Trainingsanalyse GP Singapur 2023
Stoppt Ferrari Verstappens Siegesserie?

GP Singapur 2023

Was war denn da mit Red Bull los? Sergio Perez nur auf Rang 7, Max Verstappen nur auf Platz 8. Sieben Zehntel hinter dem Ferrari-Duo, das beide Trainingssitzungen dominierte. In der Trainingsanalyse blicken wir hinter die Zahlen.

Ferrari - GP Singapur 2023
Foto: xpb

Ist das die goldene Gelegenheit, auf die Red Bulls Gegner seit 14 Rennen vergeblich gewartet haben? Hat Max Verstappen Recht mit seiner düsteren Prognose, dass der GP Singapur zum Stolperstein für die Seriensieger werden könnte?

Noch nie war Red Bull in dieser Saison an einem Freitag so schlecht sortiert. Die Fahrer klagten über abwechselnd Unter- und Übersteuern. So fehlte das Vertrauen ins Auto. Auf einer Runde fehlten Sergio Perez und Max Verstappen sieben Zehntel auf die Freitags-Pole von Carlos Sainz.

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Noch traut die Konkurrenz dem Frieden nicht. Auch weil Perez den besten Longrun auf dem Medium-Reifen abspulte, allerdings mit minimalem Vorsprung auf Aston Martin und Mercedes. Die Ferrari können im Longrun ihre gute Form der schnellen Einzelrunden nicht ganz bestätigen. "Red Bull wird bis zum Samstag den Fehler beheben", ist Fernando Alonso überzeugt.

So darf die Formel 1 eine Nacht und einen Tag lang hoffen, dass der GP Singapur so spannend bleibt, wie es der erste Trainingstag angedeutet hat. Wenn Ferrari seine Autos in die erste Startreihe bringt, wird es schwer werden, sie zu schlagen. Dann können Carlos Sainz und Charles Leclerc das Tempo bestimmen, das den Reifen guttut. Und wenn das Feld dicht zusammenbleibt, kann keiner einen Undercut riskieren, weil er sonst in den Verkehr fällt.

Ferrari - GP Singapur 2023
xpb

Ferrari überraschte sich in Singapur selbst. Kann man die Pace halten?

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Warum ist Ferrari so stark?

Für viele kommt Ferraris Galavorstellung am ersten Trainingstag überraschend. Für Teamchef Frédéric Vasseur nicht: "Wir waren schon in Monte Carlo stark. Uns liegen die beiden Extreme. Monza mit wenig Abtrieb und Stadtkurse mit viel." Carlos Sainz dagegen wunderte sich: "Wir sind selbst etwas überrascht. Die Strecke liegt uns offenbar. Ich erwarte am Samstag aber ein anderes Bild, weil die Strecke an Grip zulegt. Dann kommt es darauf an, wer mit dem Setup richtig reagiert. Red Bull war heute schon im Longrun vorne. Ich erwarte sie morgen auch auf eine Runde besser."

Red-Bull-Sportchef Helmut Marko vermutet: "Es hat hier nur einen Kurventyp. Das hilft Ferrari. Wenn sie den gut hinkriegen, sind sie ein harter Gegner für uns." Ferrari betont, dass man von den Setup-Experimenten im ersten Training in Zandvoort viel über die mechanische Abstimmung des Autos gelernt habe. Das Auto kann jetzt viel besser mit Bodenwellen und Randsteinen umgehen.

Carlos Sainz und Charles Leclerc führten in beiden Trainingssitzungen die Rangliste an, untereinander nur durch 18 Tausendstel getrennt. In den repräsentativen Abendstunden mit 0,235 Sekunden vor George Russell und 0,358 Sekunden vor Alonso. Den Red Bull fehlen sieben Zehntel. In den Longruns sind andere schneller. Doch Singapur ist eine Strecke, auf der man von der Spitze weg das Tempo und damit den Reifenverschleiß kontrollieren kann.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Singapur - Freitag - 15.9.2023
Motorsport Images

Red Bull sucht noch nach der Balance und nach Antworten.

Wird Singapur zur Angststrecke von Red Bull?

Der erste Trainingstag von Red Bull verlief so, wie von Max Verstappen befürchtet. Der Marina Bay Circuit könnte sich zur Angststrecke für die Weltmeister entwickeln. In der ersten Sitzung landeten Max Verstappen und Sergio Perez auf den Plätzen 3 und 7, in der zweiten war es noch dramatischer. Perez und Verstappen verloren auf den Plätzen 7 und 8 satte sieben Zehntel auf die Ferrari.

Schlimmer noch: Im Moment stehen auch beide Mercedes, Fernando Alonso und Lando Norris im umgebauten McLaren vor den flügellahmen Red Bull-Raketen. "Wir finden keine Balance", klagte Verstappen. Kollege Perez bestätigte: "Bei jedem Bremsmanöver kommt das Heck und du hast Angst, dass du in der Mauer landest."

Red-Bull-Sportchef Helmut Marko rätselt: "Der erste Sektor hat nur drei Kurven, aber wir verlieren dort vier Zehntel. Die Fahrer haben kein Vertrauen ins Auto. Ungewöhnlich ist auch, dass Perez zwei bis drei Zehntel schneller ist als Max."

Verstappen zog frustriert Bilanz: "Wir haben viel probiert, aber nichts hat funktioniert. Es gibt noch einiges, was wir nicht verstehen. Wir wollen uns am Samstag verbessern, aber der Abstand ist groß." Marko schöpft trotzdem Hoffnung: "Bei den Longruns sind wir bei der Musik." Perez war auf den Medium-Reifen sogar der Schnellste. Allerdings mit minimalem Vorsprung auf Alonso und Hamilton.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Singapur - Freitag - 15.9.2023
Motorsport Images

Laut Verstappen ist der Rückstand zur Spitze schon zu groß.

Ist das der Beginn eines Trends oder der von Verstappen befürchtete Ausrutscher an der Marina Bay? Wenn es ein Trend wäre, dann sicher nicht, weil die Konkurrenz stärker geworden wäre. So eine 180-Grad-Wende schafft man mit keinem Upgrade. Ferrari, Mercedes und Aston Martin haben ohnehin kaum neue Teile dabei.

Red Bull müsste also schlechter geworden sein. Marko bezieht den an den Kanten modifizierten Unterboden in die Verdachtsliste mit ein. Verstappen und Perez fuhren ihn abwechselnd und unterzogen ihn einem Vergleich mit der alten Spezifikation. Gegen die Theorie spricht: Das Auto mit dem neuen Boden war in beiden Trainings das schnellere.

Die Konkurrenz vermutet natürlich reflexartig, dass eine der beiden Technischen Direktiven Red Bull ein Bein gestellt hat. "TD018 betrifft uns nicht. Wir hatten nie einen beweglichen Flügel", winkt Verstappen ab. TD039 dagegen könnte ein Stolperstein für Red Bull werden. Da geht es um die Befestigung des Unterbodens im vorderen Teil. Wer das schlau gemacht hat, konnte tiefer fahren als der Rest. Doch es ist noch viel zu früh, irgendwelche Schlussfolgerungen aus zwei Trainingssitzungen zu ziehen. Erst wenn ein Team über einen Zeitraum von drei bis vier Strecken konstant besser oder schlechter ist als vorher, ist ein Verdacht gerechtfertigt.

Lando Norris - GP Singapur 2023
Motorsport Images

McLaren hat nur ein Eisen im Feuer. Piastri scheint mit den alten Teilen chancenlos.

Was kann das McLaren-Upgrade?

Nur Lando Norris fährt das Upgrade. Oscar Piastri sitzt noch in der alten Spezifikation. Der Unterschied? Sieben Zehntel. "Es ist eine schöne Verbesserung zu dem, was wir vorher hatte", lobte der Pilot die Ingenieure. Norris zählte zu der Gruppe, die vor Red Bull ins Ziel kam.

Einem Longrun-Vergleich entzog sich McLaren. Norris war neben Kevin Magnussen der einzige Fahrer, der mit den Soft-Reifen auf eine längere Distanz ging. Der Schnitt von 1.38,164 Minuten über sieben Runden zeigt, dass man den Soft für das Rennen nicht ausschließen darf, auch wenn Pirelli vor einer höheren Abnutzung als mit den anderen beiden Reifentypen warnt.

Piastri demonstrierte mit dem älteren McLaren-Modell, warum das Auto keine langsamen Kurven konnte. Der Australier landete mit 1,3 Sekunden Rückstand nur auf Platz 15 und war im Longrun vier Zehntel langsamer als Tsunoda im Alpha Tauri.

Lewis Hamilton - Mercedes - Formel 1 - GP Singapur - Freitag - 15.9.2023
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Mercedes legte starke Longruns hin. Die Piloten sind optimistisch.

Ist Mercedes ein Siegkandidat?

Der Einstieg in das Training verlief verdächtig gut. "Das ist für uns unheimlich wichtig und spielt eine größere Rolle, als ob wir mit viel oder wenig Abtrieb unterwegs sind. Wir müssen gut in das Wochenende reinkommen", erklärte Teamchef Toto Wolff. George Russell bestätigte mit seinem dritten Platz, dass Mercedes vom Sieg träumen darf. In seine schnellste Runde baute er noch einen massiven Quersteher in der Zielkurve ein: Zeitverlust: ungefähr eineinhalb Zehntel.

Lewis Hamilton sprach vom besten zweiten Training des Jahres, lobte den Streckenumbau und den neuen Asphalt. Das sind Anzeichen dafür, dass sich der Rekordsieger wohl fühlt. Da die Mercedes-Fahrer am Samstag in der Regel noch Zeit finden, zählen sie zu den Kandidaten für die Pole Position und den Sieg.

Chefingenieur Andrew Shovlin schränkt jedoch ein: "Auf eine Runde müssen wir noch besser werden." Mercedes verlor im Vergleich zu Ferrari auf den Geraden und den Bremszonen. Der erste Sektor ging klar an die Roten. Im zweiten war Mercedes besser.

Die Rennsimulationen auf den Medium-Reifen waren ungewöhnlich eng gestaffelt. Zwischen Perez und Yuki Tsunoda auf Platz 9 lag nur eine halbe Sekunde. Perez war der Schnellste, Alonso der Konstanteste. Leclerc legte viele Abkühlrunden ein, um die Reifen in Schuss zu halten. Auch Hamilton hatte zwei langsame Runden in seinem Longrun, weil er in Verkehr lief. Russell ging seinen Dauerlauf schneller an als Verstappen, ließ am Ende aber etwas nach. Unter dem Strich war er immer noch ein Zehntel schneller als der Weltmeister.

Fernando Alonso - Aston Martin - Formel 1 - GP Singapur - Freitag - 15.9.2023
Motorsport Images

Fernando Alonso legte vom ersten zum zweiten Training eine bemerkenswerte Steigerung hin.

Darf Alonso vom 33. Sieg träumen?

Nach dem ersten Training trugen die Ingenieure sorgenvolle Mienen zur Schau. Fernando Alonso kam mit 0,624 Sekunden Rückstand nur auf Platz 8. Das war noch nicht podestwürdig. Die Aston Martin waren wie so viele Autos zu hoch eingestellt. "Die neu asphaltierten Stellen haben viel weniger Bodenwellen als erwartet. Darauf mussten wir uns erst einmal einstellen", berichtete Teamchef Mike Krack.

Und dann funktionierte es. Alonso fuhr seine schnellste Runde mit seinem zweiten Versuch auf den Soft-Reifen. Dreieinhalb Zehntel Rückstand auf die Ferrari sind nicht die Welt, wenn man einrechnet, dass die grünen Autos normalerweise pfleglicher mit den Reifen umgehen. Was die Longruns auch zeigen. Alonso war im Schnitt zwei Zehntel schneller als Sainz und vier Zehntel als Leclerc.

Doch der Spanier zweifelt: "Im Moment sind die Ferrari auf eine Runde zu schnell für uns. Auch wenn wir besser im Longrun sind, bringt uns das nicht viel. Die Pole Position ist hier so wichtig wie in Monte-Carlo. Außerdem rechne ich damit, dass Red Bull seine Probleme löst, bis es ernst wird."

Guanyu Zhou - Alfa Romeo - Formel 1 - GP Singapur - Freitag - 15.9.2023
xpb

Eine lange Gerade mehr, vier Kurven weniger - die Autos sind deutlich schneller als im Vorjahr.

Um wie viel schneller ist das neue Streckenlayout?

Pirelli hat in seinen Simulationen eine Differenz von 8,5 Sekunden errechnet. Auf dem Papier sollte die Pole Position bei 1.31,9 Minuten liegen. Davon war Carlos Sainz nur noch zwei Zehntel entfernt. Im Rennen betrug die durchschnittliche Rundenzeit im Vorjahr bei 1:46 Minuten. Die besten Longruns auf dem neuen Layout waren um acht Sekunden schneller.

Das lag nicht nur daran, dass jetzt eine 400 Meter lange Gerade vier enge Kurven ersetzt. Auch der neue Asphalt in den Kurven 1 bis 5 trägt dazu bei. Die Autos können tiefer eingestellt werden als gedacht. Das hat auch im Renntrim Auswirkungen. Die Reifen haben ein leichteres Leben. Pirelli-Sportchef Mario Isola prophezeit: "Das wird ein Einstopp-Rennen."

GP Singapur 2023 - Longrun-Zeiten (FP2)

Fahrer

Ø Rundenzeit

Runden

Reifentyp

Stint

Norris

1.38,164 min

7

Soft

1

Magnussen

1.40,095 min

12

Soft

1

Perez

1.38,219 min

8

Medium

1

Alonso

1.38,241 min

11

Medium

1

Hamilton

1.38,386 min

12

Medium

1

Russell

1.38,468 min

11

Medium

1

Sainz

1.38,496 min

13

Medium

1

Stroll

1.38,516 min

11

Medium

1

Verstappen

1.38,585 min

11

Medium

1

Leclerc

1.38,664 min

12

Medium

1

Tsunoda

1.38,783 min

11

Medium

1

Piastri

1.39,157 min

9

Medium

1

Zhou

1.39,650 min

9

Medium

1

Hülkenberg

1.39,862 min

10

Medium

1

Sargeant

1.39,908 min

13

Medium

1

Norris

1.38,248 min

5

Hart

2

Bottas

1.38,841 min

10

Hart

1

Gasly

1.39,118 min

9

Hart

1

Ocon

1.39,474 min

12

Hart

1

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