Rennanalyse GP Saudi-Arabien 2024
Safety-Car-Poker geht nicht auf

GP Saudi-Arabien 2024

Wieso setzten Mercedes und McLaren in Jeddah auf die falsche Strategie? Wie viel fehlt Ferrari auf Red Bull und Max Verstappen? Und wie gelang es Nico Hülkenberg mit seinem Haas einen unverhofften Punkt einzufahren? Die Rennanalyse liefert Antworten.

Lewis Hamilton - GP Saudi-Arabien 2024
Foto: xpb

Wie weit ist Ferrari von Red Bull entfernt?

Wer wissen wollte, wie spannend das Rennen in Jeddah war, musste nur kurz in die Pressekonferenz der drei Erstplatzierten nach der Zieldurchfahrt reinhören. Max Verstappen bekam fast mehr Fragen zum internen Streit bei Red Bull gestellt als zu seiner Galavorstellung auf der Piste. "Es ist wichtig, dass wieder Frieden im Team herrscht. Zum Glück hat es unserer Performance bisher nicht geschadet", erklärte der Niederländer nach seinem neunten Sieg in Folge zufrieden.

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Wie schon in Bahrain konnte die Konkurrenz den Doppelsieg des Weltmeisterteams nicht verhindern. "Bei der Pace fehlt uns noch eine halbe Sekunde", rechnete Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur vor. "Wir müssen es irgendwie schaffen, sie unter Druck setzen und in Fehler zu treiben." Auch über die Strategie waren die Möglichkeit zur Attacke begrenzt. Das frühe Safety-Car nach dem Crash von Lance Stroll in Runde sieben schenkte allen Piloten einen Gratis-Stopp.

Max Verstappen - Red Bull - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
Red Bull

Max Verstappen dominierte auch den GP von Saudi-Arabien und feierte den zweiten Sieg der Saison.

Lando Norris nahm das Geschenk nicht an. Deshalb konnte der McLaren-Pilot Verstappen ein paar Führungsrunden klauen. Nach dem Restart dauerte es aber nur drei Umläufe, bis die harten Reifen am Red Bull auf Betriebstemperatur kamen und der Weltmeister auf der Geraden vorbeizog. Fünf Runden später war auch Perez vorbei. Leclerc brauchte dagegen bis Runde 27, um den McLaren zu knacken. "Wir haben leider auf größere Flügel gesetzt und Topspeed geopfert. Wäre ich schneller an Lando vorbeigekommen, hätte ich vielleicht eine Chance gegen Checo gehabt", klagte der Monegasse.

Perez hatte Ferrari ein Stück die Tür geöffnet, weil er im Boxenstopp-Chaos eine Unsafe-Release-Strafe für die Behinderung von Fernando Alonso kassierte. Durch diese halbierte sich der Abstand nachträglich von zehn auf fünf Sekunden. "Ferrari hat noch ein paar Probleme mit der Balance. Unser Auto liegt schon sehr gut. Das lässt unseren Vorsprung größer aussehen, als er ist", analysierte Perez. "Wenn bei ihnen alles passt, wird es bestimmt enger."

Charles Leclerc - GP Saudi-Arabien 2024
Wilhelm

Charles Leclerc schaffte es im Ferrari auf Platz drei. Der Monegasse hatte eine kleine Chance, die Red Bull zu sprengen.

Warum wurde Norris wegen des Frühstarts nicht bestraft?

Jeder hatte es gesehen: Lando Norris war in Jeddah vor dem Erlöschen der Startampel losgerollt. Der McLaren-Pilot bemerkte selbst, dass sein MCL38 gezuckt hatte. Der vermeintliche Sünder konstatierte nach dem Grand Prix: "Ich habe mich minimal bewegt und habe dann versucht, wieder stehenzubleiben. Ich habe am Ende mehr verloren, als ich dadurch hätte gewinnen können." George Russell, der auf Rang sieben startete, petzte den Frühstart sofort an den Kommandostand.

Die Stewards leiteten während des Rennens eine Untersuchung ein, ließen den 24-Jährigen allerdings davonkommen. Nach dem Grand Prix teilte die FIA mit, weshalb keine Strafe gegen Norris ausgesprochen wurde. Auf den TV-Bildern konnten die Stewards sehen, dass sich der McLaren bewegt hatte. Doch der Transponder im Auto schlug nicht an – und der ist entscheidend für eine Strafe. Das geht aus Artikel 48.1 des sportlichen Reglements hervor. Den Stewards waren somit die Hände gebunden. Weshalb der Transponder nicht anschlug, blieb unklar. Glück für Norris.

Lando Norris - McLaren - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
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Lando Norris legte einen Frühstart hin. Doch der Transponder in seinem McLaren schlug nicht an. Der Engländer wurde nicht bestraft.

Warum stoppten Hamilton und Norris nicht in der SC-Phase?

Fast das ganze Feld nutzte die frühe Neutralisation für einen zeitsparenden Boxenstopp. Aus den Top Ten bogen nur Lewis Hamilton und Lando Norris nicht zu Reifenwechsel ab. McLaren-Teamchef Andrea Stella erklärt die Gedanken seiner Strategen: "Wir haben entschieden, die Taktik zu splitten. Bei einem weiteren Safety-Car oder einem Abbruch, was in Jeddah nicht selten ist, wären wir richtig nach vorne gekommen." Auch Norris sah es nicht als Fehler an: "Es war gut, dass wir etwas probiert haben. Leider hat sich das Risiko nicht ausgezahlt. Dadurch habe ich ein paar Punkte verloren."

Nach dem Pflichtstopp in Runde 37 versuchte sich der Brite im Endspurt auf den Soft-Reifen noch Oliver Bearman zu schnappen. "In den ersten zwei, drei Runden haben wir ordentlich auf ihn aufgeholt. Leider sind die Soft-Reifen dann ziemlich schnell eingegangen. Es war trotzdem die richtige Entscheidung. Mit harten Reifen hätte ich mich nicht gegen Lewis verteidigen können, weil die Softs deutlich schneller auf Temperatur kamen." Im Ziel fehlten drei Sekunden auf den Ferrari.

Lando Norris - McLaren - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
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Lando Norris stoppte in Runde 37 und nahm für den Schlussspurt die weichen Pirelli-Reifen mit.

Bei Mercedes hatte man ebenfalls vergeblich auf Chaos und weitere Safety-Car-Phasen gehofft. Im Gegensatz zu McLaren wollte man hier die Taktik aber nicht unbedingt splitten: "Wir haben George gesagt, dass er das Gegenteil von Norris machen soll. Wäre Norris an die Box gekommen, hätten wir auch George draußen gehalten", erklärte ein Strategie-Ingenieur nach dem Rennen. Russell kam am Ende als bester der vier Engländer auf Rang sechs ins Ziel.

Hamilton dagegen sammelte auf Platz neun nur zwei Zähler: "Wenn man in unserer Situation ist, muss man etwas anders machen. Unser Auto ist ganz gut in den langsamen Kurven und ganz okay in den mittelschnellen Ecken. Aber in den schnellen Abschnitten fahren wir meilenweit hinterher. Da sind wir fast in einer anderen Kategorie unterwegs als die Autos um uns herum. Es ist frustrierend, drei Jahre in Folge in der gleichen Situation zu sein. Wir brauchen jetzt größere Veränderungen. Die drei Autos vor uns unterscheiden sich in einigen Bereichen grundlegend zu unserem. Da gibt es sicher noch viel Performance zu finden."

George Russell - Mercedes - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
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Mercedes enttäuschte in Jeddah erneut. Lewis Hamilton zeigte sich im Anschluss an das Rennen niedergeschlagen und forderte Lösungen.

Wie schaffte es Hülkenberg in die Punkte?

Nico Hülkenberg gelang in Jeddah eine Überraschung. Der Deutsche sammelte in seinem Haas den ersten WM-Punkt der Saison. Im Qualifying rollte der 36-Jährige im Q2 ohne Sprit im Tank aus und musste von Rang 15 starten. Bereits im Anschluss an die Session gab es Gerüchte, über ein Betankungsproblem beim VF-24. Hülkenberg klärte im Anschluss des Rennens auf. Der zuständige Mechaniker ließ versehentlich Sprit abfließen, statt den Haas zu betanken. Der Pilot nahm es mit Humor: "2.000 Mal ging’s gut und beim 2.001. Mal hat er statt betankt, enttankt."

Im Rennen machte Hülkenberg am Start einen Platz gut. Als Lance Stroll in Runde 7 die einzige Safety-Car-Phase des Rennens auslöste, blieb der Deutsche als einer von nur vier Piloten auf der Strecke. Haas reizte bei seinem Fahrer den Stopp bis Runde 33 aus und gab ihm für den Schluss-Stint die harten Reifen mit auf die Reise.

Nico Hülkenberg - Haas - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
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Haas-Pilot Nico Hülkenberg schaffte es auch dank gütiger Unterstützung von Teamkollege Kevin Magnussen in die Punkte.

Der Deutsche konnte sich vor allem bei seinem Teamkollegen Kevin Magnussen bedanken, dass die Strategie im Gegensatz zu Norris und Hamilton funktionierte. Magnussen hielt die Gegner um WM-Punkte mit teilweise harten Manövern auf, bis die Lücke für Hülkenberg ausreichte, um sich nach seinem Stopp vor den Verfolgern einzusortieren. Der Emmericher zollte Magnussen Respekt für diese Leistung: "Ich habe gehört, dass er über mehrere Runden wirklich die Ellbogen ausgefahren hat. Alex Albon meinte zu mir, er habe mich für gekämpft, als ob ich sein Bruder wäre und hat sich gewundert, wieso er so den Kopf für seinen Teamkollegen hinhält."

Wie ist die Leistung von Bearman einzuschätzen?

Ein weiterer Star des Wochenendes in Jeddah war Oliver Bearman. Der Ersatzmann von Carlos Sainz steuerte seinen Ferrari bei seinem Formel-1-Debüt direkt in die Punkte. Trotz nur eines Trainings am Freitag (8.3.) qualifizierte sich der Engländer auf Rang elf. Im Rennen ging es dann für den 18-Jährigen noch weiter nach vorne. Bearman steuerte den SF-24 auf Platz sieben über die Ziellinie und sammelte bei seinem ersten F1-Rennen sechs Zähler.

Im Anschluss war der Engländer glücklich über das Ergebnis: "Es war ein fantastisches Rennen, einfach unglaublich. Vor allem am Ende, als mich Norris und Hamilton auf den weichen Reifen jagten, konnte ich mich nicht entspannen. In den letzten zehn Runden musste ich eine Quali-Runde nach der anderen fahren."

Oliver Bearman - Ferrari - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Formel 1 - 9. März 2024
Motorsport Images

Oliver Bearman lieferte in Jeddah ein starkes Wochenende ab und bewarb sich für weitere Formel-1-Einsätze.

Bearman zeigte sich aber auch selbstkritisch. Seiner Ansicht nach hatte er zu lange gebraucht, um an Nico Hülkenberg vorbeizukommen. "Er hat seine Erfahrung ausgespielt und die Batterieleistung genutzt, um mich hinter sich zu halten. Es hat eine Weile gedauert, bis ich ihn überholen konnte. Ich habe schnell gemerkt, dass es in der Formel 1 schwieriger ist zu überholen als in der Formel 2." Der Teenager gab zu, dass er etwas Zeit brauchte, bis er die Elektro-Power zu seinem Vorteil ausspielen konnte. In der Formel 2 sind die Piloten ohne die Hybrid-Motoren unterwegs.

Teamchef Frédéric Vasseur war voll des Lobes für seinen Schützling: "Oliver hat heute keinen einzigen Fehler gemacht. Am Ende des Rennens war er noch in der Lage, sein Tempo zu steigern, als wir es von ihm gefordert haben. Alles in allem war es eine fantastische Leistung von ihm." Die Frage, ob Bearman auch beim kommenden Rennen in Australien im Ferrari sitzen wird, konnte Vasseur nicht beantworten. "Wir werden wohl erst in Melbourne eine Entscheidung treffen. Wir wissen ja jetzt, dass wir mit Ollie einen guten Ersatz haben."

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