Formel 1 hat ein unlösbares Problem
Keine Strafen für Stauverursacher

GP Mexiko 2023

Das Resultat der Qualifikation war nicht zum ersten Mal in dieser Saison provisorisch. Wegen Missachtung gelber Flaggen und Auslösen eines Staus an der Boxenausfahrt mussten fünf Fahrer bei den Sportkommissaren vorsprechen.

Boxenstraße - Formel 1 - GP Mexiko 2023 - Qualifikation
Foto: xpb

Die Startaufstellung für den GP Mexiko stand erst drei Stunden nach Ende der Qualifikation fest. Die Sportkommissare hatten sechs Fahrer und ihre Sportdirektoren vorgeladen. Bei Lewis Hamilton, Logan Sargeant und Yuki Tsunoda lautete der Vorwurf: zu schnell oder sogar überholen unter gelber Flagge. Max Verstappen, Fernando Alonso und George Russell mussten sich wegen Verursachens eines Staus an der Boxenausfahrt verantworten.

Das Thema mit den gelben Flaggen war ein Routinefall. So etwas passiert nicht zum ersten Mal in der Formel 1. Alonso hatte sich in Kurve 3 gedreht. Hamilton und Sargeant gingen angeblich nicht ausreichend vom Gas. Sie kamen ohne Strafe davon, weil das gelbe Warnlicht aus ihrer Sicht zu spät sichtbar war. Sargeant stand auch noch vor den FIA-Richtern, weil er unter Gelb Yuki Tsunoda überholt haben soll. Der Amerikaner muss zehn Startplätze zurück, was irrelevant ist, weil er ohnehin schon hinten steht.

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Fernando Alonso - Max Verstappen -  GP Mexiko 2023 - Qualifikation
Motorsport Images

Die Fahrer wollen tunlichst vermeiden, in den Verkehr zu geraten.

Idealer Abstand sind sieben Sekunden

Ein ganz anderer Fall trat am Ende der ersten K.-o.-Runde an der Boxenausfahrt auf. Wie üblich wollten alle gleichzeitig ihren letzten Versuch abspulen. Weil die Rennleitung für die Aufwärmrunde eine Mindestzeit von 1.36 Minuten vorgegeben hatte und die Runde auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez relativ kurz ist, wollte keiner das Risiko eingehen, auf der Rennstrecke eine Lücke zum Vordermann zu öffnen.

Der ideale Abstand zum Auto davor sind sieben Zehntel und mehr. "Wenn es nur drei oder vier Sekunden sind, verlierst du zu viel Zeit", erklärte Verstappen. Deshalb bildete sich am Ende der Boxengasse ein veritabler Stau mit Verstappen an der Spitze. Jeder versuchte, sich freie Luft schon am Start der Runde zu schaffen, um nicht mit der Maximalzeit in Konflikt zu kommen.

Verstappen hielt ungefähr drei Sekunden an und zwang damit Lance Stroll hinter ihm noch länger zu warten. Der Ziehharmonika-Effekt setzte sich auf den Rest der Schlange fort. Alonso machte das gleiche mit Sainz. Russell ließ sich am längsten Zeit, um auf die perfekte Lücke zu warten.

Singapur-Präzedenzfall übt Druck aus

Normalerweise hätten die Sportkommissare sofort ein Auge zugedrückt, doch seit dem GP Singapur gibt es einen Präzedenzfall, der danach kontrovers diskutiert wurde. Da hatte Verstappen an der Boxenausfahrt 16 Sekunden im Stillstand verbracht und hinter sich das halbe Feld aufgehalten. Der Holländer kam mit einer Verwarnung davon.

Viele im Fahrerlager fanden, dass diese Strafe zu milde ausfiel, weil Verstappen mit seiner Warterei das Aufwärmprogramm vieler Fahrer hinter ihm durcheinander gebracht hatte. Wegen der Kritik an den Schiedsrichtern erwarteten viele diesmal härtere Strafen. Doch die blieben aus. Einhelliges Urteil der Sportkommissare: Es gibt keinen Handlungsbedarf, weil sich die Fahrer in einem Konflikt befanden, der nicht lösbar war. Einerseits mussten sie die Aufwärmrunden zwischen den beiden Safety-Car-Linien in einer Minimalzeit absolvieren, andererseits durften sie in der Boxengasse keinen behindern. Beides aber ließ sich nicht vereinbaren.

Aston-Martin-Teammanager Andy Stevenson gab dem Urteil recht, auch wenn Stroll einer der geschädigten Fahrer war. "Diesmal war die Wartezeit viel geringer als in Singapur. Es hat keine gefährlichen Manöver provoziert. Alle kennen das Problem. Deshalb haben wir Lance so früh wie möglich herausgeschickt. Man könnte höchstens die Frage stellen, warum Max an der Spitze der Schlange überhaupt gewartet hat. Aber es war meiner Auffassung nach nicht lang genug, um eine Strafe zu rechtfertigen."

Einziger Kritikpunkt war die Boxenausfahrt. "Sie zieht sich wie ein Flaschenhals zusammen. Damit ist es fast nicht möglich, das Auto, das vorne steht zu überholen, falls man das will", urteilt Stevenson.

Max Verstappen - Red Bull - GP Mexiko 2023
Wilhelm

Max Verstappen kassierte wie seine Kollegen keine Strafe für das Verursachen des Boxen-Staus.

Problem nur verlagert

Die Staus an der Boxenausfahrt zeigen ein Problem auf, für das es keine optimale Lösung gibt. Schickt man die Fahrer ohne Mindestzeit auf die Strecke, werden die Abstände im letzten Sektor geschaffen, was gefährlich werden kann, wenn die Uhr der Zielflagge entgegen tickt. "Mit der aktuellen Regel verlagern wir das Abstandschaffen in die Boxengasse und tauschen ein potenziell gefährliches Szenario auf der Rennstrecke gegen eines ein, das für einige Fahrer unkomfortabel, aber nicht gefährlich ist", wägt Stevenson ab.

Die Fahrer bestätigten die Einschätzung. "Es ist sicherer, das Problem in der Boxengasse auszusortieren als am Ende der Runde, weil dann dort zu große Speed-Unterschiede herrschen", sagt Charles Leclerc. Max Verstappen sieht es genauso: "In der Box fahren alle so langsam, dass nichts passieren kann. Alle versuchen, den Platz in der Boxengasse zu schaffen. Wie soll ich da jemand behindern?" Dieser Meinung schlossen sich auch die vier Sportkommissare an und forderten die FIA gleichzeitig auf, für die Zukunft bessere Lösungen zu präsentieren.

McLaren-Teamchef Andrea Stella hält dagegen: "Das ist eine unbefriedigende und unfaire Lösung. Du kannst nicht mehr planen, wann du deinen Fahrer auf die Strecke schickst, weil du in den Händen anderer Fahrer bist."

Haas-Teamchef Guenther Steiner hält die Regel mit der Mindestzeit für schlecht, weil man dann erklären muss, warum Fahrer nicht bestraft werden, die diese Regel verletzen. "Für das Überschreiten der Maximalzeit gab es noch nie eine Strafe. Warum gibt es dann die Regel? Nach Singapur haben die Sportkommissare angekündigt, dass sie bei Staus in der Boxengasse härter durchgreifen. Tun sie es nicht, werden sie unglaubwürdig."

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