Rennanalyse GP Österreich 2023
Große Blamage wegen Track Limits

GP Österreich 2023

Die Formel 1 stolperte in Spielberg über unzählige Verstöße bei den Track Limits. Red Bull war wieder haushoch überlegen. Ferrari positionierte sich als Verfolger, McLaren blühte auf.

Track Limits - GP Österreich 2023 - Spielberg
Foto: Motorsport Images

Dieses Rennen in der Steiermark wird in Erinnerung bleiben. Nicht aber im Sinne der Formel 1. Die Farce um die Track Limits fand einen traurigen Höhepunkt. Das offizielle Rennergebnis stand erst um 21:46 Uhr fest. Stunden nach der Zieleinfahrt. In unserer Rennanalyse beantworten wir die wichtigsten Fragen.

Warum protestierte Aston Martin gegen das Ergebnis?

Aston Martin stach in ein Bienennest. Das Team hielt der FIA mit einem Protest vor, dass sie nicht alle Verstöße gegen die Track Limits während des Rennens analysiert hatte. Die Rennleitung kam mit dem Zählen einfach nicht hinterher. Die Sportkommissare stimmten Aston Martin zu. Sie forderten die Rennleitung auf, im Nachgang alles aufzuarbeiten und zu protokollieren. Diese musste angeblich mehr als 1200 Fälle überprüfen. Daraus filterte sie 83 tatsächliche Übertretungen der weißen Begrenzungslinien in den Kurven neun und zehn heraus.

Unsere Highlights
Track Limits - GP Österreich 2023 - Spielberg
Motorsport Images
Die Track Limits waren in Spielberg ein riesengroßes Ärgernis.

Zu den geahndeten Verstößen während des Rennens (Strafen gegen Sainz, Hamilton, Gasly, Magnussen, Albon, Sargeant und Tsunoda) kamen schlussendlich weitere mit fünf Stunden Verspätung. Tsunoda plus fünf Sekunden. Sainz, Gasly, Hamilton, Albon, Sargeant – jeweils plus zehn. De Vries plus 15 und Ocon plus 30 Sekunden.

Das Podest war von der Strafen-Parade nicht betroffen. Dahinter wirbelte es die Top 10 durch. Norris, Alonso, Russell und Stroll gewannen jeweils einen Platz. Sainz, Hamilton und Gasly rutschten je eine Position zurück. Um solch ein Horror-Szenario in Zukunft zu verhindern, schlägt die FIA vor, in den Kurven neun und zehn ein Kiesbett zu pflanzen.

Max Verstappen - Red Bull - GP Österreich 2023 - Spielberg
Wilhelm
Max Verstappen sicherte sich den siebten Saisonsieg.

Wieso war Red Bull überlegener als in Kanada?

In Kanada fiel der Vorsprung von Max Verstappen nicht ganz so groß aus wie sonst. Das machte der Konkurrenz zumindest ein wenig Hoffnung, durch ihre in den letzten Wochen stark überarbeiteten Autos dem Klassenprimus näher gekommen zu sein. Zwei Wochen später folgte eine kräftige Ohrfeige. Verstappen flog wieder allen davon. Teamkollege Sergio Perez erholte sich trotz Erkrankung aus seinem Formtief und pirschte von Startplatz drei bis auf das Podest.

An neuen Teilen lag es nicht. Red Bull hatte für den GP Österreich nur die hinteren unteren Querlenker aerodynamisch etwas günstiger verkleidet. Es war vielmehr so, dass die Reifen im Rennen wieder eine größere Rolle spielten. In Kanada ging die Abnutzung gegen null, in Spielberg war sie hoch. Je stärker die Pirellis leiden, desto mehr glänzt das beste Auto im Feld. Der Red Bull hat das breiteste Arbeitsfenster. Der RB19 funktioniert immer – egal auf welcher Strecke, welchem Reifen, bei welchen Witterungsverhältnissen.

Punkt zwei der Dominanz machte die Streckencharakteristik aus. Der Red-Bull-Ring verlangt nach Performance in allen Kurventypen – von schnell bis langsam. Und nach einem guten Topspeed. Red Bull hat alles, und ist beim Setup nicht in bittere Kompromisse gezwungen. Zwischen den Zeilen hörte man in Gesprächen heraus, dass Verstappen nicht immer am Limit war. Der Weltmeister ist eine Macht und ein Muster an Konstanz. "Er fährt mit einer unglaublichen Leichtigkeit", bemerkt Sportchef Helmut Marko.

Die Dominanz fand ihren Höhepunkt in der drittletzten Runde. Verstappen hatte den Luxus, einen weiteren Stopp einzulegen, um danach auf die schnellste Rennrunde Jagd zu machen. Er sicherte sich den Extra-Punkt. Ohne den zusätzlichen Halt wäre sein Vorsprung bei mehr als 20 Sekunden gelegen.

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc sparte sich außerdem etwas Zeit beim ersten Stopp unter VSC. Auch wenn Teamchef Frédéric Vasseur anmerkte: "Wir hatten nicht das optimale Timing. Als das VSC ausgerufen wurde, waren wir um zehn Meter an der Boxeneinfahrt vorbei. Als die Rennleitung es aufhob, waren wir noch in der Boxenstraße."

Charles Leclerc - Ferrari - GP Österreich 2023 - Spielberg
Wilhelm
Ferrari scheint auf dem Weg der Besserung, braucht aber noch mehrere Entwicklungsschritte.

Hat Ferrari wirklich Fortschritte gemacht?

Fahrer und Teamleitung befinden: ja. "In Kanada hatten wir eine starke Rennpace. Spielberg hat ein anderes Layout mit einem anderen Asphalt. Ich denke, wir haben uns mit diesem Ergebnis die Bestätigung eingeholt", erzählte Vasseur. Leclerc landete auf dem zweiten Platz, Carlos Sainz wurde nachträglich auf Platz sechs zurückgestuft.

Ferrari hatte das zweitschnellste Auto. Auf eine Runde in der Qualifikation am Freitag und über die Distanz. Das Barcelona-Upgrade eröffnete eine neue Richtung. Dort und bei den anschließenden Pirelli-Reifentests lernte man auch viel über das Setup, und wie der rote Rennwagen eingestellt werden will. In Österreich verfeinerte die Scuderia das Paket mit einem neuen Frontflügel und abermals modifizierten Unterboden.

Das Arbeitsfenster des SF-23 ist größer geworden, ohne die Bodenfreiheit zwingend zu verändern. Das Auto ist nicht mehr so launisch. Im System ist mehr Konstanz. Die Fahrer gewinnen Vertrauen. Speziell in Highspeed-Kurven klebt der Ferrari besser. "Das Auto fühlt sich mehr zusammen an", erzählt Sainz. Leclerc ergänzt: "Das Upgrade hat das Gefühl besser gemacht." Bis zu Red Bull ist es dennoch ein weiter Weg. Um Verstappen einzuholen, braucht es noch eine Reihe an Verbesserungen, die ein paar Zehntel ausmachen.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP Österreich 2023 - Spielberg
Wilhelm
Aston Martin befand sich wie Mercedes im Nirgendwo, gemessen an den eigenen Ansprüchen.

Was war mit Mercedes und Aston Martin los?

Red Bull und Max Verstappen haben ein Abo auf den Sieg. Die Verfolger wechseln sich ab, und fallen durch fehlende Konstanz auf. In Kanada waren Aston Martin und Mercedes noch gut unterwegs. Zwei Wochen später verschwanden beide hinter Ferrari und sogar hinter Lando Norris im McLaren.

In den Qualifikationen redete sich Aston Martin auf das DRS heraus. Mit offenem Flügel gewinnt das Auto nicht so viel Geschwindigkeit. "Leider darf man in Spielberg in der Quali auf 35 Prozent der Strecke das DRS aktivieren", bedauerte Chefingenieur Tom McCullough. Aston Martin versuchte gegenzusteuern, indem man etwas Heckflügel wegnahm. Dennoch hatte man eines der langsamsten Autos geradeaus. Zu viel Flügel wollte man nicht opfern, weil man sonst in den schnellen Kurven büßt. Die zählten im bisherigen Saisonverlauf nicht zu den großen Stärken von Aston Martin. "Wir haben uns dort aber verbessert, was die Sektoren zwei und drei zeigen", beteuerten sie im Team.

Für die maue Performance im Rennen war DRS keine Ausrede. Der Flügel darf ja nur benutzt werden, wenn man innerhalb einer Sekunde zum Vordermann ist. Eine echte Erklärung für das Abscheiden hatte Aston Martin nicht. Fernando Alonso schob es auf die Strecke, die dem Team auch in der Vergangenheit nicht gelegen habe. Der Spanier fühlte sich an Barcelona erinnert, als Aston Martin im Rennen abschmierte. Das Gefühl im Auto sei ein ähnliches gewesen.

Damals waren die grünen Autos aus dem Arbeitsfenster gefallen. "Eine einmalige technische Sache", hieß es am Österreich-Wochenende dazu aus dem Team, die "nicht mit der Bodenfreiheit in Zusammenhang stehe." In Spielberg traf der Aston ebenfalls nicht den Wohlfühlbereich. Schnelle Kurven gibt es auch hier. Sicher hat Aston Martin die langsamen Ecken von Montreal vermisst. Die Stärken bei der Traktion konnte man in Spielberg kaum ausspielen. Nach dem Grand Prix gibt es Fragezeichen, ob das große Kanada-Upgrade den AMR23 tatsächlich besser gemacht hat.

Mercedes erging es nicht besser. In Österreich machte man einen Rückschritt. Vom ersten Training an blieb der W14 ein paar Zehntel unter den Erwartungen. Am komprimierten Sprint-Wochenende fand Mercedes nie in die richtige Spur. Das widerspenstige Heck kehrte zurück. Der Versuch, die Hinterachse über weniger Frontflügel zu stärken, um den Silberpfeil in Balance zu bringen, scheiterte. "Wir haben überall gelitten. Das Auto unter- und übersteuerte gleichermaßen", sagte Teamchef Toto Wolff. Der W14 ist zu abhängig vom Streckentyp.

Lando Norris - McLaren - GP Österreich 2023 - Spielberg
xpb
McLaren und Lando Norris gehörten zu den großen Gewinnern.

Wie ist die Formsteigerung von McLaren zu erklären?

McLarens B-Version hat in Österreich voll eingeschlagen. Sie hat mehr Abtrieb, speziell in der Kurvenmitte. "Was wir auf der Strecke messen, ist, was unsere Entwicklungstools ausspucken. Das ist ermutigend", sagt Teamchef Andrea Stella.

Ein wenig überraschte sich McLaren selbst. Weil auch der Speed über die Distanz stimmte, und nicht mehr nur auf eine schnelle Runde, wo frische Pirellis viel kaschieren können. Die Reifenabnutzung ist geringer geworden. "Trotz der Zweikämpfe, in die ich verstrickt war. Die haben sicher nicht geholfen", befand Lando Norris, der starker Vierter wurde.

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