Mercedes und Ferrari im Elend
Hoher Reifenverschleiß und Kühlprobleme

GP Brasilien 2023

Mercedes und Ferrari kamen beim Sprint in São Paulo böse unter die Räder. Nach 24 Runden fehlten auf den Sieger Max Verstappen mehr als 25 Sekunden. Hoher Reifenverschleiß und Kühlprobleme bremsten die Dinosaurier.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Brasilien 2023 - Sprint
Foto: Motorsport Images

Wenn der Sprint eine Vorschau für den GP Brasilien war, dann steht Mercedes und Ferrari ein harter Sonntag bevor. Beim Sprint am Samstag hatten George Russell, Charles Leclerc, Lewis Hamilton und Carlos Sainz nur kurz freie Sicht zu dem späteren Sieger Max Verstappen und dessen Verfolger Lando Norris.

Schon vor Halbzeit des Mini-Grand Prix riss der Kontakt zur Spitze ab. Und je länger der Sprint dauerte, umso mehr ging die Schere auf. In 24 Runden verlor Russell 25,879 Sekunden auf den siegreichen Red Bull. Bei Leclerc kletterte der Rückstand auf 28,560 Sekunden. Das war ein Rückfall in alte Zeiten.

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Auch die letzte Runde ist kein Kompliment für die Verlierer. Eher ein Zeichen, dass sie ihre Reifen stärker abnutzten und dabei noch langsamer unterwegs waren als die Spitze. Verstappen fuhr die Schlussrunde in 1.14,723 Minuten, Norris in 1.15,441 Minuten, Russell in 1.16,979 Minuten und Leclerc in 1.16,554 Minuten. Sainz und Hamilton waren noch einmal eine gute Sekunde langsamer.

Russell - Perez - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Sprint
Wilhelm

Die Mercedes-Fahrer standen ab der dritten Runde mit dem Rücken zur Wand.

Instabiles Heck kostet Vertrauen

Die Mercedes-Piloten fuhren bereits ab der dritten Runde mit dem Rücken zur Wand. "Wir haben uns in den ersten zwei Runden die Reifen hingerichtet", erzählte Teamchef Toto Wolff. Russell im Duell mit Norris, Hamilton im Zweikampf mit Perez. Die schwarzen Autos zeigten sich von ihrer schlechtesten Seite. Die Balance kippte von Untersteuern ins Übersteuern. "Wenn du so auf Messers Schneide fahren musst, ist kein Vertrauen da", urteilte Wolff.

Normalerweise zählt die Reifenbehandlung zu den starken Seiten des W14. Deshalb wunderte sich Russell: "Wir haben nicht mit so viel Abnutzung gerechnet. Im Gegensatz zu den anderen haben wir es nicht geschafft, die Reifen in das richtige Fenster zu bringen." Der vierte Platz des Vorjahressieger war unter den Umständen fast ein Sieg.

Hamilton verlor in den Schlussrunden noch zwei Plätze an Leclerc und Tsunoda. "Es war kein angenehmes Rennen. Ich habe schon früh mit dem Auto gekämpft. Zum Schluss hatten die Reifen keinen Grip mehr. Wir haben uns wohl mit dem Setup vergriffen."

Aus Vorsicht zu viel Bodenfreiheit

Die ungewöhnlichen Reifenprobleme gaben Rätsel auf. Der schlechte Topspeed und Russells Bestzeit im zweiten Sektor ließen darauf schließen, dass die Autos auf mehr Abtrieb getrimmt waren als bei der Konkurrenz und deshalb eigentlich mit den Reifen schonend hätten umgehen müssen. Tatsächlich aber war der Anpressdruck nicht stabil. Das Heck konnte mit der Vorderachse nicht mithalten. Das ließ die Hinterreifen leiden.

Ein Grund für die ungewöhnlichen Balanceverschiebungen lag in der Bodenfreiheit. "Wir haben sie höher gesetzt als wir es normalerweise machen würden", gab Wolff zu. Die Disqualifikation von Austin wirkte nach. Wieder müssen die Schutzplatten unter dem Auto wegen des Sprintformats 200 Kilometer mehr aushalten, wieder fährt man auf einer Rennstrecke mit Bodenwellen, und wieder müssen die Fahrer in einigen Kurven über die Randsteine.

Das lässt auch Ferrari auf Vorsicht spielen. Auch wenn Leclerc in Austin nur 0,3 Millimeter über dem Limit lag, will man im roten Lager nichts riskieren. "In Austin war es vielleicht ein oder zwei Mal zu viel über die Kerbs, die den Unterschied ausgemacht haben", erzählt Teamchef Frédéric Vasseur. Das kann auch in Interlagos passieren. Die Fahrer fahren in sieben der 15 Kurven über die Radsteine.

Im Windschatten zu heiß

Der Reifenabbau bei Ferrari hielt sich im Vergleich zu Mercedes in Grenzen, war aber auch kein Vorzeigestück. Leclerc schob es darauf, dass man mit Soft-Reifen antrat, die am Freitag jeweils eine heiße Qualifikationsrunde abgespult hatten. Lando Norris zum Vergleich benutzte einen Satz, mit dem er im ersten Training eine schnelle Runde frühzeitig abbrach.

Die Ferrari-Fahrer waren in den ersten Runden auch nicht so in Rad-an-Rad-Duelle verstrickt wie ihre Kollegen von Mercedes. "Bei den Soft-Reifen spielte es eine große Rolle, wie sie in den ersten Runden behandelt wurden. Speziell bei den gebrauchten Sätzen", erklärte Pirelli-Reifenchef Mario Isola und ergänzte: "Deshalb waren die Alpha Tauri so stark. Tsunoda und Ricciardo sind auf frischen Reifen gestartet, und sie sind den Sprint vorsichtig angegangen."

Das Hauptproblem von Ferrari waren die hohen Motortemperaturen. Beide Piloten mussten auf den Geraden früh vom Gas, um im grünen Bereich zu bleiben. "Das hat uns viel Speed gekostet. Wir können deshalb mit dem fünften Platz zufrieden sein. Mehr ging heute nicht", machte sich Leclerc Mut. Vasseur ärgert sich: "Wir haben uns mit der Kühlung verrechnet. Wenn wir im Windschatten anderer Autos fahren, laufen die Motoren zu heiß."

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Brasilien 2023 - Sprint
Wilhelm

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc musste sich abmühen, um Yuki Tsunoda im Alpha Tauri hinter sich zu halten.

Ferrari hat mehr frische Reifen

Ferrari kann etwas optimistischer auf den Grand Prix am Sonntag blicken als sein direkter Konkurrent Mercedes. "Mit dem Setup haben wir kaum Möglichkeiten. Mehr als den Frontflügel können wir nicht verstellen", bedauert Wolff. Chefingenieur Andrew Shovlin hofft: "Am Sonntag wird es kühler. Vielleicht spielt uns das in die Karten und hilft, die Balance zu verbessern."

Auch das Reifendepot macht nicht viel Mut. Mercedes verfeuerte im Sprint-Shootout jeweils einen frischen Satz Soft und hat jetzt von Pirellis C4-Mischung nur noch gebrauchte Garnituren in der Hinterhand. Der Soft-Reifen könnte aber bei Asphalttemperaturen unter 40 Grad zum besten Rennreifen werden. "Komischerweise ist der Medium-Reifen in den ersten Runden schneller als der Soft, baut aber eher ab. Normalerweise ist das umgekehrt", wunderte sich selbst Isola.

Ferrari opferte den Sprint-Tag, um im Hauptrennen optimal gerüstet zu sein. Beide Fahrer gingen mit gebrauchten Softs ins SQ3 und bezahlten mit den Startplätzen 7 und 9 hinter den Mercedes dafür. "Beide Fahrer haben jetzt dafür zwei neue Satz Medium für den Sonntag, Charles dazu einen neuen Soft. Die beste Soft-Garnitur von Carlos hat nur zwei Runden abgespult", atmet Vasseur auf. Auch die Kühlprobleme sind lösbar. Am Sonntag greift nämlich die Wetterwechsel-Regel, unter der die Teams die Kühlung für Bremsen und Motor nachjustieren dürfen. Für das Rennen ist die Qualifikation am Freitag relevant, und da hat es im Q3 geregnet. Die Vorhersage für Sonntag ist trocken.

Vasseur sieht es mit einem lachenden und weinenden Auge: "Für uns ist es gut, aber der Zuschauer kapiert gar nichts mehr. Es gibt zu viele Regeln. Selbst wir kennen uns teilweise nicht mehr aus. Da ist es kein Wunder, dass die Leute Fehler machen."

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