Rampe geformt, die moderat zum Heck hin abfällt. Eine kleine Einkerbung soll die Luft in Richtung Unterbodenkante und Diffusor-Dach kanalisieren. Eigentlich sollte die B-Version des Mercedes bereits in Imola debütieren. Nach der Absage des Grand Prix vor einer Woche wird Monte Carlo daraus. Das Kronjuwel der Formel 1 markiert in seiner 68. Ausgabe einen Neustart für Mercedes. Das große Upgrade-Paket versteht der Rennstall als einen guten Startpunkt für hoffentlich bessere Ergebnisse – und die zukünftige Entwicklung des Autos.

Der umgebaute Seitenkasten ist das herausstechende Merkmal. Die Verkleidung fällt nicht mehr wie früher zusammen, sondern buchtet sich aus. Aus einem schmalen Kühlschlitz wird ein quadratisch geformter Lufteinlass. Die Form der Seitenteile erinnert an die des Alpine A523. Das neue Design bedingt auch Änderungen unter der Haut. Die Mercedes-Ingenieure bauten neue Kühler und positionierten sie anders im Seitenkasten. Sie sind in einem Winkel von etwa 45 Grad liegend eingelassen. Auf der Oberseite arbeitet Mercedes zehn Kühlschlitze in die Verkleidung, durch die heiße Abluft entweicht.

Neuer Unterboden am Mercedes

Das Bodywork ist auch im Bereich der Motorabdeckung anders, wenngleich die Veränderungen hier nicht so offensichtlich ausfallen. Eine Wulst zieht sich weiterhin von vorn bis nach hinten. So entsteht im oberen Bereich der Motorhaube eine Art "Rinne". Der wichtigste Bereich bei Groundeffect-Autos ist der Unterboden, der an der B-Version des Mercedes ebenfalls neu ist. Durch die Tunnel unter dem Auto erzeugen die Autos den meisten Abtrieb, der gleichzeitig effizient ist. Der Unterboden steht im Gegensatz zu den Flügeln nicht im Wind. Abgerundet wird das Aerodynamik-Paket durch veränderte Spiegel. Sie sitzen auf einer großen horizontalen Fläche.

Die obere Crashstruktur beginnt wie zuvor vor dem eigentlichen Seitenkasten, und ist weiter als ein Flügel ausgekleidet. Eine Neuanordnung in diesem Bereich hätte ein neues Chassis sowie den dazugehörigen Crashtest erfordert. Das wäre in Zeiten der Budgetdeckelung nicht machbar gewesen. Man braucht ja auch Mittel für die weitere Entwicklung in dieser Saison.

Die Konstruktion schränkte Mercedes gewissermaßen bei der Neugestaltung der Seitenkästen ein. Eine Kopie, zum Beispiel des Red Bull, wäre deshalb nicht möglich gewesen. Mercedes muss einen eigenen Weg gehen, und tut das gerne. Aus dem Team heißt es: "Man kann nichts isoliert voneinander betrachten. Alle Teile interagieren miteinander. Diese Seitenkästen sind so geformt, wie sie am besten zu unserem aktuellen Gesamtkonstrukt passen."

Mercedes - Upgrade - B-Version - GP Monaco 2023 - Formel 1
ams
An der Vorderachse erfolgte wie bei der Aerodynamik ein großer Umbau.

Anti-dive-Vorderradaufhängung

Beim Branchenprimus und bei Aston Martin hat man aber an anderer Stelle abgeschaut: bei der Vorderradaufhängung. Sie ist jetzt so ausgestaltet, dass das Auto beim Bremsvorgang und Einlenken weniger eintaucht. Der englische Fachbegriff dafür lautet "anti-dive." Dafür dockt der obere, vordere Querlenker höher am Chassis an. Der hintere spreizt sich weit nach unten. Dazwischen liegt die Druckstrebe. Zudem hat Mercedes die unteren Querlenker überarbeitet.

Die aufwendige Neuanordnung ist auch ein Grund dafür, dass Mercedes sein Upgrade in Monte Carlo fährt. Nach Rückkehr der Autos aus Miami hatten die Mechaniker damit angefangen, die neuen Anlenkpunkte der Aufhängung im vorderen Bereich des Chassis zu setzen. Ein Rückbau nach der Absage von Imola wäre zu zeitaufwendig gewesen.

So debütiert die B-Version auf einer Strecke, die eigentlich für große Umbauten nicht prädestiniert ist. Teamchef Toto Wolff meint dazu: "Es ist ein einzigartiges Rennen, das aber dennoch die Möglichkeit bietet, etwas über die Upgrades am W14 zu lernen. Wir müssen allerdings auch aufpassen, dass wir nicht zu viele Schlüsse aus diesem Event ziehen." Trotz der Eigenarten von Monaco sollte man in den Trainings genug Rückschlüsse ziehen können, ob das neue Aerodynamik-Paket funktioniert. Bei den mechanischen Komponenten könnte das kniffliger werden. Hier könnte man länger brauchen, die richtige Abstimmung zu finden. Übrigens hat Mercedes drei Kits für das Monaco-Wochenende zur Verfügung. Mehr als ein großer Unfall liegt für Hamilton und Russell nicht drin.

Stabilere Plattform, mehr Vertrauen

Die Neuerungen verschieben die Aerodynamik in ein anderes Fenster. Sie sollen es ermöglichen, den W14 wieder tiefer zu legen. Das bringt Abtrieb. Das Team erhofft sich, eine stabilere Plattform zu schaffen, und das launische Heck des W14 in den Griff zu bekommen. Die instabile Hinterachse kostete die Fahrer Vertrauen. Und das braucht es, um jede Zehntelsekunde aus dem Auto zu quetschen. George Russells erster Eindruck aus dem Simulator macht Mut: "Aerodynamisch spüre ich einen Fortschritt. Mit der Mechanik müssen wir abwarten. Da kriegst du die endgültige Antwort erst auf der Strecke."

Auf dem Papier verspricht die B-Version, die für Monaco mit einem Heckflügel für maximalen Anpressdruck ergänzt wird, einen Fortschritt von ein paar Zehntelsekunden pro Runde. Was der Windkanal ansagt, muss aber erstmal auf der Rennstrecke ankommen. Die Fahrer kennen das neue Paket bereits aus dem Simulator – und urteilten dort positiv darüber. Und wer weiß: Wenn der runderneuerte Mercedes ihnen tatsächlich mehr Vertrauen schenkt, vielleicht ist dann auch mehr drin, als das Papier sagt. Hamilton dankt seinem Team für die großen Anstrengungen: "Das Team hat unglaublich hart dafür gearbeitet, dieses Upgrade an den Start zu bringen."

Live
GP Imola