Taktik-Check GP Abu Dhabi 2023
Wurde Tsunoda verschaukelt?

GP Abu Dhabi 2023

Yuki Tsunoda war der Mann des Rennens von Abu Dhabu. Er war der einzige Fahrer, der ein Einstopp-Rennen in WM-Punkte ummünzte. Teamchef Franz Tost kritisierte anschließend die Taktik des Teams. Wo wäre Tsunoda mit zwei Stopps gelandet?

Yuki Tsunoda - Alpha Tauri 2023
Foto: Red Bull

Um den Sieger müssen wir uns nicht kümmern. Max Verstappen hätte mit einem, zwei oder drei Boxenstopps den GP Abu Dhabi gewonnen. Er lief nur ein Mal Gefahr, in einen Undercut zu laufen. In der 15. Runde hatte er 2,045 Sekunden Vorsprung auf Charles Leclerc. Der Ferrari war wie schon in Las Vegas auf den Medium-Reifen überraschend schnell und ausdauernd. Mit der harten Gummimischung ging dann die Lücke schnell auf.

Das Saisonfinale lebte allein von den Duellen in der Konstrukteurs-Wertung. Mercedes gegen Ferrari um Platz zwei, McLaren gegen Aston Martin um Rang vier, Williams gegen Alpha Tauri um den siebten Platz. Hier wurde es in zwei Fällen noch spannend. Nur im Schlagabtausch zwischen McLaren und Aston Martin war von Anfang an alles klar. Ein einsamer Fernando Alonso konnte gegen zwei McLaren nichts ausrichten. Lance Stroll rutschte erst drei Runden vor Schluss in die Punkteränge.

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Ein Duell mit zwei Brennpunkten

Die Schlacht der Schwergewichte Mercedes und Ferrari entschied sich erst auf den letzten Metern. Bei nur vier Punkten Differenz war jede Position entscheidend. Die Ausgangslage machte die Aufgabe nicht einfacher. Jeweils ein Fahrer startete vorne, der andere außerhalb der Punkteränge. Zehn Runden vor Schluss stand es 409:407 für Mercedes. Doch an beiden Enden der Top Ten braute sich etwas zusammen.

George Russell lief Gefahr seinen dritten Platz zu verlieren, weil Sergio Perez von hinten mit Rundenzeiten angeflogen kam, die um vier bis sieben Zehntel schneller waren als die von Charles Leclerc und George Russell. Der Abstand der beiden war mittlerweile auf drei Sekunden eingefroren.

Dass Perez mit einer Fünfsekunden-Strafe wegen einer Kollision mit Lando Norris belastet war, machte die Sache nicht einfacher. Er war quasi ein unsichtbarer Gegner. Was man auf der Strecke sah, war nicht die Realität. Zehn Runden vor der Zielflagge fehlten Perez inklusive der Strafe noch 9,4 Sekunden auf Russell und 12,4 Sekunden auf Leclerc.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Abu Dhabi 2023
xpb

Lewis Hamilton konnte das Tempo von Teamkollege George Russell nicht mitgehen.

Am anderen Ende der Punkteränge lag Lewis Hamilton 2,8 Sekunden vor Carlos Sainz. Doch der Spanier war nicht sein Gegner. Sainz musste noch ein Mal an die Box. Und die Chancen, dass ihm ein Safety-Car einen Gratisstopp verschafft, wurden mit jeder Runde geringer.

Hamiltons Zielscheibe hieß Yuki Tsunoda. Der Japaner war mit einer Einstopp-Taktik unterwegs. Seine Reifen hatten zu dem Zeitpunkt bereits 26 Runden auf der Lauffläche, die von Hamilton nur 13. Der Abstand betrug zwar noch 11,5 Sekunden, doch Hamilton verkürzte ihn gerade um zwei Sekunden pro Runde. Obwohl er mit einem aerodynamischen Handikap fuhr. Seit einem Zusammenstoß mit Pierre Gaslys Alpine hatte sich die linke Frontflügelendplatte gelockert. "Das gab ihm auf der einen Seite mehr Abtrieb als auf der anderen", berichteten die Ingenieure.

Leclerc spielte fair

Die Strategen am Mercedes-Kommandostand rutschten in den letzten Runden unruhig auf ihren Sitzen hin und her. "Eine der beiden Aufgaben musste funktionieren. Entweder hält George den dritten Platz, oder Lewis holt sich noch Tsunoda." Als die Piloten sich nach dem WM-Stand erkundigten, bekamen sie nur zur Antwort: "Fahrt einfach so schnell wie möglich und kümmert euch nicht um die WM."

Zu viel rechnen hätte an diesem Punkt nur geschadet. In der 54. Runde war jedem der Ernst der Lage bewusst. Perez hatte Russell überholt, und man musste kein großer Experte sein, um sich auszumalen, dass Ferrari den Red-Bull-Piloten in seine Taktik mit einbezieht. Leclerc gab zu: "Ich habe Checo Windschatten gegeben, um ihn von George wegzuziehen."

Doch bei der vorletzten Zieldurchfahrt hatte Perez nur 3,0 Sekunden Vorsprung auf den Mercedes. Und Leclerc lag immer noch 1,8 Sekunden vor dem Red Bull. In Kurve 5 durfte der Mexikaner kampflos den zweiten Platz einnehmen. Leclerc hätte jetzt im letzten Sektor bummeln können, um Russell einzubremsen, doch der Ferrari-Pilot spielte mit offenen Karten. Er ging 2,3 Sekunden vor seinem WM-Gegner über die Ziellinie.

Leclerc - Russell - GP Abu Dhabi 2023 - Rennen
Wilhelm

Leclerc hätte Russell in der Schlussrunde ausbremsen können, spielte aber fair.

Hamilton verfehlt das Ziel

Das reichte für Russell. Perez fehlten in der Endabrechnung noch 1,1 Sekunden auf den dritten Platz. Hätte Leclerc ein böses Spiel spielen wollen, wäre es nicht ohne Risiko für ihn gewesen. Wenn er zu viel Fahrt rausnimmt, überholt Perez auch ihn. Und das hätte der Sache erst recht nicht gedient.

Rückblickend haben die Sportkommissare Mercedes den Vize-Titel gerettet. Die Fünfsekunden-Strafe für Perez war ein schlechter Scherz. Keiner hatte bei der Kollision ein Schaden, keiner einen Nutzen. "Es war ein normaler Rennunfall", urteilte Red-Bull-Sportchef Helmut Marko. So sahen es fast alle.

Mercedes durfte aufatmen. Hamilton erfüllte seinen Auftrag nicht. Der Rekordsieger war in Kurve 9 zwar schon an Tsunoda vorbei, hatte dann aber am Scheitelpunkt einen Wackler, und der Japaner holte sich die Position zurück. Mercedes-Teamchef Toto Wolff verteidigte seinen gefallenen Helden: "Lewis kam das ganze Wochenende mit dem Auto nicht zurecht. Es ist schwer zu verstehen, warum es diese starken Schwankungen zwischen zwei Weltklassefahrern gibt. Nicht nur bei uns. Ferrari hat es hier mit Sainz auch erlebt."

Alpha Tauri reagierte nicht auf Dominoeffekt

Der zweite Aufreger des Rennens spielte sich im Mittelfeld ab. Alpha Tauri hatte noch einmal alles in die Waagschale geworfen, um Williams vom siebten Platz zu stoßen. Die Aufgabe, mindestens sieben Punkte aufzuholen, ist in dem Bereich des Feldes durchaus ambitioniert. Das 18. Upgrade der Saison mit dem sechsten neuen Unterboden sollte den Unterschied ausmachen. Auf der Strecke funktionierte es. Der Alpha Tauri war eindeutig das schnellere Auto als der Williams.

Franz Tost - Alpha Tauri - GP Abu Dhabi 2023
Red Bull

Franz Tost war nach seinem letzten Rennen als Alpha-Tauri-Teamchef nicht mehr ganz so happy wie davor.

Yuki Tsunoda stellte seinen AT04 mitten ins Establishment auf den sechsten Startplatz. Den hielt der Japaner auch im ersten Stint. Doch schnell wurde klar, dass die Strategen mit nur einem Boxenstopp planten. Sie reagierten nicht auf den Dominoeffekt, den Fernando Alonso mit seinem frühen Reifenwechsel in Runde 12 ausgelöst hatte. Oscar Piastri, Lando Norris, George Russell, Sergio Perez und Charles Leclerc zogen aus Angst vor Undercuts ihre Boxenstopps vor. Nur Tsunoda nicht. Der wartete bis zur 22. Runde.

Die Mercedes-Strategen gaben zu: "Wir hatten bei George auch mit einem Stopp geplant und wollten bis Runde 25 kommen. Als Alonso alle anderen früh zum ersten Stopp reinzog, wurde uns die Nummer zu heiß und wir haben unsere Pläne geändert. Wir glauben zwar, dass wir mit einem Reifenwechsel Leclerc hätten schlagen können, doch ein Einstopp-Rennen barg in Anbetracht der WM-Situation zu viele Risiken."

Tost kritisiert seine Ingenieure

Der scheidende Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost hätte das glatt unterschrieben. Der Österreicher polterte nach dem Rennen in die TV-Mikrofone: "Ich bin stocksauer, dass wir zu blöd waren, die richtige Strategie zu wählen. Ich hatte Diskussionen an der Boxenmauer und habe gesagt, dass wir Yuki reinholen sollten. Mir wurde gesagt, dass es sich schon ausgehen würde. Das ist reine Arithmetik. Ich habe erkannt, dass es wahrscheinlich nicht reichen würde."

Tost musste allerdings zugeben, dass mehr als ein siebter Platz auch mit zwei Stopps nicht drin lag: "Perez lag zu dem Zeitpunkt noch hinter uns, und er war einfach schneller. Dass uns aber Alonso noch überholt, ist ein einfaches No-Go. Das haben wir vermurkst, weil die Herren Techniker, die stundenlang vor den Computern sitzen, es nicht hinbekommen haben, die Strategie so auszurechnen, dass sie letztendlich funktioniert."

Auch die McLaren waren zu schnell für einen Tsunoda in Hochform. Obwohl sowohl Norris als auch Piastri ab dem zweiten Stint ihre Reifen hingerichtet haben. Sie waren in den kritischen Kurven 2, 3 und 9 einfach zu schnell und bezahlten damit, dass sie Schritt für Schritt den Kontakt zu Leclerc und Russell verloren.

Alpha Tauri hatte noch ein zweites Eisen im Feuer. Daniel Ricciardo zeigte eine starke Aufholjagd, die 0,5 Sekunden hinter dem zehntplatzierten Lance Stroll endete. Der Australier wäre mit Punkten belohnt worden, hätte Williams nicht Logan Sargeant geopfert, um Ricciardo aufzuhalten. "Wir haben absichtlich versucht, Daniel so lange zurückzuhalten wie möglich", bestätigte der Amerikaner.

Sargeant hielt dem Druck insgesamt acht Runden stand. Da spielte ihm der schlechte Topspeed des Alpha Tauri in die Karten. In der Zeit hinter dem Williams verlor Ricciardo fünf Sekunden auf seine Marschroute. Ein zehnter Platz des Oldies hätte dem Team aus Faenza aber selbst im Zusammenspiel mit einen siebten Rang von Tsunoda nichts genutzt. Bei Punktgleichheit und jeweils zwei siebten Plätzen hätte Williams mit zwei gegen ein Mal Rang 8 die Oberhand behalten.

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